Wenn man als junger Mensch von zuhause ausziehen möchte, gibt es (meist) zwei Lösungen: Entweder eine eigene Wohnung oder eine Wohngemeinschaft. Lea hat sich für eine WG entschieden, damit lag sie goldrichtig.
Im letzten Jahr habe ich bereits über alleine Wohnen mit Diabetes geschrieben, heute kommt die Fortsetzung zum Leben in einer Wohngemeinschaft: vom WG-Casting bis zum gemeinschaftlichen Blutzuckermessen.Das Casting
Die WG-Suche in einer neuen Stadt gestaltet sich meist schwierig – es gibt viele Bewerber auf wenige Wohnungen. Daher werden in den meisten Wohngemeinschaften sogenannte „Castings“ abgehalten, bei denen man die Wohnung besichtigen darf und die potentiellen neuen Mitbewohner kennenlernen kann. Da bei uns Menschen mit Diabetes sogar noch ein (manchmal nicht ganz so pflegeleichtes) Haustier, die Diabetessau, einzieht, stellt sich die Frage, ob dies bereits bei den Besichtigungen erwähnt werden sollte. Natürlich ist das kein Muss und bei den Castings, die höchstens eine Stunde Zeit in Anspruch nehmen, sollte sich der Diabetes einfach mal hinten anstellen. Aber wir kennen ihn ja – gerade in aufregenden Situationen spielt er gerne mal verrückt. Der Griff zum Blutzuckermessgerät oder zur Insulinpumpe ist diskret und muss auch nicht zwingend kommentiert werden – allerdings wird sich das Gegenüber in einem Gespräch wundern, was man da gerade tut. Während ich messe oder eine Korrektur abgebe, erkläre ich also kurz und knapp, dass ich Diabetes habe, und ich denke, dass diese unbekümmerte Haltung gut ankommt.Ja, ich bin ein Roboter
Auch bei der Besichtigung meiner jetzigen Wohngemeinschaft musste ich meinen Blutzucker messen, da ich mich zittrig fühlte und eine Unterzuckerung erahnte. Da ich zu der Zeit einen Sensor trug, musste ich nur kurz auf das Gerät schauen und die Jungs staunten nicht schlecht über die heutige Technik. Ja, ich bin ganz offiziell ein halber Roboter.
Insulinpumpe? Das ist ihr Tamagotchi!
Als ich eingezogen bin, stand natürlich ein klärendes Gespräch an, in dem ich meine Mitbewohner über meinen Diabetes und seine Eigenarten aufklärte. Ich erzählte, wie sich eine Unter- oder Überzuckerung anfühlt und was ich tun muss, um diese wieder in den Griff zu bekommen. Besonders wichtig war dabei das Handling der orangefarbenen Glukagon-Spritze, die bei uns im Kühlschrank lagert und mich in der Not retten soll. Mit der Zeit lernten meine beiden Mitbewohner viel dazu – zum Beispiel, dass es tausende Dinge gibt, die den Blutzuckerwert beeinflussen können, und dass einige Nahrungsmittel besser sind als andere. Meine Insulinpumpe wird allerdings noch immer liebevoll Tamagotchi genannt. Auch mit den „Nummern“ und den Zielwerten haben sie es noch nicht so raus, aber das können sie auch getrost mir, dem Profi, überlassen. Besonders spannend wurde es allerdings, als sie es endlich wagten, mit meinem Ersatzmessgerät ihren Blutzucker zu testen. Ich erklärte ihnen die Funktionsweise des Gerätes und nach einigen zögerlichen Versuchen mit der Lanzette kam endlich auch ein Blutstropfen aus dem Finger. Die Finger taten danach zum Glück nur für eine Stunde weh!