Von Monstern und Metal

Bald startet wieder die Festivalsaison. Maya war im vergangenen Jahr auf dem With Full Force Festival. Mit dabei: natürlich ihr Diabetes und einige Gedanken dazu. Sie erzählt, wie das Festivalwochenende für sie war.

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[Dieser Beitrag enthält unbeauftragte Marken- und Produktnennung.]

Sommer, gutes Wetter, gute Laune. Das With Full Force Festival stand vor der Tür.

Nicht nur, dass es mein erstes Festival überhaupt werden sollte, mein Diabetes Monster hatte natürlich auch eine Eintrittskarte.

Die Planung

Ich war super aufgeregt, plante Wochen im Voraus und ging alle möglichen Szenarien durch. Dreifach Katheter für die Pumpe, Batterien, Freestyle Libre Sensoren, Desinfektionsmittel, Tupfer und zur Sicherheit Pens und Teststreifen.

Bald stieß ich auf die Problematik des Kühlens, was das Insulin angeht.

Ich fing an, andere Berichte von Diabetikern zu recherchieren und dort nach Lösungen zu suchen, und fand den Hinweis, das Insulin bei den Sanis abzugeben, die Patronen in nassen Stoff einzuwickeln, spezielle Kühltaschen zu nutzen, oder eine Bastelei mit einem Planschbecken.

Ein Freund, mit dem wir zusammen das Festival besuchen würden, errettete mich: Sein Vater würde eine Kühlbox dabeihaben, die von der Autobatterie beziehungsweise von einem Generator Strom beziehen konnte.

Die Vorbereitung

Den Abend vor unserer Abreise brachten wir Gepäck und ich vor allem mein Insulin bei dem Vater des Freundes vorbei, damit wir nur mit Handgepäck mit dem Zug hinterherfahren könnten.

Es war ein seltsames Gefühl, nicht in der Hand zu haben, ob mein Insulin sicher ankommt.

Quelle: Pixabay

Ich hatte ziemlich Bammel vor all den unbekannten Faktoren, die meinen Blutzucker beeinflussen würden: gänzlich andere körperliche Aktivität, ein anderer Schlaf-„Rhythmus“, anderes Essen, Aufregung…

Ich brachte mein (unbeschadet beim Zeltplatz angelangtes) Insulin noch am ersten Abend zu den Sanis, auch wenn wir es selbst hätten kühlen können. Es wäre schwierig gewesen, in einem Notfall den Autoschlüssel zu bekommen, weil unsere Gruppe sich oft in die „Senioren“ und uns „Junioren“ getrennt hat. Außerdem würde es wohl bei den Sanitätern nicht zu einer Unterbrechung der Kühlung durch Unachtsamkeit oder Stromprobleme kommen.

Ich habe mich bei den Sanis vorgestellt, erklärt, dass ich Typ-1-Diabetiker bin, und konnte ohne Probleme mein Insulin dort lassen. Lediglich Name und Telefonnummer musste drauf, damit es eindeutig zugewiesen und ich erreicht werden könnte, wenn ich es bei der Abreise vergessen sollte.

Endlich startet der Spaß

Alles in allem war ich furchtbar froh, Pumpe und Sensoren dabeizuhaben. Die Basalrate hatte ich auf 60% gesenkt, aber am zweiten Tag wieder auf 75% angehoben. Obwohl es sehr warm war und ich vor allem auf dem Festivalgelände ordentlich ins Schwitzen kam, hatte ich keine Probleme mit dem Halt der Katheter oder der Sensoren. Die Kurven des FreeStyle Libre waren wirklich nützlich, um vorauszuahnen, wohin das Monster als Nächstes springt. Handy zum Scannen, aber auch Messgerät mit ein paar Teststreifen sowie das Maximum an Traubenzucker, was noch in die Bauchtasche gepasst hat, waren immer dabei, sicher ist sicher.

Außerdem habe ich den Sensor zusätzlich durch einen selbsthaftenden Verband gesichert, damit ich nicht im Gedränge irgendwo hängen bleibe. Das hat meist nur einen halben Tag gehalten, sicherer gefühlt habe ich mich damit trotzdem.

