Essen und die Zahlen und der Diabetes

Bevor Tine ihre Diabetesdiagnose bekam, hat sie gekocht und gegessen, was ihr in den Sinn kam und wonach es ihr stand. Nach der Diagnose versucht sie, ihr Leben so wenig wie möglich vom Diabetes beeinflussen zu lassen – trotzdem besteht ihr Essen manchmal nur noch aus Zahlen.

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Zwar habe ich es geschafft, mir davon weitestgehend nicht das Kochen und Essen vermiesen zu lassen, dennoch treffen mich ab und an Phasen, in denen mein Kopf mir die Zahlen wieder sehr bewusst macht. Mein vierjähriges Diabetesjubiläum stand gerade an und ich entdeckte mich erneut in dieser Zahlen-Phase, die mir das Essen irgendwie erschwerte. Ich kam nicht umhin, mich zu fragen: Wie vereinbaren sich Diabetes und unsere Ernährung eigentlich im ganz normalen Alltagswahnsinn?

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Quelle: Tine Trommer

Ich kenne zum Beispiel inzwischen viele Menschen mit Diabetes, die generell versuchen, sich eher von Kohlenhydraten fernhalten, der Werte wegen. Damit kriegen sie im Alltag tatsächlich meist eine überwiegend gute Kurve hin, was natürlich toll ist. Ich bewundere diese Disziplin aus der Ferne und frage mich oft, wie es mir gehen würde, wenn meine Ernährung kohlenhydratfrei wäre und ich in meinem Alltag kaum „Carbs” zu mir nehmen würde. Bin ich bereit für einen solchen Schritt? Muss das überhaupt sein? Wenn ich an einem normal-disziplinierten Tag meine Kurven so anschaue, kann ich für mich zum Glück sagen: Nein, muss es (im Moment) nicht. Mir würde auch einfach wirklich etwas fehlen, denn wie ihr wisst, koche und esse ich für mein Leben gerne und lasse mich da auch eher wenig einschränken – es sei denn, es geht um Fertigessen.

Die Freude am Essen geht verloren

Seit einigen Monaten habe ich allerdings wieder so eine vor sich hin schwimmende Phase, in der ich auf meinen Teller schaue und nur Zahlen sehe. Habt ihr sowas auch manchmal? Da verliere ich dann doch auch den Spaß am Kochen, und genussvoll essen zu können, ist wirklich etwas anderes.

Noch weiß ich nicht so recht, wie ich mich aus dieser Phase wieder herausholen kann, und kann mich auch nicht mehr gut daran erinnern, wie ich mich aus früheren ähnlichen Phasen rausretten konnte. Oft war es bisher so, dass solche Episoden auch genauso schnell verschwanden, wie sie gekommen waren, vielleicht sogar ganz ohne mein Zutun. Möglicherweise hilft das Schreiben mir an dieser Stelle auch.

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Quelle: Tine Trommer

Was diese Krankheit so in unseren Köpfen anstellen kann, lässt mich oft nachdenklich zurück. Nicht nur können wir uns mit unserem Medikament wirklich Schaden zufügen, nein, was wir täglich zu uns nehmen oder nicht, wie Menschen in unserem Umfeld darauf reagieren und wie unsere Blutzuckerkurven danach, nach Minuten, Stunden, Nächten, aussehen – das alles sind Faktoren, die wahrlich Lebensqualität nehmen können, Faktoren, die uns im Alltag wirklich von nicht-kranken Menschen unterscheiden.

Physische und psychische Belastungen

Dazu kommt der permanente Druck von der Gesellschaft, sich gesund und schlank „essen“ zu müssen, um akzeptiert zu werden. Mit Diabetes haben wir nicht nur eine physische, sondern eben auch eine psychische Belastung rund um die Uhr an der Backe und genau deswegen ist es mir so wichtig, auch über diese kleinen Gedanken zu sprechen, die, wenn man nicht auf sich aufpasst, extrem schädlich werden könnten. Wir haben es nicht immer einfach! Und es ist okay, sich das ab und zu einzugestehen.


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2 Kommentare zu “Essen und die Zahlen und der Diabetes

  1. Hallo!

    Ich habe mein Monster erst seit 2 Jahren an der Backe, aber mit den Zahlen-Phasen ist das echt so eine Sache. Es gibt einfach Tage, an denen ich sorglos vor mich hin-knabbere und andere, an denen ich mir einen Wolf rechne, um ja in meinem Zielbereich zu bleiben.

    Ich habe festgestellt, dass es vor allem daran liegt, was ich gerade tue. Stecke ich in einer Arbeit, die mir gerade Spass macht und mich geistig auch völlig vereinnahmt, denke ich gar nicht mehr daran, bis mich mein iPhone-Alarm ans Messen erinnert. Und komischerweise sind das dann auch die Tage, an denen meine Kurven echt gut aussehen.

    Aber sowie ich mit Langeweile, Stress oder ungeliebter Arbeit zu tun bekomme, haut es mir meine Werte nur noch so um die Ohren, obwohl ich viel eher und öfter messe und rechne.

    Der Körper teilt mir wohl so ganz einfach mit, was ich tun und was ich lassen sollte 😉

    LG
    Bernhard

  2. Ich bin jetzt 35 Jahre Diabetiker und spritze Basis/Bolus. Das Ganze ist ein Seiltanz. Es soll die Lebensfreude nicht verloren gehen und trotzdem mit Rücksicht auf die Messwerte gelebt werden. Die ganze Familie hat mit mir die Ernährungsumstellung geschafft und zwar so, dass keiner übers Essen klagen muß. Bei mir sind die Messwerte sehr abhängig von meiner Arbeit und auch von der Bewegung ( Radfahren, Wandern). Je älter ich werde desto mehr kommen Einschränkungen zum tragen, mit denen ich derzeit sehr zu kämpfen habe. Ich akzeptiere jetzt schlechtere Bluzuckerwerte um nicht nur an Diabetes zu denken.
    LG
    Franz

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