MiniMed 640G – das echte Wundermittel für die Diabetestherapie?

Seit einiger Zeit trägt Caro nun die MiniMed 640G. In ihrem Bericht verrät sie uns, wie sie mit ihrer neuen Pumpe zurecht kommt - worin sie Vorteile und Nachteile sieht.

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MiniMed® 640G Coloured Pump Range by Medtronic
  Ob in Journalen, Blogposts oder medizinischen Fachzeitschriften, die neue Insulinpumpe von Medtronic ist derzeit in aller Munde und wird hoch gelobt. Als ich diese vielen positiven Kommentare gelesen habe, dachte ich: „Das ist es! Endlich!“ Wegen verschiedener Probleme konnte ich die Patchpumpe von Ypsomed nicht mehr nutzen.

Die Umschulung auf die MiniMed 640G

Als der Wechsel auf die MiniMed 640G inklusive 3 Monate CGM genehmigt wurde, war die Freude riesig. Ich bekam eine intensive Umschulung auf dieses andere System und trotz Vorerfahrungen mit der MiniMed Veo von Medtronic wurde mir der Unterschied schnell deutlich. Nicht etwa die (selbsterklärende) Bedienung des neuen Geräts war hauptsächlich Thema in diesen Schulungen mit meiner Diabetologin – sondern das „neu Lernen“: Die dank CGM viel ausführlicheren Informationen zum Glukoseverlauf zu hinterfragen, zu verstehen und vor allem möglichst richtig und überdacht darauf zu reagieren.

Ich bin überzeugt – aber nur teilweise!

Ich wurde gut vorbereitet, fühlte mich sicher im Umgang mit der Pumpe und war darauf gefasst, der Visualisierung des täglichen minutiösen Glukoseverlaufs gegenüberzutreten. Nach monatelangem, intensivem Nutzen des Systems Medtronic 640G und CGM bin schließlich auch ich überzeugt – jedoch nur teilweise.

Der Sensor führt uns täglich ungeschönt unseren gesamten Glukoseverlauf vor Augen.

Wie viele, die jemals einen Sensor getragen haben, habe auch ich gemerkt: Diese Art der Therapie bringt eine ganz andere Sorte von Problemen mit sich. Man sieht nicht nur den Verlauf der Glukosekurve. Täglich wird man mit der Effektivität der eigenen Entscheidungen und Handlungen konfrontiert. Und oft habe ich gemerkt: Egal wie sehr ich mich bemühe – löse ich ein Problem, entsteht ein anderes. Die MiniMed 640G sticht dabei durch ihre besondere Funktion der Hypoabschaltung – dem SmartGuard – besonders heraus.

Wir verfallen in „Jagdtherapie“ – agieren vorschnell, zu stark.

Der Sensor führt uns täglich ungeschönt unseren gesamten Glukoseverlauf vor Augen. Das bringt viele Vorteile, aber auch Nachteile mit sich, denn wir sind alle nur Menschen, keine Maschinen. Und Schlechtes ertragen wir alle nicht gut. Gerade bei Alarmen wegen zu hoher Blutzuckerwerte, die die Pumpe abgeben kann, verfallen sowohl mein Partner als auch ich trotz besseren Wissens wieder allzu oft in die „Jagdtherapie“: Wir agieren vorschnell, zu stark. Der hohe Wert soll einfach weg aus unserer Sicht und unserem Bewusstsein, die Insulingabe per Knopfdruck ist schnell getan. Was passiert? Natürlich: Der Glukosespiegel fällt rapide und die Pumpe reagiert. Registriert der Sensor einen schnellen und vor allem starken Abfall der interstitiellen Glukose, kann der Pumpennutzer per Alarm und mit Trendanzeige darüber informiert werden.

