Die 5 Phasen der Trauer: der Weg zur Akzeptanz

Die Diabetes-Diagnose ist immer ein Einschnitt im Leben. Katharina beschreibt die 5 Phasen, die sie durchlebt hat bis zur Akzeptanz – mit Aufs und Abs, aber ohne endgültiges Ergebnis…

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Akzeptanz
Quelle: Katharina Weirauch

Laut der Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross (* 8. Juli 1926 in Zürich; † 24. August 2004 in Scottsdale, Arizona) durchlebt jeder Mensch traumatische Erlebnisse in 5 Phasen: Leugnung, Zorn, Verhandlung, Depression und Akzeptanz. Dieses Phasenmodell bezieht sich in erster Linie auf den Verlauf des Sterbens und des Trauerns. Doch Trauer kann nicht nur den emotionalen Ausnahmezustand nach dem Verlust eines geliebten Menschen bedeuten, sondern auch den Weg zur Akzeptanz von anderen lebensverändernden Ereignissen – beispielsweise der Diagnose einer unheilbaren Krankheit wie Typ-1-Diabetes.

Erste Phase: Die Krankheit nicht wahrhaben wollen

Der Tag der Diagnose und die darauf folgenden Wochen werden wohl den meisten Betroffenen für immer in Erinnerung bleiben. Ich weiß noch, wie ich im Labor meiner Hausarztpraxis saß, merkte, wie alle hektisch wurden, mir schonend der Befund mitgeteilt wurde und ich dachte: „Jaja.“ Und dieses „Jaja“ meinte ich in seiner ehrlichsten und schlichtesten Bedeutung. Ob Fehldiagnose oder Wunder der Medizin: Ich würde jetzt ganz bestimmt nicht für immer Typ-1-Diabetes haben. Die erste Insulininjektion fühlte sich so fremd an, dass das einfach kein Teil meines Lebens sein könnte.

Während ich dabei war, in die nächste Phase zu gehen, wurden die Empfindungen der ersten Phase noch einmal sehr intensiv durch die Remission gepusht. Mein Insulinbedarf wurde so gering, der Diabetes würde wieder weggehen.

Er blieb. Und ich konnte es nicht fassen.

Zweite Phase: Zorn/Ärger

Das große Problem beim Typ-1-Diabetes ist, dass niemand sagen kann, warum ausgerechnet du, als ebenfalls Typ-1er, oder eben ich, diese Krankheit bekommen haben. Aber nun mal ehrlich: Warum ich? Die Welt hat doch ein persönliches Problem mit mir. Ich entwickelte Neid auf gesunde Menschen, wurde abschätzig gegenüber Typ-2-Diabetikern und lehnte vor allem meinen Körper – teilweise mein ganzes Leben – ab. Es ist nicht fair, das Leben umkrempeln zu müssen, ohne es zu wollen. Es ist nicht fair, keinen Tag mehr zu haben, der ist wie vor der Diagnose. Fair ist an dieser ganzen Geschichte nichts.

Aber ich bin absolut pro Fairness.

Dritte Phase: Verhandeln

Zur Fairness gehört doch mindestens, einen Deal auszuhandeln, oder? Ich bin also bereit, den Typ-1-Diabetes zu behalten, wenn:

  • ich von gefährlichen Blutzuckerentgleisungen verschont bleibe,
  • ich jegliche medizinische Unterstützung/die beste Therapie bekomme,
  • ich keine Spätfolgen bekomme,
  • die Diabetes-Forschung vorangetrieben wird,
  • Weltfrieden eintritt und… wie sieht es mit einer eigenen Südseeinsel aus?
    Verhandlungen verlaufen nur leider nicht immer positiv.

Vierte Phase: Depression/Trauer

Der Moment, in dem ich verstand, dass es nicht mehr weggehen wird, war furchtbar. Es wird bleiben. Ich bleibe Diabetikerin, Mensch mit Diabetes oder einfach krank. Die psychischen und physischen Erschöpfungen, denen jeder bei Umbrüchen im Leben ausgesetzt ist, haben ihren Zenit erreicht. Der eine fühlt sich plötzlich als Belastung für den Partner, die andere sorgt sich um ihre berufliche Zukunft. Und ich? Ich idealisiere in meinem Kopf das Leben vor der Diagnose. Es scheint nie wieder gut werden zu können. Auch, wenn andere weiterhin ein normales Leben führen können, ich kann es nicht. Rieche ich gutes Essen, rieche ich Insulin. Denke ich an regelmäßige Besuche, denke ich an meine Diabetologin, nicht an meine Großeltern.

