Mein Praktikumstag im HealthPlus Diabetes und Endocrinology Center in den Vereinigten Arabischen Emiraten

Bilge ist nach Abu Dhabi geflogen, um einen Praktikumstag bei Dr. Al-Khatib zu machen – ein ehemaliger Arzt aus dem Diabetes Zentrum Mergentheim, in dem sie selbst als Krankenschwester arbeitete. Innerhalb nur weniger Stunden vor Ort lernte sie nicht nur, wozu neben dem Schreibtisch im Behandlungszimmer ein Bambusstock steht.

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In meiner Zeit als Krankenschwester im Diabetes Zentrum Mergentheim hörte ich oft von einem Arzt namens Mohammed Al-Khatib. Die Schwestern schwärmten von ihm, die Ärzte bewunderten ihn und es fiel nie ein schlechtes Wort über ihn und seine Persönlichkeit. Die Patienten erinnerten sich an einen fantastischen, humorvollen und gutaussehenden Arzt, bei dem man sich gut aufgehoben fühlte.

Als Krankenschwester im Diabetes Zentrum Mergentheim

Nach einem halben Jahr ging ich der Sache nach. Wo war dieser scheinbar perfekte Diabetologe und warum schwärmten alle von diesem Menschen? In meiner Zeit am Diabetes Zentrum hatte ich fast schon wöchentlich einen Termin bei Prof. Dr. Haak. Mein Diabetes lief zu der Zeit nicht gut und Professor Haak ist ein Mann und Arzt, der sehr ambitioniert ist. Blutzucker nicht einstellbar? Gab es nicht für ihn. Er hatte bisher jeden „schwierigen Fall“ hinbekommen. Das bewunderte ich immer sehr an ihm und bewundere ich auch heute noch. Nicht, dass es mich noch angesteckt hat, denn ich habe mich nie wie eine Patientin bei ihm gefühlt. Er hatte lange schon begriffen, dass bei Diabetes der Fokus nicht nur auf der Krankheit liegen darf, sondern auf dem gesamten Menschen. Seine Beschaffenheit, sein Befinden, sogar seine Persönlichkeit. Ich habe mich immer wichtig bei ihm gefühlt. Nun, in einem meiner Termine bei ihm habe ich ihn gefragt, was es mit dem berühmt-berüchtigten Arzt Dr. Mohammed Al-Khatib auf sich hat und wo er denn ist. Prof. Haak erzählte mir, er sei in die Vereinigten Arabischen Emirate gezogen, um dort eine Klinik zu eröffnen. Ich habe nicht weiter nachgeforscht, bis ich bald darauf mit einer Ärztin aus dem Diabetes Zentrum zusammen meine Pause verbrachte. Ich erzählte ihr von Dr. Al-Khatib und, dass ich nicht verstünde, warum alle über ihn reden und ich wünschte, ihn auch kennengelernt zu haben. Wie toll es doch wäre, ein Praktikum in seiner Klinik zu machen.

Ein Praktikum in Abu Dhabi?!

Die Ärztin versuchte es mir sofort auszureden. „Du lernst dort nichts. Er hat hier gearbeitet, alles, was du von ihm lernen könntest, lernst du hier. Geh nicht hin!“ Es hat mich gewundert, dass sie mir derart bestimmt davon abriet und sogar ein wenig eingeschnappt war. Abgesehen davon, lasse ich mich von niemandem von irgendetwas abbringen. Das liegt in meiner Natur. Wenn die Person sagt, ich soll nicht, das bringt nichts, dann habe ich erst recht ein unsterbliches Verlangen, es zu tun. Natürlich nur, wenn es mir denn auch sinnvoll erscheint. Es erschien mir sinnvoll, die Diabetestherapie in einer anderen Kultur kennenlernen zu dürfen. So schrieb ich Prof. Haak und bat um die Kontaktdaten von Dr. Al-Khatib. Ich schrieb ihm und fragte ihn, ob ich ihn in seiner Klinik besuchen könnte, dass ich selber Diabetes mellitus Typ 1 habe und im Diabetes Zentrum arbeitete. Er war zu meiner Freude einverstanden.
Quelle: Pixabay
Nun, so buchte ich einen „kleinen Ausflug“ in die Emirate, nach Dubai, um genau zu sein. Ich wollte meinen Aufenthalt mit einem Urlaub verbinden und habe mich deshalb entschlossen, nicht in Abu Dhabi zu bleiben – dort, wo die Klinik steht –, sondern in Dubai.

