Diabetes Typ F(irlefanz)

Die Aufmerksamkeit, die Typ-Fler bekommen, kann Ramona nicht nachvollziehen. In ihrer Beziehung ist Diabetes auch ein Thema, dennoch sieht Ramona die Verantwortung für ihre Krankheit alleine bei sich.

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Versteht mich nicht falsch: Diabetes Typ Fler – F wie Freunde und Familie – sind zweifelsohne ein wichtiger Bestandteil im Leben eines jeden Diabetikers. Sie geben uns Rückhalt, Verständnis und öffnen die Traubenzuckerpäckchen, wenn wir es mit unseren zittrigen Fingern nicht schaffen. Doch meiner Meinung nach hat der „Hype“, der aktuell in der Diabetesszene gegenüber Typ-Flern herrscht, trotz allem auch seine Schattenseiten. Werden unsere Liebsten nicht fast schon zu sehr mit einbezogen?

Beziehungsalltag – ohne den Hype

Klar, mein Freund kennt sich nach fast 6 Jahren Beziehung recht gut mit dem Diabetes aus, möchte ich behaupten. Und ein gewisses Grundinteresse darf man ja auch erwarten, das gehört meiner Meinung nach zu einer Beziehung dazu. Er weiß, wie man meine Pumpe bedient, und kann mir beim Setzen der Katheter und Sensoren helfen, falls das nötig ist. Auch, wie man BEs berechnet, ist nun mal Teil unseres gemeinsamen Alltags.
Quelle: Pixabay
Und trotzdem: Ich erwarte nicht, dass mein Partner oder eine andere Person aus dem Freundes- oder Familienkreis meine Krankheit bis ins allerkleinste Detail versteht. Das funktioniert auch meiner Meinung nach gar nicht – denn sechs Jahre „Passivdiabetes“ sind eben etwas anderes, als sich seit fast 20 Jahren tagein, tagaus mit der eigenen Therapie und all ihren Auswirkungen auseinanderzusetzen. Mein Typ-Fler kann meine BE-Faktoren in- und auswendig kennen; trotzdem wird er es nicht verstehen, wenn ich mir aus reinem Bauchgefühl eine komplett andere Menge verabreiche, als er mir gerade ausgerechnet hat. Denn oftmals kann ich selbst nicht genau erklären, warum ich so handle: Ich tue es aufgrund meiner persönlichen Erfahrungswerte – und es klappt. Das kann jemand, der nicht mit dieser Krankheit lebt, eben schlicht und ergreifend nicht.

„Der Typ-Fler ist trotzdem, was er ist: gesund.“

Genauso wenig bringt es meiner Meinung nach etwas, wenn der Partner dann mal einen Sensor trägt oder gar die (ungefüllte) Pumpe anlegt bzw. mit den Pens eine Injektion simuliert. Sicher ist es eine ehrenhafte Handlung, um das Lebensgefühl eines Diabetikers ein Stück weit besser nachvollziehen zu können. Auch ich finde es interessant, die Werte eines Stoffwechselgesunden mit denen eines Diabetikers zu vergleichen. Aber der Typ-Fler ist trotzdem, was er ist: gesund. Er wird nie das grauenhafte, zittrige Gefühl und den einsetzenden Überlebensinstinkt bei einer schweren Hypoglykämie nachvollziehen können, wenn man mit der einen Hand den Löffel noch im Nutellaglas hat und in der anderen bereits das Leberwurstbrot. Er wird nie genau nachvollziehen können, wie ekelhaft man sich fühlt, wenn die Werte die ganze Nacht bei 400 mg/dl (22,2 mmol/l) festhingen und einfach nicht runterkommen wollten.
Quelle: Pixabay
Vielleicht liegt es daran, dass ich bereits sehr früh die Diagnose bekam und meine Krankheit aus der entstandenen Gewohnheit nicht als riesige Last ansehe, die ich jetzt jemand anderem aufbürden möchte. Ich bin ein eigenständiger Mensch, der nun mal eigenständig mit Diabetes Typ 1 leben muss. Unterstützung im Alltag ist wichtig und gut – aber wenn mein Freund ein Auge auf den Insulinvorrat im Kühlschrank haben muss, weil ich selbst vergesse, an den Nachschub zu denken, läuft meiner Meinung nach etwas falsch im eigenen Leben. Gerade eine Krankheit wie Diabetes verlangt einfach einiges an Planung, Selbstdisziplin und einfach auch Erfahrung, die ich komplett an niemand anderen abgeben möchte. Wie ist eure Meinung hierzu? Verlasst ihr euch komplett auf eure Typ-Fler oder reichen euch – wie mir – die kleinen Dinge und ein allgemeines Verständnis in den Lebenssituationen, in denen der Diabetes eben seinen Tribut fordert?
Interviews mit Typ-Flern findet ihr hier: Diabetes Typ F: Interview mit einer besten Freundin „Ein guter Typ-Fler ist aufmerksam, aber nicht überfürsorglich…“

5 Kommentare zu “Diabetes Typ F(irlefanz)

  1. Ich finde es schön, wenn ein Typ F’ler Interesse zeigt und auch einfach offen ist für die verschiedenen Lebenssituationen in denen man sich befinden kann. Auf keinen Fall möchte ich dauerhaft die Verantwortung abgeben bzw. eine Mitverantwortung einfordern. Ich denke, die endgültige Verantwortung für seinen eigenen Diabetes sollte man wirklich selber haben. Aber wie du ja auch schon geschrieben hast ist der Rückhalt und das Verständnis trotzdem ein wichtiger Punkt.

