Nachteilsausgleich – und jetzt?

Kiara zieht zum Ende des Wintersemesters ein Resümee: Was hat ihr der Nachteilsausgleich gebracht und was wünscht sie sich für die Zukunft?

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Im Frühjahr letzten Jahres berichtete ich darüber, dass ich bei meiner Uni mehr oder weniger erfolgreich einen Nachteilsausgleich beantragt habe. Mehr oder weniger erfolgreich, weil er leider nur von einer der beiden Fakultäten, an denen ich studiere, bewilligt wurde. An der Entscheidung des anderen Prüfungsamtes ließ sich bis heute leider nichts ändern. Trotz stundenlanger Gespräche bei der Gleichstellungsbeauftragten der Uni, die die Entscheidungen zu Ungunsten meinerseits auch nicht nachvollziehen konnte.

Für mich ist, nach einem geschafften Sommersemester und einem Wintersemester, was in Sprintgeschwindigkeit dem Ende und der Prüfungsphase entgegenrennt, Zeit, Resümee zu ziehen.

Zeit für ein Resümee

Erst letztens sagte eine Kommilitonin im Gespräch zu mir: „Kiara, warum bist du denn immer noch so gestresst? Du hast doch schon einen Nachteilsausgleich!“ Ja, aber!

Ja, der Nachteilsausgleich ermöglicht mir mehr Zeit für Klausuren und Hausarbeiten. Außerdem darf ich in extra Räumen schreiben, damit es durch Blutzuckermessen und ggf. Essen während Prüfungen nicht zu Störungen für die anderen Prüflinge kommt. Auch die nervige Anwesenheitspflicht, die es an meiner Uni noch in manchen Studiengängen gibt, fällt für mich weg. Alles erst einmal Dinge, die Menschen, wie eben meine Kommilitonin, denken lassen, dass sich mein Unialltag dadurch sehr viel einfacher darstellt. Dass ich entlastet werde und dass Menschen mir und meinen chronischen Krankheiten entgegenkommen. Was mich stört, ist, dass in der Regel komplett ignoriert wird, was für ein zusätzlicher Aufwand all dies für mich bedeutet. Wie viel Kraft und Zeit es mich allein gekostet hat, diesen Antrag zu formulieren.

Quelle: pixabay

Nachteilsausgleich – und jetzt?

Die Entscheidungen des Prüfungsamtes bedeuten für mich, dass ich zu Beginn jeden Semesters Sprechstundentermine bei all meinen Dozierenden machen muss, um sie über meinen Nachteilsausgleich aufzuklären. Danach muss ich mich nicht nur selbstständig darum kümmern, dass ein anderer Raum zur gleichen Zeit für Klausuren für mich verfügbar ist, sondern auch der Kontakt zu den zuständigen Personen beim Prüfungsamt läuft über mich.

Das Semester ist in drei Wochen zu Ende und bei einer Dozentin war ich bis jetzt nicht, weil ich es nicht geschafft habe.

Auch wenn ich immer wieder versuche, dankbar zu sein, dass mir mit diesem Nachteilsausgleich entgegengekommen wurde, möchte ich trotzdem, dass Raum für die Wut ist, die ich habe. Wut, weil es für mich immer noch ein Abwägen von Zeit und Energie ist. Was ist gerade Energieressourcen sparender?

Den Nachteilsausgleich nicht zu erwähnen, würde bedeuten, die Klausuren mit allen anderen in einem Raum schreiben zu müssen. Und gegebenenfalls hinzunehmen, dass es zu einer nervigen Situation für alle Beteiligten kommen kann im Fall, dass ich unterzuckern sollte. Sollte ich Glück haben, spielen aber sowohl meine Blutzuckerwerte als auch meine mentale Gesundheit am Prüfungstermin mit. Somit könnte die Prüfungssituation „unkompliziert“ für mich verlaufen.

Die Alternative

Die andere Variante bedeutet, dass ich im Voraus Kraft und Zeit investieren muss, um Barrieren abzubauen. Die letzten beiden Semester haben gezeigt: Es ist entlastend für mich zu wissen, dass ich mit Blutzuckermessen, Hypoglykämiebekämpfung oder dem Alarm meines Sensors keine meiner Kommiliton*innen zusätzlich störe, und zu wissen, dass es in Hausarbeitsphasen in Ordnung ist, wenn ich einen Tag dank schlafloser Nächte nicht arbeiten kann. Je näher die Prüfungen kamen, desto mehr habe ich gemerkt, dass andere Prüfungsbedingungen zu haben für mich mehr Barrierefreiheit bedeutet.

Und in der Zukunft?

Als Zukunftsperspektive würde ich mir dennoch wünschen, dass Menschen mit chronischen Krankheiten noch mehr entgegengekommen werden würde, damit der Abbau von Barrieren, die sich uns im Alltag stellen, nicht noch zusätzliche Hürden bildet. Zusätzlichen Kraftaufwand. Zusätzlichen Zeitaufwand. Und damit ich in einem nächsten Text über Nachteilsausgleiche nicht mehr mein ambivalentes Gefühl beschreiben müsste, sondern wirklich nur erzählen könnte, was für eine Bereicherung er für mich ist.

Trotzdem, wenn ihr den Raum und die Energie habt: Informiert euch, was an eurer Uni möglich ist! Sprecht mit den zuständigen Gleichstellungsbeauftragten und überlegt euch, was ihr fordern könntet, damit sich euer Unialltag besser eurer Lebensrealität fügt!


Mehr zum Nachteilsausgleich findet ihr auch von Lea: Nachteilsausgleich für Studis mit Diabetes

Ein Kommentar zu “Nachteilsausgleich – und jetzt?

  1. Ich verstehe die geschilderten Belastungen sehr gut.
    Andererseits hatte ich es mir immer zur Aufgabe gemacht, den Diabetes nicht in den Vordergrund zu stellen, was ja auch im normalen Berufsleben sinnvoll ist. Ich hatte immer den Schwerbehindertenausweis – ohne davon Gebrauch zu machen. Also kein Zusatzurlaub, usw.

    Was wäre denn, wenn man den geschilderten Problemen mit Hilfe einer intelligenten Insulinpumpe zu Leibe rückt (MiniMed640G/670G, usw). Das ist eine grundlegende Erleichterung, die es zu meinen Studienzeiten noch gar nicht gab.

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