Wie aus „wir würden gern, aber dürfen nicht“ „wir müssen, aber wollen nicht“ wurde

© Tyler Olson - Fotolia

CGM: Alle haben auf die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses am 16. Juni gewartet, auch Sascha. Was vorher geschah, wie er den Beschluss zur Kostenerstattung sieht und was ihm sonst noch so dazu für Gedanken gekommen sind, berichtet er euch hier.

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Die letzten Wochen waren ganz schön spannend für Dia Deutschland. Die Entscheidung des G-BA darüber, ob GGM Systeme in den Hilfsmittelkatalog aufgenommen werden und somit erstattungsfähig sind, stand vor der Tür. Eine von Diabetikern und Industrie gleichermaßen herbeigesehnte Entscheidung.
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Was bisher geschah

CGM Systeme gibt es schon seit einer Weile und sie bieten uns Diabetikern riesige Vorteile gegenüber der „konventionellen“ Blutzucker Messung mit Teststreifen und Messgerät. Zum einen wird der Glukosespiegel konstant gemessen und aufgezeichnet, zum anderen wird das lästige und schmerzhafte Fingerstechen deutlich reduziert. Das ist bei CGM Systemen nämlich nur noch in bestimmten Situationen nötig. (Etwa zum Kalibrieren des Sensors oder bei stark schwankenden Glukosewerten). Darüber hinaus bieten die Systeme, neben einer Trendanzeige, Alarme bei zu hohen oder zu niedrigen Glukosewerten und ermöglichen dadurch ein rechtzeitiges und effektiveres Diabetes Management. Durch die graphische Darstellung des Glukoseverlaufs über den Tag sind viel genauere Therapieanpassungen möglich, als es mit der herkömmlichen Methode jemals der Fall wäre. Denn diese misst den Blutzucker nur punktuell zu einem Zeitpunkt. Einem CGM System liegt eine andere Messmethode zu Grunde als bei Blutzuckertestreifen und das war bisher das Argument für viele Krankenkassen, die nicht unerheblichen Kosten für solch ein System nicht übernehmen zu können. Denn schließlich handele es sich bei CGM Systemen ja um eine „Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode“ (NUB), deren tatsächlicher Nutzen noch nicht weit genug bewiesen sei. Und da solche NUBs nicht im Hilfsmittelkatalog gelistet sind, lehnten die Krankenkassen regelmäßig Anträge auf Kostenübernahme für ein CGM mit dem Verweis auf diesen Umstand ab. „Wir würden ja gerne, aber wir dürfen ja leider nicht“, war hier der Tenor. Kurz und knapp: CGM Systeme sind erst erstattungsfähig wenn sie im Hilfsmittelkatalog aufgenommen sind. Und genau darüber hatte der G-BA am 16. Juni zu entscheiden.

Schöne neue Welt?

Nun liegt diese Entscheidung vor und bestätigt einigen CGM Systemen unter definierten Umständen sehr wohl einen Nutzen für einige Patientengruppen. Verständlicherweise wurde diese Nachricht vielerorts als Meilenstein gefeiert. Schließlich hatten Verbände, Patientenorganisationen, Arbeitsgruppen und nicht zuletzt die Diabetes Community jahrelang durch Aufklärung, Gerichtsverfahren, Widersprüchen etc. Druck auf den G-BA ausgeübt und damit diese längst fällige Entscheidung forciert. Auch in den sozialen Medien war die Nachricht über den G-BA Beschluss tagelang Thema Nr.1 Manche verfielen sogar dermaßen in Euphorie, dass man den Eindruck bekommen konnte, nun sei alles gut und jeder Diabetiker bekomme nun ein CGM System von seiner Krankenkasse bezahlt. Wie bereits erwähnt, stellt der G-BA genaue Anforderungen an die CGM Systeme. Diese müssen bestimmten Kriterien entsprechen, um erstattungsfähig zu sein. Hierzu heißt es in der Pressemitteilung des G-BA: „Festgelegt ist zudem, dass die einsetzbaren Messgeräte als rtCGM zugelassen sein müssen und über eine Alarmfunktion mit individuell einstellbaren Glukosegrenzwerten verfügen. Werden beim Einsatz des Gerätes personenbezogene Daten verwendet, muss sichergestellt sein, dass hierauf kein Zugriff durch Dritte, insbesondere durch Hersteller, möglich ist.“ Ebenso hat der G-BA klar definiert, bei welchen Patienten die Versorgung mit CGM Systemen als Kassenleistung erbracht werden darf. Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein:
  • die einer intensivierten Insulinbehandlung bedürfen, in dieser geschult sind und diese bereits anwenden,
  • insbesondere dann, wenn die zwischen Ärztin oder Arzt und Patientin oder Patient festgelegten individuellen Therapieziele zur Stoffwechseleinstellung auch bei Beachtung der jeweiligen Lebenssituation der Patientin oder des Patienten nicht erreicht werden können.
Somit sollte klar sein, dass auch in Zukunft streng geprüft wird, ob diese Anforderungen im Einzelfall erfüllt werden. Ich bin mir sicher, dass unsere Krankenkassen zusammen mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) schon daran arbeiten, das Antragsverfahren so unbequem wie nur möglich zu gestalten. Dennoch ist durch den G-BA Beschluss eine große Hürde genommen worden. Bis sich dieser Beschluss dann auch in der Praxis niederschlägt, werden wohl noch einige Wochen vergehen. Trotzdem ein großer Erfolg für Diabetes Deutschland, gerade im Hinblick auf neue Entwicklungen wie der künstlichen Bauchspeicheldrüse. Denn auch hier spielt die kontinuierliche Glukosemessung eine wichtige Rolle.

Gedanken am Rande

Interessant fand ich in dem Zusammenhang die Meldung von Roche (weit vor dem G-BA Beschluss), in Zukunft das CGM System Eversense von Senseonics in Deutschland vertreiben zu wollen. Das machte auf mich den Eindruck, als wisse man hinter den Kulissen bereits, wie sich der G-BA entscheiden wird. Aber das kam mir bestimmt nur so vor. Fast noch interessanter wird die Positionierung der Krankenkassen in Bezug auf das FreeStyle Libre System sein. Denn dieses fällt wegen der fehlenden Alarme und der fehlenden kontinuierlichen Übertragung der Messwerte ja leider nicht in die Kategorie Realtime CGM und ist daher, laut oben genannter Anforderungen, nicht erstattungsfähig. Es bleibt spannend.

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