Was bin ich ohne meine Krankheit?

Das Leben mit Diabetes prägt uns ungemein. Ähnlich geht es auch Menschen, die mit anderen Krankheiten leben. Doch was, wenn eben diese Krankheit auf einmal verschwindet? Steffi hat sich mit dieser Frage beschäftigt.

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Lena Dunham ist ohne Zweifel eine faszinierende Persönlichkeit. Mit 30 Jahren ist sie nicht nur Schauspielerin, Filmproduzentin und Filmregisseurin, sondern auch Schriftstellerin, Drehbuchautorin und Aktivistin. Sie steht für Authentizität und ein positives Körpergefühl und räumt mit Hollywoods oberflächlichen Schönheitsidealen auf. Doch wie so viele von uns lebt Lena Dunham mit einer unsichtbaren Krankheit. Seit ihrer Jugend kämpft sie mit der Endometriose – einer Krankheit, die zwar meistens nicht gefährlich, jedoch in vielen Fällen sehr schmerzhaft und beeinträchtigend ist. Was_bin_ich_ohne_meine_Krankheit_4

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Vereinfacht gesagt wächst bei einer Endometriose die Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutterhöhle im Körper, etwa an den Eierstöcken, in der Blase oder im Darm. In vielen Fällen leiden Frauen jahrelang an unerträglichen Schmerzen, die als typische „Frauenleiden“ abgetan werden, bevor es endlich zur Diagnose kommt. Tatsächlich wird vermutet, dass etwa zehn Prozent aller Frauen von Endometriose betroffen sind – da die Diagnose so schwierig ist und die Beschwerden der betroffenen Frauen oft nicht ernst genommen werden, sind diese Zahlen jedoch sehr ungenau. Wie viele, viele andere Frauen lebt Lena Dunham also seit Jahren mit dieser Krankheit. Doch das ist jetzt vorbei. Vor kurzem hat sie sich einer Operation unterzogen, die so erfolgreich verlief, dass Dunham nun frei von Endometriose ist. Das bedeutet nicht, dass sie nicht wiederkehren kann. Doch aktuell, ganz plötzlich, zum ersten Mal seit so vielen Jahren … ist Lena Dunham gesund.

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Was für ein Grund zum Feiern! Ohne Zweifel. Doch Lena Dunham als Patientin, als Mensch, hat durchaus auch gemischte Gefühle. In ihrem Newsletter beschreibt sie, wie die Heilung auch einen Hauch von Verlust mit sich bringt:
My pain — physical — distracted from my deeper pain — emotional, spiritual — and became the ultimate excuse. I had two modes: working and hurting. I was convinced there was nobility in it. There was certainly routine. Now, because of the unbelievable privilege of having thoughtful doctors, my body has been granted a reprieve. And I’m embarrassed to say that the excitement is mixed with loss. Pain and illness defined a time in my life, the way babbling hysterical heartbreak defined the summer after college and eating insane amounts of Brie after 1 a.m. was the whole of 2010.
Überraschende, mutige Worte, die Lena Dunham da von sich gibt: Die Krankheit, die damit verbundenen Schmerzen, haben sie so sehr geprägt und definiert, dass nun etwas fehlt. Was_bin_ich_ohne_meine_rKrankheit_2

