EASD 2018: Wenn Patienten auf Forscher treffen

Was treibt junge Wissenschaftler an, den Diabetes zu erforschen? Was erhoffen sich Menschen mit Diabetes von der Wissenschaft? Bislang gab es kaum Austausch zwischen diesen beiden Fraktionen. Doch beim neuen Veranstaltungsformat „DZD trifft #dedoc“, das im Rahmen des EASD-Kongresses am 2. Oktober 2018 in Berlin stattfand, konnten sich die beiden Seiten erstmals ungezwungen austauschen. Antje war für euch dabei.

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Ein Diabetes-Fachkongress ist in der Regel eine geschlossene Veranstaltung – zumindest aus Sicht der Menschen, um deren Erkrankung es dort geht. Denn Patienten haben weder Zutritt zu den wissenschaftlichen Sitzungen, noch können sie mit den Experten und Forschern direkt in Kontakt treten. Um das zu ändern, haben das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD), diabetesDE und die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) bei der diesjährigen EASD-Jahrestagung in Berlin ein neues Format ausprobiert.

Raus aus dem wissenschaftlichen Tunnelblick

Bei der Veranstaltung „DZD meets #dedoc“ trafen junge Wissenschaftler auf Patienten und sprachen miteinander über ihre jeweiligen Anliegen. Organisiert wurde das Event vom DZD, die Moderation übernahm der Patientenvertreter und Typ-1-Diabetiker Bastian Hauck (übrigens ebenfalls Autor der Blood Sugar Lounge). Er erklärte: „Aus Sicht der Patienten haben viele Forscher den Blick für die Belange der betroffenen Menschen mit Diabetes verloren. Dieses neue Format könnte eine Chance sein, diese Distanz zu überbrücken.“ Die Resonanz auf die Veranstaltung beim Publikum war überaus positiv: endlich eine Chance für Patienten, einmal hinter die Kulissen des Forschungsbetriebs zu blicken. Und eine Gelegenheit für die Forscher, sich einmal von ihrem wissenschaftlichen Tunnelblick zu lösen und direkt mit denen zu kommunizieren, die am Ende von ihrer Arbeit profitieren sollen.

Was ist die passende Ernährungsform beim Typ-1-Diabetes?

Ursprüngliches Ziel war es gewesen, fünf Wissenschaftler mit ihren jeweiligen Forschungsschwerpunkten mit dazu passenden Menschen mit Diabetes zu matchen, die sich in der Online-Community engagieren. Beim Typ-1-Diabetes ist es ein Leichtes, solche Aktivposten zu finden, die sich öffentlich zu ihrer Erkrankung bekennen und austauschen. Eine von ihnen ist zum Beispiel die belgische Bloggerin Cathy Van de Moortele. Sie diskutierte am DZD-Stand mit Dr. Stefan Kabisch vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) über die optimale Ernährung beim Typ-1-Diabetes.

Cathy Van de Moortele erzählte: „Ich war vor meiner Diagnose Typ-1-Diabetes im Alter von 31 Jahren nie übergewichtig. Doch da ich sehr gern esse, brachte ich bald viele zusätzliche Kilos auf die Waage. Diese bin ich erst mit einer Magenverkleinerung wieder losgeworden. Die OP war auch gut für meine Insulinempfindlichkeit – doch was ist nun die passende Ernährungsform für mich? Und was soll ich für meine Kinder kochen, von denen eines auf Low Carb und eines auf veganes Essen schwört? Das ist im Alltag wichtig für mich, aber Ärzte haben hierauf keine Antwort!“ Doch auch der Ernährungswissenschaftler Dr. Kabisch musste bei seiner Antwort vage bleiben: „Es gibt nicht viele Studien zum Einfluss verschiedener Ernährungsformen auf den Typ-1-Diabetes.“

Generell gebe es in der Öffentlichkeit eine ungeheure Bandbreite an Irrglauben und Missverständnissen auf dem Gebiet der Ernährung. „Ich versuche immerhin, meinen Beitrag zur allgemeinen Aufklärung zu leisten, indem ich alle Presseanfragen zum Thema Ernährung und Diabetes beantworte.“

