Interview: Das Leben mit einer Dia-Schwester

Annika hat einen Bruder; als Geschwisterkind und Typ-Fler (F steht für: Familie) musste auch er manchmal zurückstecken. Wie man sich als Bruder einer Typ-1-Diabetikerin fühlt, hat Annika für euch im Interview herausgefunden.

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Ich habe mir mal überlegt, wie das eigentlich alles (damals wie heute) für meinen Bruder ist mit dem Diabetes. Also habe ich mir meinen „Bubi“ geschnappt und habe ihn ein wenig interviewt.   Wer bist du? Ich bin Lars, Typ-Fler und 14 Jahre alt.   Kannst du dich an die Diagnose erinnern? Sehr schwammig, da ich 6 Jahre alt war. Ich wusste nicht, was Diabetes genau ist, und war verunsichert. (Lars hat damals ganz viel gefragt, unter anderem, ob „Die Abetis“ wieder weggeht 🙂   Wie war das damals für dich? Ich konnte das damals nicht wirklich einschätzen, weil ich nicht wusste, was das ist, ob das wieder weggeht, und habe mich, plump ausgedrückt, dumm gefühlt. (Bei dem Gespräch habe ich meinem kleinen Bruder dann noch einmal klargemacht, dass man mit 6 Jahren nicht alles wissen muss 😉 )   Wie hast du dich gefühlt, wenn ich ins Krankenhaus musste, weil ich es ignoriert habe oder so? Ich hatte dieses doofe Gefühl, wenn jemand ins Krankenhaus muss, dieses Mitleidsgefühl. Leicht panisch, weil ich meist gar nicht wusste, was los war. Später war es „leichte Routine“. Ich wusste: „Annika ist im Krankenhaus und wird da versorgt.“ Bild 1 Eines der vielen Bilder, die Lars mir bei der Diagnose im Krankenhaus geschenkt hat. „Die Abetis“ 🙂   Wie hast du die Entgleisung 2014 in Erinnerung? Ich kann mich erinnern, dass du dich in dieser Zeit sehr abgeschottet hast. Ich habe dich kaum gesehen. Entweder warst du in der Schule, im Stall oder in deinem Zimmer. Als du dann ins Krankenhaus musstest, war ich ziemlich geschockt, da ich als kleiner Bruder deine Werte und dein Wohlbefinden nicht kannte.   Und wie war es für dich, als ich ins Heim gezogen bin? Einerseits ist da ständig dieser Geschwister-Konkurrenzkampf. Der eine will immer besser sein als der andere. Zuerst, muss ich gestehen, habe ich gedacht: YEEES, nun habe ich meine Eltern für mich alleine. Dass das aber ziemlich blöd ist, habe ich nach ca. 2 Wochen gemerkt. Ich habe dich vermisst und die alleinige Aufmerksamkeit ist sowieso blöd. Die Entfernung war oft kacke, aber ich glaube, dadurch ist dieses super Verhältnis, welches wir jetzt haben, entstanden. (Ich habe eine Situation noch genau vor Augen und immer, wenn ich daran denke, bekomme ich einen Kloß im Hals. Damals war ich gerade frisch umgezogen und war ein paar Tage in der Schule. Dort fand ich alles blöd. Ich vermisste meine alte Schule, meine Lehrer, aber vor allem meine beste Freundin. Ich musste dauernd in den Stunden auf die Toilette, weil ich weinen musste. Irgendwann schrieb mein Bruder mir: „Anni ich hab dich lieb♥ und ich vermisse dich ganz doll! :-(“ Da war es dann vorbei und ich musste in der Klasse heulen. Als ich das Bubi bei diesem Gespräch erzählte, erinnerte er mich daran, dass es die Zeit war, in der wir uns mit Herzchen und Heulsmileys zugespamt hatten 🙂 )   Was hast du gedacht, als du erfahren hast, dass ich blogge? Ich war begeistert von der Idee. Ich wusste, was ein Blog ist und was man eventuell erreichen kann. Und ich finde Deinen Blog schon ziemlich cool! Vor allem finde ich solche Blogs schon ziemlich wichtig, da ich der Meinung bin, dass man nicht nur die Predigten und die Schulungen eines Arztes hören sollte, sondern auch Kontakt mit anderen Betroffenen pflegen sollte. Und wenn es nur das Lesen solcher Blogs ist 🙂   Ist es o.k. für dich, wie ich damit in der Öffentlichkeit umgehe? Ja, auf jeden Fall. Ich finde, es sollten mehr Menschen mit Diabetes so mit der Krankheit umgehen. Sie zu verstecken, bringt doch nichts, sie ist doch trotzdem da?! Du klärst Menschen auf, wenn sie dich auf den „An-und-Aus-Knopf“ am Arm oder den Herzschrittmacher an deinem Pulli ansprechen. Wie oft haben wir das schon erlebt, dass Menschen den Unterschied zwischen Typ 1, Typ 2 und Co nicht kennen?! Bild 2 Immer und immer wieder liebe Gute Besserungswünsche bekam ich von meinem kleinen Bruder. Und alle habe ich sie in einer Kiste behalten 🙂   Und wie gehst du mit dem Diabetes um? Ich würde sagen, ich bin ziemlich offen gegenüber der Krankheit. Ich kläre Leute mit falschem Wissen gerne auf, habe keine Probleme mit deinen sichtbaren Utensilien oder unterhalte mich mit meinen beiden Klassenkameradinnen. Die beiden haben auch Diabetes und wir machen Witze (Achtung Flachwitz! Es regnet, ich sage: „Ihr seid ja nicht aus Zucker.“ Haha:D ) oder reden über „pinke Bomben“, „An-und-Aus-Knöpfe“, Herzschrittmacher in Lila etc…   Musstest du wegen des Diabetes schon mal zurückstecken? Ja. Früher hattest du oft wegen des Diabetes die Aufmerksamkeit. Da hab ich gerade voll das coole Bild gemalt oder ein hammercooles Auto aus Lego-Steinen gebaut und will es Mama oder Papa zeigen, da bist du unterzuckert, überzuckert oder Mama legt dir gerade den Katheter. Heute ist es dann eher so, dass ich etwas aus der Schule erzählen will, du Mama oder Papa gerade mit Diabetes-Sachen zuquatschst. Aber ich glaube, das ist unter Geschwistern normal. Das soll jetzt auf keinen Fall egoistisch klingen!   Irgendwas, was du der lieben Dia-Sau sagen möchtest? Ich finde es nicht besonders gut, dass du in unser Leben gekommen bist, aber mittlerweile ist es nicht mehr schlimm. Wir haben alle viel durch dich gelernt und mittlerweile kann ich sehr gut mit dir leben, da kann ich wohl auch für Anni sprechen. Trotz der coolen Sachen, die wir schon mit dir erlebt haben, bist du ab und an doch ziemlich nervig und stressig.    Danke, mein kleines Bubilein, für Deine Offenheit! Danke, dass du mir immer bei technischen Sachen hilfst. Danke, dass es dich gibt!   Ich hoffe, der kleine Einblick in das Leben eines Typ-F-Geschwisterkindes hat euch gefallen 🙂

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