Diabulimie – die Sicht der Angehörigen (Freunde und Lehrer)

Wie ging es Menschen, die Lesley-Ann während der Zeit ihrer Diabulimie erlebten, mit der Erkrankung? Was haben sie empfunden, wie haben sie geholfen? Lesley-Ann hat ihre beste Freundin und ihren damaligen Englischlehrer gefragt.

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Am 7. September wurde mein erster Artikel zum Thema „Diabulimie – wenn man selbst betroffen ist“ veröffentlicht. Knapp zwei Monate später folgt der zweite Teil zu diesem sensiblen Thema. Im ersten Post habe ich von meinen eigenen Erfahrungen geschrieben. Ich habe gezeigt, was in mir vorging und wie ich das Ganze empfunden habe. Nach ein paar Tagen und einigen Feedbacks dazu habe ich überlegt, dass es doch auch interessant ist, mal dahinter zu blicken und die Menschen, die es wohl oder übel live miterlebt haben, zu interviewen. Die Gespräche und Nachrichten, die ich von meinen Liebsten erhalten habe, waren emotional, haben mich teilweise erstaunt, traurig gemacht und doch auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: Ich habe es geschafft! Ich LEBE – im Hier und Jetzt. Ich kann nicht sagen, dass ich „geheilt“ bin, denn von einer psychischen Krankheit ist man ja, wie schon im ersten Blogpost erwähnt, nie so 100%ig geheilt.

In diesem Beitrag möchte ich die Antworten zu folgenden von mir gestellten Fragen zeigen:

1. Wie war die Zeit für dich? 2. Wie hast du mich in der Zeit erlebt? 3. Wie hast du versucht zu helfen/wie hast du geholfen? 4. Welche Tipps hast du jetzt im Nachhinein für Angehörige? 5. Wie siehst du mich heute?