Eine neue Struktur im Leben – vielleicht eine Chance?!

Fünfte Phase: Akzeptanz

Vom Ausnahmezustand zum Alltag. Jeder findet seinen eignen Weg, eines Tages mit Typ-1-Diabetes zurechtzukommen. Ob als Versteck-zum-Blutzucker-messen-Sucher oder als offensiver Pen-Jongleur – ich wechselte diese Rollen übrigens mehrmals. Dieser veränderte, fremde Tagesablauf wird ein neuer Teil des eigenen Lebensentwurfes und ganz ohne Leidvergleich weiß man, dass es hätte schlimmer kommen können. Es gibt diese Tage, da sitze ich da, vergleiche meinen Blutzucker zum Spaß mit dem anderer Menschen, ob mit oder ohne Diabetes, und mir wird bewusst, dass ich immer noch lebendig bin – und nichts anderes zählt.

Aber dann gibt es die anderen Tage, an denen es mir schlecht geht, an denen eine gute Einstellung genauso fern wie die gewünschte Südseeinsel scheint, und ich stolpere wieder in eine der früheren Phasen zurück und muss mir das gute Gefühl von neuem erkämpfen. Der Weg zur Akzeptanz ist kein gerader, kein einfacher und auch keiner, den man nur einmal bewältigen muss.

Phasenmodell
Quelle: Katharina Weirauch

Über den Weg zur Akzeptanz schreibt auch Tine in ihrem Beitrag „Zwei Schritte für ein angenehmeres Leben mit dem Diabetes-Monster!“

11 Kommentare zu “Die 5 Phasen der Trauer: der Weg zur Akzeptanz

  1. Nicht schlecht, diese Phaseneinteilung – leider liefen sie bei mir nicht in der vorgegebenen Reihenfolge sondern, wenn überhaupt, in einer Phase und alles durcheinander- nur: Akzeptanz war nie dabei, Akzeptanz kommt mir hier vor wie Resignation, denn sobald du anfängst, zu akzeptieren, wirft dich diese Krankheit aus der Bahn, ständig musst du damit rechnen, dass sie sich auf hämischste Weise reinlegt, du kannst niemals mit einer bestimmten Voraus kalkzlierten Reaktion rechnen – sie ist und bleibt der Teufel. Man kann sein Schicksal akzeptieren, aber niemals diese Krankheit ….

  2. Lieber Andreas. Ich bin seit 24 Jahren Typ I Diabeter und jetzt 37. Also trat der Diabetes in mein Leben, als man sich eher mit allen anderen Hormonen beschäftigen muss, aber eben nicht gerade mit Insulin. Als Jugedlicher steckt der Körper dann aber auch viel weg, von den schlechten Tagen. Später wird es etwas schwieriger. Ich weiß nicht, wie lange Du den Diabetes schon hast, dennoch weiß ich dass keine Akzeptanz keine Lösung ist. Meine anfängliche, aber vor Allem auch immer wieder mal auftauchende und zu “besiegende”, Nicht-Akzeptanz hat irgendwie in den über 20 Jahren den Diabetes nicht verschwinden lassen. Also bringt Sie gar nichts außer Verdruss und Zeitverschwendung. Du kannst Dich selbst unglücklich belassen in dem Du einen wahrscheinlich für immer bleibenden Teil von Dir selbst nicht magst, sogar verteufelst. Oder Du kannst akzeptieren, dass es ein Teil von Dir ist. Genauso wie all die unschönen Sachen der anderen, die sie akzeptieren müssen, damit sie nicht unglücklich und leider damit schwächer sind. Von Glatzen über Reitehosen bis zu fehlenden Gliedern oder in Extremfall tötlichen Krankheiten. Man mag das alles nicht, man wünscht es sich weg, aber man akzeptiert es, weil es einfach da ist und alles andere keinen Sinn macht und weiß darum und kann erst deswegen damit arbeiten. Weil man es anpacken kann undsich nicht davor fürchtet oder es als Feind sieht. Meinem Feind gebe ich auch eher ungern die Hand. Akzeptieren heisst eben nicht aufgeben, sondern sich darüber bewusst sein und es greifen können. Ohne Akzeptanz gehen mindestens 40% Deiner Energie für diese Nichtakzeptanz drauf obwohl Du sie auch besser verwenden könntest. Beispielsweise um wirklich rauszufinden, wie es Dir geht, trotz Diabetes und was nicht gut ist und Du ändern solltest um länger gesund zu leben. Oder einfach, wie der Diabetes wichtig als Teil von Dir ist, aber nicht der wichtigste, sondern eben nur ein Teil. Wie essen, schlafen, lieben. Alle zusammen sind das Wichtigste. Der Diabtes verlang von Dir nur seine Wichtigkeit, wenn es “gefährlich” wird. Also vor dem Schlafen, beim Essen, beim Alkohol, beim Weggehen, beim Bewegen. Da ist eben etwas Weisheit und Wissen gefragt, wie viel man den nun spritz, wieviel Aufmerksamkeit man in Abständen darauf richet, das man ab und zu den Blutzucker checkt. Nun bei einer Tanztour durch einen Club mit dem weiten Weg dorthin per Fahrrad und gepant auch zurück bedeuted dass eben – 3 Bier anstatt 12, 4 mal Blutzucker messen und eventuell mehr, etwas Hirnschmalz beim Abschätzen der Einheiten hoch und runterdurch etwas Wissen, wie den Bewegen und Alkohol das ganze System beeinflussen, Traubenzucker dabei haben oder die Möglichkeit auf ne schnelle Cola. Da bleiben von 5 Stunden unterwegs sein immernoch 4,5 Stunden Spaß übrig. Das ist schon ne Menge. Und wenn es blöd läuft, trotz des “geölten Getriebes”, hast Du eben eine Hypoglykämie. Nun, wenn Du nicht sturzbetrunken bist, bringt Die dich auch nich um sondern beschehrt Dir ne leckere Cola oder ne geile Schocko. Und einen Sprung in Deiner eigenen Evolution, durch mehr Wissen und mehr krasse Skills, welche es beim nächsten Mal noch einfacher für Dich machen, es in der Hand zu haben. Ansonsten ist er meist ganz ruhig.