Die Ankunft bei Dr. Mohammed Al-Khatib

In Dubai angekommen, fuhr ich mit dem Bus um 3 Uhr nach Abu Dhabi und vom Busbahnhof mit dem Taxi zu Dr. Mohammed Al-Khatib. Ich wartete an der Rezeption auf ihn, denn ich war zu früh. Ich nahm zunächst Platz im Wartezimmer, bis mir auffiel, dass Männer und Frauen getrennt saßen. Eine Dame an der Rezeption bat mich, mich zu den Frauen zu setzen und zu warten. Ich war müde von der Reise und hungrig. Ich stellte meine temporäre Basalrate herunter, so dass ich ja keinen Unterzucker bekäme an diesem Tag. Mein Zucker hatte so eine gute Linie. Meine Gespanntheit auf Dr. Al-Khatib hielt mich wach. Nach einer Viertelstunde kam er in die Klinik hereinspaziert. Ich musterte ihn von oben bis unten, bevor er mich sah. Er war groß, gutaussehend und hatte eine beeindruckende Aura. Kennt ihr solche Menschen? Sie betreten den Raum und man nimmt sie sofort wahr – man spürt, dass sie da sind. Dr. Al-Khatib war und ist so ein Mensch. Ich schmunzelte und verstand meine älteren Kolleginnen im Diabetes-Zentrum. Ich stand auf und schaute ihn an. „Dr. Al-Khatib, ich bin Bilge, wir haben geschrieben.“ Er kam auf mich zu und plötzlich fing mein Herz an, so zu schlagen, dass es fast aus meinem Brustkorb zu fallen schien. „Verdammt!“, dachte ich. Ich spürte schon, dass mein Zucker in die Höhe schnellte, allein durch die Präsenz dieses Menschen. Er war sehr freundlich und zuvorkommend. Nicht nur das, er hat mich immer vorlaufen lassen und hat jede Tür in der Klinik für mich aufgehalten. Das fiel mir gleich auf. Seine Stimme war tief und stark, aber doch auch sanft bestimmend.
Quelle: Mohammed Al-Khatib
Ich weiß nur, wie ich mir dauernd einreden musste, mich zu beruhigen und zu konzentrieren. In Anwesenheit von schönen Menschen verliere ich leider schnell den Fokus. Eine schwache Charaktereigenschaft von mir. Er hat mich eingeschüchtert. Doch mit der Zeit fühlte ich mich immer wohler. Ich erhielt einen Kittel und durfte ihm bei seiner Arbeit über die Schultern schauen.

Respekt ist oberstes Gebot

Was mir gefiel, war sein Humor gegenüber den Patienten. Er hat es geschafft, jeden Patienten, der in sein Büro kam, mit einem Lächeln und anscheinend gutem Gefühl wieder rauszuschicken. Eine Gabe, so dachte ich. Ich kann mich an einen Patienten erinnern, der mit seinem Sohn hereinkam. Sehr höflich. Sehr respektvoller Umgang. Ich denke, das liegt in der Kultur. Respekt ist oberstes Gebot. Hände reichen war nicht üblich. Vor allem nicht von Mann zu Frau. Was in einer Klinik vielleicht auch nicht so verkehrt ist, wenn man an die Krankenhauskeime denkt. Nun, dieser Patient kam zur Kontrolle seines Typ-1-Diabetes. Dr. Al-Khatib versuchte, ihn auf Englisch zu einer Pumpe zu überreden, doch der Patient war sich nicht sicher. Ich fragte Dr. Al-Khatib, warum der Patient denn nicht sicher sei, und er bat mich, ihn persönlich auf Englisch anzusprechen. Das tat ich auch. Ich beschrieb die Vorzüge einer Pumpe und was sie alles kann, dass man sich damit zwar mehr beschäftigen müsse, aber es sich lohnen würde. Doch dann beging ich einen Fehler. Ich sagte, dass einer der Vorzüge darin bestünde, mit meinem Omnipod auch schwimmen zu können, und bot ihm an, die Pumpe an mir selbst zu zeigen, welche an meinem Unterbauch unter meinem Shirt befestigt war. Allein auf die Frage, ob er die Pumpe sehen möchte, brach in ihm Panik aus, er drehte seinen Kopf zur Seite und fuchtelte mit seinen Armen und sagte mehrmals: „Nein! Nein! Bitte! NEIN!“