Generell hatte ich zwischendurch immer mal mit einzelnen Hypoglykämien zu kämpfen, frustrierend wurde es aber nur im Verlauf des zweiten Tages.

Frustrierende Unterbrechungen

Ich hatte mit übertrieben gründlicher Desinfektion einen neuen Katheter gesetzt (auf so einem Zeltplatz ist es eben doch etwas staubiger und weniger hygienisch als in einem Wohnzimmer). Ich frühstückte, gab den Bolus ab und kontrollierte meine Werte, bevor wir den Zeltplatz verließen: zu hoch.

In der Annahme, dass ich mich beim Essen verschätzt hätte, korrigierte ich entsprechend.

Zwei Stunden später war er auf dem gleichen Niveau und ich korrigierte wieder, kontrollierte erneut zwei Stunden später und stellte genervt und entsetzt fest, dass er nur noch höher gekrabbelt war.

Wir machten uns auf den Weg zurück zum Zelt und ich wechselte den Katheter. Die Ursache des Problems war schnell gefunden, der Katheter war umgeknickt und nicht richtig in die Haut eingedrungen (ich nutze MiniMed Quick Set mit 6-mm-Kunststoffkanülen).

Wieder gab ich eine Korrektur ab und scannte immer wieder den Sensor, gespannt, wann es endlich bergab gehen würde. Kein Erfolg: Der Blutzucker stieg immer weiter und ziemlich gefrustet erneuerte ich den Katheter ein drittes Mal an diesem Tag und fand die gleiche Ursache. Ich fühlte mich so ausgetrocknet, dass ich der Sahara Konkurrenz machte, und verringerte die Wasservorräte rapide.

Weiter geht’s

Doch endlich besserten die Werte sich langsam und nach und nach ging es mir wieder besser. Froh, doch mit den anderen aufbrechen zu können und doch noch ein paar Bands zu sehen (man muss sich Judas Priest ja nicht entgehen lassen, wenn man schon mal die Gelegenheit hat, sie zu sehen), ging es wieder Richtung Bands.
Nach diesen Schwierigkeiten war ich am letzten Tag einfach nur erleichtert, dass die Werte wieder stimmten, gerade weil für diesen Abend meine persönlichen Höhepunkte auf der Running Order standen. An diesem Nachmittag gingen wir sogar kurz im, am Festivalgelände gelegenen, See baden – allerdings nur sehr kurz aufgrund der Wassertemperatur.

Quelle: Pixabay

Das komplette Festival war ich die gefühlt einzige nüchterne Person außerhalb des Personals, hatte damit aber wenig Probleme. Da ich meinen Blutzucker im Zusammenspiel mit Alkohol rein gar nicht mehr einschätzen kann, habe ich mich ohne große Wehmut von vornherein dagegen entschieden. Hydriert zu bleiben und den Diabetes zu managen, war Aufgabe genug.

Weiterhin ohne Zögern habe ich mir die Duschflatrate zugelegt. Einerseits fühle ich mich selbst auf einem Festival wohler, wenn ich die Körperhygiene nicht ganz vernachlässige, zweitens muss man das Infektionsrisiko ja nicht unnötig herausfordern und letztlich waren da auch die saubereren Toiletten mit enthalten.

Planung ist das halbe Leben

Alles in allem kann man sagen, dass es für mein erstes Festival mit Monster im Gepäck akzeptabel gelaufen ist. Ich war heilfroh, so viele Katheter dabeizuhaben, nachdem Tag zwei so schief lief. Und auch wenn die hohen Werte körperlich sehr geschlaucht haben und psychisch belastend waren, hat es sich nicht um einen Fehler meinerseits gehandelt, der vermeidbar gewesen wäre. Schade, dass mir das in dieser Doppelform ausgerechnet während der Veranstaltung passieren musste.

Ich kann nur jedem raten, wirklich mehr als ausreichend Vorräte dabeizuhaben, denn oft ist so eine Veranstaltung nicht direkt vor der Haustür und dementsprechend schwierig würde es sich gestalten, Ersatz in die Finger zu bekommen.