    Nach 24 Jahren Diabetes, zahlreichen Phasen, vor allem in der Jugend, bösester Entgleisungen, die man aber da leicht körperlich und geistig wegsteckte, nach vielen Jahren danach, mit Diabetes als integraler und selbstverständlicher Bestandteil des Lebens, nach dem Versuch einfach gut in der Mitte zu sein, die Spitzen rauszubekommen und “normal” zu leben, was im Ganzen ganz gut aber auch manchmal schrecklich schlecht funktioniert, nach hunderten Hypos und Hypers, normalen Tagen, tollen Tagen, schlechten Tagen, verzweifelten und euphorischen Tagen und nach den nun ersten anfänglichen Spätschäden bei mir, anhand Nierenwerten und ersten Retinopathie-Anzeichen, kann ich nur sagen – Leb einfach weiter. Akzeptier es als Tatsache, gib nich auf auch wenn es schlechter wird, hoffe nicht auf Heilung, aber darauf trotzdem ein glücklicher Mensch werden zu können oder schon zu sein, bleib wach und wachsam, dann wirft Dich auch die Krankheit nicht aus der Bahn, schlaf nicht zu oft ein und werd müde, aber treib Dich auch nicht.

    Ich weiss, dass klingt alles sehr Ying-Und-Yang-Chakra-mäßig. Und ich habe mit dem Ausleben solcher definierten Philosophien eher weniger am Hut. Aber dennoch haben die “Finde-Deine-Mitte” Sachen, egal welches Label und welchen Sitzzirkel sie nun noch dazu bekommen haben, recht. Finde Deine fucking Mitte – denn dann geht es Dir besser! Ich bin auch noch dabei sie zu finden. Aber dennoch kann ich sowas hier schreiben, weil ich verdammt nochmal weiß, dass es das Richtige ist. Ich brauche schon mein ganzens Leben dafür und werde auch noch den Rest dafür brauchen. Prinzipiell bin ich wohl eher der ruhige, rationale nach außen aber nach innen der verängstigt emotionale, der leicht depressiv seiner Zynik zu entkommen versucht. Denn Zynismus ist bescheuert und dumm. Also ist meine Angst davor, wegen meinem Diabetes, wegen meinem Geld, wegen meinem sonstwas zum Zyniker zu werden ist so groß, dass ich das Kämpfen dagegen niemals aufgeben werde. Dazu gehört aber auch Akzeptanz. Auch das hat mit meinem Leben und der Krankheit zu tun. Klar. Aber nicht nur. Auch wird es nicht besser sondern, je älter man ist, eher gesundheitlich schwieriger. Ob nun als Diabetiker oder als keiner. Also noch mehr Gefahr abzudriften, wenn man nicht lernt und es zumindest grundsätzlich in der Hand hat und überblickt. Ich glaube mich hat die Reise bisher zwar gezeichnet aber auch verbessert. All die Erfahrungen, ungewollten Grenzüberschreitungen und möglichen Entwicklungen. All das. Abgespeichert im Herz und Kopf. Nutze das besser und vergeude Deine Zeit nicht mit fehlender Akzeptanz. Denn morgen kommt der Bus und Du stehst blöd und dann ist es auch vorbei.