  2. Hallo Ramona, bei mir ist es ähnlich und meiner Meinung nach auch der richtige Weg, mit seinem Diabetes klar zu kommen. Solange man selbst in der Lage ist, sich darum zu kümmern, immer genug Insulin im Kühlschrank zu haben und das man ein Päckchen Traubenzucker in der Tasche hat, wenn man aus dem Haus geht, sollte man dieses auch tun.

    Ich denke, dass der Diabetes irgendwie aus dem Leben nicht weg zu retuschieren ist. Er ist eigentlich immer da und macht sich auch in Situationen bemerkbar, wo man ihn gar nicht gebrauchen kann. Wenn man dann von seinen Lieben Verständnis und Hilfe bekommt weiß man, dass man sich auch in schwierigen Situationen auf den anderen verlassen kann. Eine solche Beziehung gibt Sicherheit und sollte vom Betroffenen nicht ausgenutzt werden. Wer als Diabetiker sich mit einem heißen Tee revanchiert, wenn der Partner mal erkältet ist oder im normalen Tagesablauf für den anderen da ist, kann damit auch zeigen, dass man sich auf ihn verlassen kann.

    Viele Grüße

    Volker

  3. Liebe Ramona, ich gebe Dir Recht, dass man als T1D für seinen Diabetes einzig alleine verantwortlich ist. Aber in Situationen, wo man das nicht sein kann, ob bei einer Hypo (und sei es nur beim Öffnen des Traubenzuckers) oder z.B. nach einer OP, ist es es beruhigend, einen erfahrenen Typ F ler an seiner Seite zu wissen, der dann erste Hilfe leisten, den Traubenzucker öffnen oder die Interessen vertreten kann. Dem Typ F ler geht es meist auch nicht um Kontrolle, sondern um Verständnis/Wissen, um Missverständnisse zu vermeiden. Oder wie es ein Typ F ler mal formulierte: “immer ist meine Frau nur zu 90 % mit ihren Gedanken bei mir…” Klar, für “uns” völlig normal, der restlichen 10 % sind in Dauerschleife: läuft die Pumpe, wieviel KH hatte das Essen, noch Restbolus vorm Sport, Hypo im Anmarsch usw. usw. Ein Stoffwechselgesunder kann sich das, vor allem tagtäglich rund um die Uhr Jahr für Jahr, kaum vorstellen. Und da ist der Frust vorprogrammiert, wenn die Begeisterung über die abendliche Essenseinladung in die Pizzeria eher verhalten ist, schonmal mit dem Essen begonnen wird, weil der SEA sonst zu groß wird, oder die gemeinsame Joggingrunde mit Traubenzucker auf der Parkbank endet. “Meinem” Typ F ler hat der Austausch mit anderen T1D und Typ F lern jedenfalls sehr gut getan, mehr Verständnis für “Besonderheiten” hervorgerufen, die für alle T1D eigentlich ganz normal sind. Firlefanz finde ich das nicht, sondern sehr wichtig.

    1. Liebe Sabine,

      leider habe ich auch hier den Eindruck, dass du meinen Beitrag nicht ganz verstanden hast.

      Ich sprach doch genau davon, dass Verständnis und Wissen über die Krankheit in einer Partnerschaft extrem wichtig sind – eben weil die Typ F’ler zumindest versuchen sollten, nachzuvollziehen, dass eben ein Teil unseres Kopfes immer bei der Krankheit ist, ob wir wollen oder nicht.
      Mir ging es in meinem Beitrag um Typ F-Selbstversuche, um das ganze “So tun als ob”. Das bringt nämlich nichts, exakt gar nichts, denn es hat für den Stoffwechselgesunden auch exakt keine Konsequenzen, wenn er seinen Traubenzucker jetzt nicht isst. Er hat keine Hypo, auch wenn er so tut, als ob – und er hat keinen Diabetes, auch wenn er einen Sensor trägt. Es ist egal, wenn er ein paar Stunden nicht auf die Werte schaut. Bei uns ist es nicht egal.

      Und genau das wollte ich mit diesem Beitrag doch sagen: Verständnis ist wichtig, da stimme ich dir zu. Es schafft aber kein Verständnis, nur weil man ein paar Tage Diabetiker spielt. Verständnis entsteht im Kopf und nirgendwo sonst 🙂

  4. Liebe Ramona, ich teile deine Meinung voll und ganz. Mir geht es auch so, dass ich zwar schon froh bin , wenn mich z.B. mein Mann daran erinnert den BZ zu testen , wo ich schon mit einem Fuß durch die Tür und Richtung Auto bin . Dafür bin ich dankbar , aber ich würde mir nie z.B. bei der Insulindosis -Berechnung “reinquatschen” lassen . Also so ein bisschen Unterstützung ja, aber keine Bevormundung oder Einmischung .

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