Auch die Alkoholabstinenz ist für mich ein Muss, das ist ohnehin schon immer eine heikle Sache und man weiß nie, wann man in solch riesigen Menschenmassen mal von seinen Freunden getrennt wird. Ich zweifle zwar kaum an der Solidarität, immerhin verbindet dort alle mindestens die Musik und die Stimmung ist generell sehr freundschaftlich und hilfsbereit, aber wie gesagt: Man muss ja kein zusätzliches Risiko eingehen.

Außerdem sollte man immer jemanden an seiner Seite haben, der über deinen Diabetes gut Bescheid weiß, in meinem Fall mein Freund. Der hat mich nicht nur immer mal ans Messen erinnert, sondern erkennt Symptome einer Über- oder Unterzuckerung eventuell mal vor mir selbst, auf jeden Fall aber kann er mich in solchen Momenten unterstützen, mir ein Wasser holen oder einfach auf mich aufpassen, wenn ich zu schlapp durch eine Hypoglykämie bin.

Vor allem aber: nicht vergessen, Spaß zu haben! Denn dafür ist so ein Festival doch schließlich da, und das kleine Monster an der Backe sollte uns dabei nicht im Wege stehen.


Lisa hat Tipps für einen gelungenen Festival-Aufenthalt: Ready to Rumble: Die ultimative Checkliste für die Festivalsaison

7 Kommentare zu “Von Monstern und Metal

  1. Hi Maya & willkommen bei uns.
    Artikel wie deinen geben mir immer wieder Mut, dass doch irgendwie ein “ganz normales Leben” mit Monsterchen möglich ist. Ich weiß nicht, ob ich mir das jetzt schon zutrauen würde – aber irgendwann geht’s für mich auch auf ein Festival :3

    1. Hi Nathalie, danke sehr! 🙂
      Ich bin mit meinem Diabetes auch immer noch etwas auf Kriegsfuß, aber ich lern Schritt für Schritt mich besser damit zu arrangieren. Und ich bin mir hundertprozentig sicher, dass du das du auch bald ein Festival mit Monster meistern kannst 😉 (Und dann kannst du ja gern davon berichten ^-^)

  2. Hallo Maya,

    schön zu lesen :o).
    Ich selbst gehe zwar nicht auf Festivals,aber mein Mann und ich gehen ab und an mal auf Konzerte und das ist schon Streß genug für mich und meinen “Drecksack”, wie ich meinen Diabetes liebevoll nenne.Oft genug bekommt man komische Blicke beim Abtasten zu geworfen und darf dann erstmal alles auspacken und manchmal auch erklären.
    Streßiger wird es wenn man für 2 Zuckerlis,unsere Tochter ist auch Typ 1er, alles zusammen packen darf.Da kommt man sich manchmal schon bei einem Tagesausflug vor als ob man eine Woche in den Urlaub fährt.

    1. Hey Sandra,
      Ja, das viele Gepacke ist schon so eine Sache. Und für noch einen mehr erst recht!
      Ich weiß ja schon Zuhause kaum wohin damit in der kleinen Wohnung. Gerade auf Konzerten find ich es immer doof noch alles für den Notfall am Mann zu haben oder mitten in der Menge irgendwie den Blutzucker zu messen (zumindest ohne Sensoren, denn momentan hab ich keine)
      Ich hab mir für das Festival auch extra eine Bescheinigung vom Arzt geholt, dass ich Nadeln etc bei mir führen muss, falls es da Probleme bei den Kontrollen geben sollte. (Auch wenn ich es am Ende nicht gebraucht hab)

  3. Hallo Maya,

    oh ja das mit dem Platz kennen wir zu gut. Müßen für unsere Tochter eine 2te Kiste anschaffen weil die aktuelle aus allen Nähten platzt *lach*. Das Pumpenzeug nimmt doch mehr Platz weg als mein “Pennerzeug”.

    Lieber etwas zuviel mitschleppen als nachher da ratlos oder hilflos zu stehen,sagen wir uns immer.

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