    Dies ist nun ein längerer Monolog geworden und jetzt einfach so passiert beim Tippen. Eigentlich wollte ich nur kurz schreiben, dass Du besser Akzeptanz hast und sie Dir hilft das Ganze greifen und damit halten und bearbeiten zu können. Nun ist auch ein bißchen Lebensgeschichte, Einsicht und Halbwahrheitenpsychologie draus geworden. Dennoch hoffe ich, dass Dir das etwas helfen kann im besten Falle. Mir hilft es …

    ;O)marcus

    1. Genau so Marcus ;), ich habe meinen Diabetis auch mit 13 bekommen und trage ihn nun auch 20 Jahre in meiner Verantwortung und Pflicht. Sicherlich ist es schwer die Phasen dort oben zu verstehen und überhaupt anzuwenden da man nicht innerhalb von Tagen das Schema wechselt, sondern das alles sporadisch in den ersten 5 Jahren wechselt. Sowohl das Wohlbefinden als auch äußere Zustände machen es zu einem psychologischen Spiel.

      Irgendwann gewinnt man jede Schlacht, und man läuft entweder die Mauer ein oder um die Mauer herum. Ich sehe es positiv… zumi dest mittlerweile es in genau dem Alter der 1. geistigen Reife bekommen zu haben. So hat man die Gelegenheit alles besser zu verstehen und kontrollieren zu können.

      Ich sehe Diabetis nicht als Hindernis, was Essen, Sport oder mein Leben angeht, sondern eher als Lexikon was ich meinem Körper “antue”. Da bekommt der Spruch “Du bist was du isst!” Eine ganz neue Bedeutung.

      Man sollte sich eins immer vor Augen halten, man kann es wie die Schule auswendig lernen und nicht verstehen oder anwenden und begreifen. Ich habe in der Schule ein, naja sagen wir mal nettes Spiel gespielt. Wir haben auf meinen Blutzucker gewettet wie weit ich daneben lag mit meiner geistigen Schätzung zum körperlichem empfinden.

      Es macht einen schon sehr viel freier wenn man alleine weiß, wie der Körper sich mit welchem Blutzucker anfühlt. Es gibt so viele penible Anzeichen, die einem verraten, ob es gerade gut um dich steht oder du deine Körper “quälst”.

      In diesem Sinne. Diabetis ist wie eincremen. Irgendwann juckt die Haut wenn man sie zu lange vergisst, oder jemand sagt sie sind schön ^^

      PS: Diabetis gescheit angewand auf das Leben ist eher ein Segen als ein Fluch. Mir hat er viel mehr gelehrt als nur das.

  3. Lieber Marcus,
    Ich weiß deine Bemühungen zu schätzen- vermutlich hast du auch Recht – aber ich habe seit 1981 Diabetes und bin jetzt 51 Jahre alt. Kein einziges Mal während dieser Diabetes Dauer hatte ich das Gefühl, dass dieser Zucker den Weltfrieden bedeutet (siehe Ausgangsartikel) oder gar ein Teil von mir sei – eher ist verschluckte Salzsäure ein Teil von mir – die lässt einen nicht so lange leiden und ist daher im Vergleich geradezu barmherzig – tut mir leid, ich freue mich, wenn Leidensgenossen das anders sehen – ich aber werde ein Verfluchter bleiben müssen

  4. Ich habe meinen Diabetes mit 10 bekommen und habe ihn am 1.4 16 Jahre lang bis heute kann ich leider nicht sagen das ich ihn akzeptiere oder das wir eins geworden sind.
    Ich versuchen seid dem ich denken kann das immer wieder hin zubekommen gehe sogar zu einem diabetespsychologen aber selbst das ist bisher ohne erfolg.
    Meine Folgeschäden in sämtlichen Organen haben es auch nicht geschafft mich das alles zu Akzeptieren. Ich würde sagen das ich jede dieser Phasen anders und bzw. nicht durchlebt habe.
    Ich würde mir wünschen das ich alles gut hinbekomme und endlich mein Diabetes akzeptiere.

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