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Als ich ihren Text las, musste ich unweigerlich an mein eigenes Leben mit Diabetes denken. Was, wenn ich den ganzen Mist plötzlich los wäre? Keine Messgeräte, keine Insulinpumpe mehr. Nicht mehr Kohlenhydrate zählen und meinen Blutzucker überwachen. Immer alles sofort essen können! Hach, das klingt fantastisch – und mit diesen Träumen bin ich sicher nicht alleine! Solche Gedanken haben in meinem Alltag wenig Platz – schließlich muss ich meine Energie in die Realität des täglichen, nie endenden Diabetes-Managements stecken. Und die ist ziemlich hart. Aber natürlich hege auch ich große Hoffnungen und unterstütze Wissenschaft und Forschung, die unter Hochdruck an einer Heilung arbeiten. Denn natürlich will ich den Tag erleben, an dem ich endlich sagen kann: „Ich hatte mal Typ-1-Diabetes.“ Meine Vorstellungen von diesem Tag sind bisher immer durchweg positiv gewesen. Nie habe ich darüber nachgedacht, dass ich den Diabetes vermissen könnte! Ich habe ihn mir schließlich nicht ausgesucht, und ich würde ihn nur zu gern wieder los werden! Jedoch: Wenn ich mir mein Leben mal so anschaue, dann sehe ich sehr, sehr viel Diabetes. Mittlerweile ist er doch mehr als nur ein ungebetener Gast, um den ich mich zwangsweise kümmern muss. Das Thema Diabetes ist zu meinem Hobby geworden. Meine freien Abende verbringe ich oft mit meinem Diabetes-Blog und -Shop. Viele Wochenenden verbringe ich auf Diabetes-Events oder mit Diabetes-Projekten. All das tue ich freiwillig. Mehr noch: Ich habe unglaublich viel Spaß daran! Wenn es all das nicht mehr gäbe … tja, müsste ich mir wohl ein neues Hobby suchen! Müsste? Dürfte! Ein Gedanke, der mich aufgeregt, freudig und ein bisschen nachdenklich zugleich macht! Wie steht ihr dazu? Sicher – unsere Krankheit macht uns stark. Aber definiert sie uns? Was sind wir ohne den Diabetes? Ich habe keinen Zweifel daran, dass ihn jeder von uns gerne sofort abgeben würde. Aber könnt ihr die Gedankengänge von Lena Dunham verstehen? Würdet ihr etwas vermissen? Ich bin gespannt auf eure Meinungen! Was_bin_ich_ohne_meine_rKrankheit_3

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3 Kommentare zu “Was bin ich ohne meine Krankheit?

  1. Tja… Das ist eine sehr gute Frage!
    Würde ich das ganze messen, gucken, rechnen vermissen? Jein! Ich denke, das Diabetes einem einfach, im wahrsten Sinne, in Fleisch und Blut übergeht und man sich damit eben mal mehr und mal weniger gut abfindet und arrangiert. Es würde bestimmt genauso lange dauern sich das Rechnen und Kohlenhydrate zählen abzugewöhnen, wie es gedauert hat es sich anzugewöhnen.
    Wie schläft man, ohne das die Pumpe einen weckt oder im Weg ist? Wie duscht man, ohne irgendwelche “Knubbel” (Katheter, Sensor), die man nicht abreißen darf? Was sollte ich auf meinen Nachttisch stellen, wenn die Notfall-Traubenzückerlies und meine “Ersatzteile” da nicht mehr sind? Was macht man mit der vielen Freizeit? Fragen über Fragen!

    Ja, ich würde wohl etwas wehmütig werden, auch wenn der Gedanke mich erschreckt. Aber da ich von “ihm” auch etwas gelernt habe, wäre die Trauerphase wohl nicht allzu lang. Denn das Wertvollste ist es, gesund zu sein!

  2. ich bin ehrlich gesagt nicht sicher, ob ich das Dia-Monster vermissen würde; diese Angst sich zu verkalkulieren beim BE-rechnen oder beim Sport oder … oder… die Möglichkeit einfach nur zu essen weil man gerade Lust/Appetit oder gar Hunger hat… Ganz bestimmt nicht vermissen würde ich dieses Planen -was brauche ich in den nächsten Stunden/Tagen, wenn ich das Haus verlasse, wann kann ich “nur” mit leichtem Gepäck los..
    Was ich allerdings mit der freien Zeit anfangen würde, wenn ich mir keine Gedanken über mein Monster machen müsste bliebe abzuwarten. Die durch die Krankheit gewonnenen Freunde würde ich auf jeden Fall behalten wollen!

  3. Also ich würde den Diabetes überhaupt nicht vermissen! Klar sind die schönen Spielereien wie Aufkleber für den Freestyle oder die Insulinpumpe toll, wenn man Diabetes hat. Aber ohne die Krankheit kann man sich seine Hobbies wieder ganz selbstbestimmt aussuchen und mit seiner Zeit anfangen, was man will und nicht was man muss.
    Ich vermisse es, einfach was zu essen ohne vorher zu messen und zu spritzen, während in der Zwischenzeit mein Essen kalt wird… Mittlerweile kann ich dank Insulinpumpe immerhin wieder Sport machen, aber trotzdem könnte ich gut darauf verzichten, dabei ständig den BZ kontrollieren zu müssen. Ich will einfach so intensiv Sport machen, wie ich das will, nicht wie mein Blutzucker es mir erlaubt…
    Das könnte aber daran liegen, dass ich noch nicht lange mit dem Diabetes lebe und mich noch sehr gut an mein Leben ohne ihn erinnern kann.

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