Freunde und Lehrer

Meine beste Freundin, damals und auch heute, war und ist Katharina. Gegen Ende der Diabulimie und auch danach hat sich unser Kontakt verringert, wir waren mehr „alte Bekannte“ als wirklich Freunde. Ihre Antworten: Wie war die Zeit für dich? Es war eine Zeit mit viel neu Erlebtem, was man manchmal auch nur schwer greifen und auch begreifen konnte. Man hat oft gesagt, geredet, immer und immer wieder und oftmals nicht verstanden, warum die Botschaft bei ihr nicht ankam. Man fängt dann an, sich selbst zu reflektieren, wie man die Dinge noch anders sagen könnte, um so diesem einen Menschen, dem man so sehr helfen möchte, endlich begreifbar zu machen, wie sehr er sich selbst damit weh tut.  Aber ja, man schottet sich irgendwann ab, weil man einfach nicht mehr weiß, was man noch sagen soll. Die Zeit hat Kraft gekostet und auch Kraft, die manchmal zu Lasten der Freundschaft gegangen ist. Deshalb gab es, so denke ich, auch den Bruch in der Freundschaft. Man war hilflos, wusste nicht, wie man noch weitermachen soll, wusste nicht mehr, wie man noch helfen kann, und in gewisser Weise ist das Verständnis irgendwann auch verloren gegangen. Jenes Verständnis, warum jemand so denkt, wie er in diesen Augenblicken denkt, handelt und sich nicht helfen lässt. Wie hast du mich in der Zeit erlebt? Einerseits habe ich dich als starke und kämpfende Person wahrgenommen, denn du hast dich immer wieder hochgekämpft, egal, was für eine Diagnose gestellt worden ist oder was das Gewicht auf der Waage gesagt hat. Andererseits war da auch diese kleine Person, die Schutz und Halt gebraucht hat und es doch oft nicht annehmen konnte, vielleicht auch manchmal nicht wollte. Im Herzen ja, aber der Kopf war dann doch im Weg. Wie hast du versucht zu helfen/wie hast du geholfen? Ich war so gut es geht und so oft es geht da für dich, habe versucht, dir gut zuzureden oder dir dann doch zu zeigen, wie schön das Leben sein kann. Ich bin einfach mit dir rausgegangen, habe was mit dir unternommen, um so für dich da zu sein. Ich habe auch immer wieder betont, dir helfen zu wollen, und dir gut zugeredet, auch wenn es oft nicht gehört werden wollte. Aber nicht nur gut zureden war mein Versuch zu helfen, auch die Wahrheit aussprechen ist wichtig, um dir zu zeigen, wie es in der Realität um dich teilweise stand. Die Situation war echt an der Grenze zu weitaus Schlimmerem. Welche Tipps hast du jetzt im Nachhinein für Angehörige? Heute weiß ich, dass der Mensch selbst erkennen muss, in welcher Situation er ist, und dass er selbst an dieser Situation was ändern wollen muss, ansonsten bringt alles Gerede leider überhaupt nichts. Nichtsdestotrotz sollte man nie den Menschen aufgeben, sondern immer an ihn glauben und trotzdem weiterreden, denn Kommunizieren ist hier das Wichtigste. Und vor allem sollte man meiner Meinung nach nichts „schönreden“, sondern auch mal die Wahrheit ins Gesicht sagen, auch, wenn es unangenehm werden sollte. Manchmal muss man hart bleiben und demjenigen zeigen, was er verpasst, wenn er nicht etwas ändert, und ihn auch mal alleinlassen mit dieser Situation. Sowas kann auch die Augen öffnen. Zu guter Letzt aber: Gib niemals den Menschen auf und zeige ihm trotzdem Liebe und Respekt! Wie siehst du mich heute? Du hast zum Glück den „Weg ins Leben“ wiedergefunden. Du bist einer der herzlichsten Menschen, die ich je in meinem Leben erlebt habe. Die Zeit von damals hat dich sehr geprägt und wird immer ein Teil deines Lebens sein. Muss ein Teil deines Lebens bleiben, um dir immer wieder vor Augen zu halten, wie es nicht mehr sein soll, und dass dieser Weg von damals nicht der richtige ist. Du hast so eine positive und lebensfrohe Ausstrahlung gewonnen, die Du niemals wieder verlieren darfst. Egal, was für ein Rückschlag oder welche Herausforderung kommt, du gehst die Sache mit einer Stärke an, für die viele dich bewundern werden. Ich kann nur sagen, bleibe bitte genauso, wie du jetzt bist, bleib stark, so positiv und vor allem lebensfroh. Lass dir von Menschen, die nur einen kleinen Bruchteil deines jetzigen Ichs kennen, nichts einreden!
Quelle: Pixabay
Mein damaliger Englischlehrer in der Ausbildung zur Erzieherin war damals eine große Stütze. Er hat mich zu meiner ersten Therapiestunde begleitet und mich ermutigt und offen über die Wahrheit gesprochen. Ich habe ihn direkt kontaktiert, als ich wusste, dass ich diesen Beitrag verfassen werde. Seine Antworten: Wie war die Zeit für dich? Die Zeit war sehr stressig, voll mit Sorgen und anstrengend. Die ganze Zeit war ich mit dem Gedanken beschäftigt, dass alles gut wird. Wie hast du mich in der Zeit erlebt? Ich habe dich als ängstlich und trotzdem sehr mutig und tapfer erlebt. Ich hatte das Gefühl, dass du dabei sehr schnell erwachsen geworden ist, auch wenn du das vielleicht nicht unbedingt wolltest. Wie hast du versucht zu helfen/wie hast du geholfen? Ich habe dir aus meiner eigenen Erfahrung mit einer Studienfreundin erzählt und versucht, verschiedene Perspektiven aufzuzeigen. Und ich habe dir zur Therapie geraten und dir gleichzeitig klargemacht, dass der Wille, etwas zu ändern, von dir kommen muss. Natürlich habe ich dich immer ernst genommen. Welche Tipps hast du jetzt im Nachhinein für Angehörige? Auf keinen Fall sollte man die betroffene Person bedrängen. Man sollte meiner Meinung nach immer da sein, miteinander sprechen, der Sache auf den Grund gehen und die Erkrankte/den Erkrankten ermutigen.   Im nächsten Teil von Lesley-Anns „Diabulimie – die Sicht der Angehörigen“ geht es um die Antworten ihrer Familienmitglieder!

3 Kommentare zu “Diabulimie – die Sicht der Angehörigen (Freunde und Lehrer)

  1. Hey Lesley,
    ich find’s total schön und mutig, deine Geschichte zu erzählen.
    Ich selbst hab Gott sei Dank keine Diabulimie, erkenn mich aber selbst ein bisschen darin wieder, durch meine Kombinat von Diabetes und Depressionen.
    Ich hab totalen Respekt vor dir, wie du’s da wieder raus geschafft hast, zumindest aus dem ‘Akutzustand’. Das ist super stark und inspirierend!
    Ich bin gespannt auf den nächsten Teil und ich freu mich für dich, dass du tolle Menschen und vor allem deine Mama an deiner Seite hattest!

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