Quelle: Antje Thiel

Nur wenige Menschen mit Typ-2-Diabetes auf Blogs aktiv

Doch so viele Diabetes-Blogger, entsprechende Gruppen auf Facebook und diabetesbezogene Hashtags auf Instagram oder Twitter es auch geben mag – die bei weitem größte Gruppe unter den Menschen mit Diabetes ist in den sozialen Medien kaum aktiv: „Es gibt kaum Typ-2-Diabetiker in der Patienten-Community“, erklärte Bastian Hauck, „vermutlich, weil noch immer die Annahme vorherrscht, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes ihre Erkrankung selbst verschuldet, etwas falsch gemacht haben.“ Und so entwickelte sich zu diesem Thema kein direkter Dialog zwischen Forschern und Patienten. Dennoch konnten Dr. Meriem Ouni vom DIfE und Dr. Christine Henke vom Paul Langerhans Institut Dresden (PLID) mit einem kleinen Einblick in ihre Forschung zur Epigenetik und zu Alterungsprozessen im Zusammenhang mit Typ-2-Diabetes etliche Vorurteile entkräften: „Typ-2-Diabetes ist eine multifaktorielle Erkrankung. Wir hoffen, dass wir ihren Ausbruch immerhin verzögern können, wenn wir mehr und mehr epigenetische Faktoren identifizieren, die beim Typ-2-Diabetes eine Rolle spielen.“

Liebe Typ-Zweier, traut euch doch mal aus der Deckung!

Was nun fehlt, sind also Typ-2-Diabetes-Blogger, die ermutigende Nachrichten wie diese in ihre eigene Community tragen und auf diese Weise der Stigmatisierung von Typ-2-Diabetikern entgegenwirken. Auch in der Blood Sugar Lounge sind übrigens Autorinnen und Autoren mit Typ-2-Diabetes ziemliche Mangelware: Außer Bettina Meiselbach hat hier niemand Typ-2-Diabetes.

Ich persönlich finde das sehr schade, denn ich würde gern mehr darüber lesen, wie es sich anfühlt, mit Typ-2-Diabetes zu leben. Und ich bin sicher, die Organisatoren des Events „DZD meets #dedoc“ wären ebenfalls begeistert – denn die Resonanz auf ihr neues Format war so gut, dass sie beim nächsten EASD-Kongress vermutlich eine zweite Auflage organisieren werden. Und da wäre es doch toll, wenn auch Betroffene mit Typ-2-Diabetes mitmischen und von ihren Wünschen und Erwartungen an die Diabetesforschung erzählen könnten. Also, liebe Typ-Zweier: Traut euch doch einfach mal aus der Deckung, meldet euch als Autoren hier in der Blood Sugar Lounge an, schreibt über euer Leben und werdet Teil der Community!


Über die Probleme, sich als Typ-2-Diabetikerin zu „outen“, hat Bettina hier geschrieben: Du bist Typ 2? Halt besser die Klappe!

5 Kommentare zu “EASD 2018: Wenn Patienten auf Forscher treffen

  1. Unter uns gibt es leider viele, die die Erkrankung nicht so ernst nehmen und nicht besonders danach leben. Und bei mir war es so wie bei den meisten Kollegen: ich konnte ca. 8 Jahre mit Lebensstiländerung und einer Tablette morgens sehr gut therapieren. Und so lange gab es auch keinen Druck sich um Themen wie Community, Selbsthilfeor, Blogs u.s.w. zu kümmern. Und die meisten von uns sind ü/60. Ist vielleicht auch ein Grund.

  2. Unter uns gibt es leider viele, die die Erkrankung nicht so ernst nehmen und nicht besonders danach leben. Und bei mir war es so wie bei den meisten Kollegen: ich konnte ca. 8 Jahre mit Lebensstiländerung und einer Tablette morgens sehr gut therapieren. Und so lange gab es auch keinen Druck sich um Themen wie Community, Selbsthilfeorganisationen, Blogs u.s.w. zu kümmern. Und die meisten von uns sind ü/60. Ist vielleicht auch ein Grund.

  3. Und bei mir war es so wie bei den meisten Kollegen: ich konnte ca. 8 Jahre mit Lebensstiländerung und einer Tablette morgens sehr gut therapieren. Und so lange gab es auch keinen Druck sich um Themen wie Community, Selbsthilfeorganisationen, Blogs u.s.w. zu kümmern.

  4. Sorry, aber bei der App ist noch viel Luft nach oben. Mir wurde angezeigt, dass ich das schon mal geschrieben haben soll. Daraus habe ich entnommen, dass der Kommentar nicht gesendet wurde. Kommunikation ist eben ein komplexes Thema.

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