Andere Länder, andere Sitten

Ich bat mehrmals um Eentschuldigung. Ich dachte in dem Moment, was ich doch für eine Idiotin bin, in den Emiraten einem Mann freiwillig meinen nackten Bauch zeigen zu wollen. Doch Dr. Al-Khatib sprach ihn auf Arabisch an und beide fingen plötzlich an zu lachen, während ich immer mehr errötete. Ein Patient nach dem anderen kam herein. Mir fiel auf, dass Patienten Ärzten, die aus Deutschland kamen, mehr Vertrauen schenkten als den Ärzten aus der Heimat. Dies kam zum Vorschein, als einem Patienten zu einer Operation geraten wurde von acht arabischen Ärzten, aber ein deutscher Arzt nein sagte – und er tat es nicht. Dr. Al-Khatib schimpfte mit ihm, allerdings nur auf seine humorvolle, charmante Weise. Er hatte sogar einen Bambusstock neben seinem Schreibtisch. Damit schlug er leicht – mehr war es eine leichte Berührung – den Patienten auf den Oberschenkel, die ihre Therapie nicht einhielten. Alle amüsierten sich. In Deutschland kaum vorstellbar. Wenn ich bedenke, dass das ein Arzt aus Spaß machen würde, so leicht die Berührung auch ist, würde er wahrscheinlich wegen einer schweren Körperverletzung angeklagt werden.

Ein einziger Praktikumstag

Das alles geschah an einem einzigen Tag. Dr. Al-Khatib fragte mich oft medizinisch aus, jedoch war es schon mittags. Ich war seit um 3 Uhr unterwegs und war zu dem Zeitpunkt so fertig, dass ich die Fragen als sehr anstrengend empfunden habe, obwohl ich wusste, dass er meinen Aufenthalt lohnenswert machen wollte. Der Praktikumstag im Health Care Center in Abu Dhabi war ausgesprochen lehrreich. Allein nur, dass Omnipods dort nicht verkauft werden und ich von Patienten hörte, die alle drei Monate in die Staaten oder nach Russland reisen müssen, um sie zu besorgen, hat mich davon abgehalten, dort arbeiten zu wollen. Sonst hätte ich diese Erfahrung sehr gerne gemacht. Zu Dr. Al-Khatib möchte ich sagen, dass er ein herausragender Diabetologe ist. Sehr sympathisch, fachlich top und seine Art angenehm. Es hat sich definitiv gelohnt, ihn kennenzulernen, und ich hoffe, ich sehe ihn eines Tages wieder und habe die Ehre, mit ihm wieder zusammenzuarbeiten.

2 Kommentare zu “Mein Praktikumstag im HealthPlus Diabetes und Endocrinology Center in den Vereinigten Arabischen Emiraten

  1. Hallo Bilge,
    sehr schöner und informativer Artikel, Danke für die Mühe. Weißt Du was mir bei einem Satz einfiel? Bezüglich schöne Menschen und Nervosität? Es gibt einen Song von Alison Moyet, der passt, wie die Faust aufs Auge: „Weak in the presence of Beauty“ . Danke für die Teilhabe an der sicher tollen Erfahrung. Alles Gute!
    Tatjana

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