Nichts muss ich…

Divya musste nicht nur lernen, mit der Krankheit Typ-1-Diabetes umzugehen, sondern auch mit den Reaktionen von Außenstehenden. Warum ihr das immer noch schwerfällt, hat sie aufgeschrieben.

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Kennt ihr das? Es gibt Themen, die beschäftigen einen, verschwinden und tauchen eines Tages wieder auf. So geht es mir gerade und ich möchte versuchen, meine Gedanken hier in ein paar Zeilen wiederzugeben.

6 Jahre ist es nun schon her, dass ich die Diagnose Typ-1-Diabetes bekommen habe. Damals war ich sehr unwissend, das ist ja ganz normal. Die Diagnose war ein großer Schock für mich und ich musste erstmal alleine damit klarkommen. Aber nein, das reicht nicht. Von außen bekam ich Sätze zu hören wie: „Du musst einfach ganz viel Sport machen und dich gesund ernähren, dann geht das wieder weg“, „Jetzt hab dich nicht so“, „Ist doch alles halb so schlimm, immerhin darfst du essen, wenn du im Unterzucker bist“, „Darfst du Zucker essen, ich meine, du hast doch Diabetes?“. Ich sage euch eins: Das tat weh! Ich war frische Patientin, ich hatte keine Kraft, all das zu beantworten.

Warum?

Warum? In diesen Momenten habe ich mich nur das gefragt. Fragen die Leute, weil sie sich Sorgen machen? Oder fragen sie, weil sie tatsächlich mit ihrem Schein-Wissen angeben wollen? Ich weiß es nicht. Es hat mich fertiggemacht, weil ich weder wusste, was genau in meinem Körper jetzt passiert oder eben auch nicht, noch wusste ich, was ich darf und was nicht. Ich wusste, dass alles neu war und mich überforderte.

Es hat lange, sehr lange gedauert, bis ich (ohne eine Träne verdrücken zu müssen) ein normales Gespräch über meinen Diabetes führen konnte. Jedes Mal, wenn mich jemand darauf angesprochen hat, bin ich in Tränen ausgebrochen. Ich wusste in dem Moment nichts mehr. Ich hatte das Gefühl, ich müsse Frage und Antwort stehen und alles zu 100% beantworten. Es war eine schwierige Zeit.

Quelle: Pixabay

Fragen und Rechtfertigungen

Ja, ich bin die Betroffene. In den letzten 6 Jahren habe ich viel gelernt und ich weiß, was ich tun muss, wenn…

  • ich anfange zu zittern,
  • meine Werte dauerhaft zu hoch sind,
  • ich unendlich viel Durst habe…

und ich weiß auch, dass, wenn mein CGM Alarm gibt, ich etwas essen soll. Mache ich auch. Dass es dann nochmal Alarm von sich gibt, weil der Zucker nicht so schnell ansteigt, ist auch normal. Ich denke auch, dass es okay ist, im Unterzucker mal zickig zu sein oder gerade mal keine Hilfe zu benötigen. Wenn dann aber ständig kommt „Divya, iss was“, „Divya, hast du etwa Unterzucker?“, „Hast du alles im Griff?“, kommt es durchaus vor, dass ich mal wütend werde und mich nicht unter Kontrolle habe. Ist das denn schlimm? Muss ich mich danach immer rechtfertigen oder erklären? Ja, es ist anstregend. Ja, ich wünschte auch, es würde immer alles glattlaufen, und jaaaa, du hast recht, dass ich im Unterzucker bin, und nein, ich brauche deine Hilfe jetzt gerade nicht. Ständig muss man Fragen beantworten. Puuuuh.

Bin ich ein schlechter Mensch?

Ich versuche, immer rücksichtsvoll zu sein, aber manchmal überkommen mich meine Emotionen – es tut mir dann auch leid. Schwierig wird es dann, wenn ich im Nachhinein alles auf mich schiebe und mich als schlechten Menschen darstelle, weil ich jetzt eben die Person angezickt habe oder sonst blöd angegangen bin.

Könnt ihr, die nicht davon betroffen sind, euch vorstellen, wie es mir geht? Und an die Betroffenen: Geht es euch auch so? Erzählt mal, wie ihr damit umgeht.

Dieser Beitrag ist jedoch kein Vorwurf an euch, die uns Diabetikern helfen, wenn der Alarm klingelt oder es uns nicht gut geht. Danke, dass ihr da seid und euch die Zeit nehmt, uns und unsere Krankheit/Einschränkung kennenzulernen. Habt Verständnis, dass es manchmal einfach der falsche Zeitpunkt ist oder auch, wenn ihr helfen wollt, eure Hilfe nicht gebraucht/gewollt wird.

DANKE

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