Gemeinsam statt einsam

Typ 1, Typ 2, Typ 3… Diabetes ist generell mit extrem vielen Vorurteilen belastet, sowohl von außen als auch von innen heraus. Tine fragt sich heute, warum das überhaupt so sein muss, und fordert zum Umdenken auf.

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Ich weiß es noch, als wenn es gestern gewesen wäre. Vermutlich werde ich diesen Moment niemals vergessen: Als ich am Tag meiner Diagnose im Labor meiner zukünftigen Praxis saß und mir Blut abgenommen wurde, meinte die Laborantin zu mir, ich hätte bestimmt „nur einen Typ 2. Der geht mit ausgewogenem Essen und Sport schnell wieder weg. Ist nicht so schlimm!“. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, was sie meinte. Ich wusste auch nicht, was für einen Mist sie da gerade von sich gab. Verwirrt und kraftlos von Wochen ohne Insulin konnte ich ihren Kommentar nicht einordnen. Nur fünf Minuten später saß ich mit meiner neuen, coolen Diabetologin und einer tollen Diabetesberaterin im Behandlungszimmer und bekam die klare Diagnose Typ-1-Diabetes.

Gute Typen, schlechte Typen?

Erst Monate später musste ich zum ersten Mal wieder an die Situation im Labor zurückdenken. Nicht nur hatte die Frau dort anscheinend keine Ahnung von Typ-2-Diabetes, vermutlich wusste sie auch nicht viel über Typ-1-Diabetes. Sonst hätte sie sich diesen Kommentar vermutlich gespart. Nicht jeder Mensch, der die Typ-1-Diabetes-Diagnose bekommt, ist unter 20. Nicht jeder, der eine Typ-2-Diabetes-Diagnose erhält, ist dick. Wer dick ist, hat nicht automatisch Typ-2-Diabetes. Wer Typ-2-Diabetes hat, kann diesen nicht automatisch und ausschließlich mit Ernährung und Sport „verschwinden lassen“. Nicht jeder hat Kapazitäten, sich mit Ernährung und Sport auseinanderzusetzen. Typ 1 wird allgemein als der „gute“, Typ 2 als der „schlechte“ Diabetes angesehen. Der Typ-2-Diabetes wird oft immer noch viel zu spät entdeckt, weil die Symptome nur langsam sichtbar werden und weil er als „nicht so schlimm“ abgestempelt wird. Gleichzeitig gilt auch Typ-1-Diabetes wiederum als „nicht so schlimm“, weil man ja alles damit machen können sollte und „nur Insulin spritzen muss“. All diese Annahmen werden von Vorurteilen gefüttert, die wir nur sehr schwer und sehr langsam aus unseren Köpfen bekommen, und trotzdem sollten wir dies so schnell wie möglich tun. Und oh, Überraschung: Es gibt auch noch weitere Diabetes-Typen, die in dieser Unterhaltung meist komplett außen vor gelassen und unsichtbar gemacht werden.

Wo ist mein Beruhigungstee?

Wir schreiben das Jahr 2019 und ich habe wirklich genug von Vorurteilen. Ja, es macht mich wütend, sehr sogar. Nicht nur auf den Diabetes bezogen, aber heute hier im Text geht es eben darum. Und was mich wirklich ärgert, ist die Tatsache, dass wir nicht nur mit Vorurteilen und Annahmen von außerhalb der Community kämpfen müssen. Auch Menschen mit Diabetes untereinander sind ganz und gar nicht frei davon. Immer wieder höre ich zum Beispiel, wie Menschen mit Diabetes Typ 1 sich als die „besseren Diabetiker“ darstellen. Oder auch, dass sie Menschen mit Diabetes Typ 2 mit ihren dickenfeindlichen Vorurteilen überschütten. Ganz ehrlich: Das bringt niemandem was und verankert die Vorurteile nur noch mehr in unseren Köpfen. Menschen mit Diabetes Typ 2 haben sowieso, egal ob beim Arzt oder im sonstigen Leben, schon schwer mit Vorurteilen ihnen gegenüber zu kämpfen. Es ist nur traurig, wenn wir das auch noch befeuern, obwohl wir Menschen mit Typ-1-Diabetes eigentlich auch ernst genommen und vorurteilsfrei betrachtet werden wollen.
Quelle: Pixabay

Gemeinsam sind wir stärker

Ich bitte euch: Raus mit den Vorurteilen aus den Köpfen. Nur wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen, können wir die Vorurteile Menschen mit Diabetes gegenüber begraben. Damit tragen wir tatsächlich etwas zu großflächiger Aufklärung bei. Nur wenn wir einander nicht mehr gegenseitig runtermachen, sondern uns stützen und Annahmen und Vorurteile nicht weiter befeuern, können wir sie aus der Welt schaffen und das Bild von uns in der Gesellschaft maßgeblich beeinflussen. Nur dann können wir vielleicht erreichen, dass wir gemeinsam auch von der Politik ernst genommen und gehört werden und so schneller Ziele erreichen können. Kickt bitte endlich die Vorurteile aus euren Köpfen, hört einander zu, fragt nach und versteht, anstatt zu verurteilen.
Um Vorurteile gegenüber und zwischen Menschen mit Diabetes endlich aus dem Weg zu räumen, findet am 28.02. unser #TypenTalk statt. Ihr könnt ab jetzt eure Fragen einreichen!

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