Die Sache mit der Hypoabschaltung

Hier kommen wir in die erste Bredouille: Wir wissen, dass die laufende Insulinzufuhr in wenigen Minuten durch die Hypoabschaltung der MiniMed 640G abgebrochen werden kann. Warten wir darauf? Essen wir vorher etwas? Was essen wir? Wie viel essen wir? Die Antwort? Fragenzeichen Es gibt keine. Die Entscheidung muss meistens spontan getroffen werden. Wie viel Insulin wirkt noch, wie aktiv war ich heute und was mache ich gleich, wie lief die Nacht, wie viel habe ich heute bereits gegessen, warum fällt der Glukosespiegel derart schnell? – All das sind Fragen, die wir uns in dieser Situation, vor dieser Entscheidung stellen (müssen). Davon abhängig müsste unsere Entscheidung sein. Setzt die Hypoabschaltung letztendlich doch ein, was tun wir dann? Warten wir ab, bis die Pumpe „entscheidet“, dass der Glukosewert wieder hoch genug ist und das Insulin wieder einschaltet? Essen wir bei laufender Abschaltung etwas dazu? Schalten wir die Insulinabgabe wieder ein? Essen wir eine normale Mahlzeit und spritzen dafür den notwendigen Bolus? Leider kann man die Entscheidung nur einmal treffen. Und auch, wenn man versucht, mit einer Struktur damit umzugehen, ist das Ergebnis immer noch mit 50% Fehlquote behaftet. Bei fast denselben Situationen rettet mich mal das zusätzliche Essen vor der Katastrophe, da allein das Abschalten der Basalrate nicht reicht, um den Abfall zu bremsen, obwohl wenig oder gar kein wirksames Insulin angezeigt wird (eingestellt auf Insulinwirkdauer von 4 Stunden). Ein anderes Mal steigt die Glukose nach einer abgewogenen 1 BE um das 2- bis 3-Fache an, wobei die Insulinzufuhr schnell wieder vom System oder von mir fortgesetzt wird.

Mein Fazit

Ein Weg zu mehr Freiheit ist das System MiniMed 640G mit SmartGuard zunächst nicht unbedingt. Es müssen nicht nur die alten, gefährlichen Gewohnheiten wie:
  • schnelle und starke Korrektur,
  • Bolusinsulin zum Essen trotz fallender Werte unter 100 mg/dl (5,6 mmol/l),
  • häufige, große Mahlzeiten mit dadurch sich unter der Haut sammelnden Bolusmengen,
  • lange Fastenphasen usw.
vermieden werden. Man braucht eine völlig andere Therapiestrategie, die sich ohne großen Mehraufwand durchführen lässt und hilft, die Glukoseversorgung im Körper bedarfsgerecht zu steuern. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit unserer Alltagserfahrung, etwas Scharfsinn, Geduld und Beobachtungsvermögen zur der Entwicklung dieser Strategien beitragen können und so auch den Fachleuten helfen können, Steuerungsalgorithmen zu entwickeln, die die Diabetestherapie letztendlich revolutionieren können. Dann wird die technische Unterstützung uns helfen, nicht nur die Katastrophen abzuwenden, sondern auch mit dem Diabetes besser zu leben.

4 Kommentare zu “MiniMed 640G – das echte Wundermittel für die Diabetestherapie?

  1. Ich habe die MiniMed640 + Enlite Sensor ebenfalls testen dürfen. Ich verwende nun aber trotzdem meinen OmniPod (+Dexcom) weiter und das aus folgendem Grund: Die “höchste” Regelgrenze zur Aktivierung der Smart Guard ist 80mg/dl. Wenn beim Sport der BZ aber sehr schnell fällt, sind mir 80mg/dl oft schon zu nahe an der Hypo. Ich würde mir wünschen, parallel zu den verschiedenen Basalratenprofilen, die Hypoabschaltung ebenfalls individuell regeln zu können.
    Weiters finde ich, dass es nun mit derartigen Systemen auch ein Umdenken in der Patientenschulung geben muss: Es wird mir heutzutage noch immer relativ viel Zeit dieser Schulungen in das Thema “Ernährung” gesteckt, was zweifelsohne wichtig ist. Aber viel wichtiger wäre es aus meiner Sicht – weil Diabetiker (T1) ja bekanntlich eh alles essen dürfen – das Hauptaugenmerk in die korrekte und vor allem sinnvolle Analyse der CGM-Daten zu legen. Wie richtig geschrieben, neigt man als CGM-Neuling zu schnellen und oft auch falschen Korrekturen. Hier sollte man sich Gedanken machen, ob Schulungsprogramme die seit Jahren verwendet werden, noch in die heutige Zeit passen.

    1. Da ergänzt du meine Gedanken ganz wunderbar! Das System ist toll und ein großer Schritt in die richtige Richtung- aber definitiv verbesserungswürdig. Genau wie der Umgang mit den vielen, vielen Daten.
      Danke für deine Meinung zum Thema!

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