Insulin vergessen im Urlaub: Was tun im Worst Case?

Unterwegs in Japan. Ramona zieht von einer Airbnb-Unterkunft in die nächste. Eine entscheidende Sache hat sie aber im Kühlschrank der ersten Wohnung vergessen … Das Abenteuer beginnt.

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Insulin vergessen? So doof kann man als Diabetiker doch gar nicht sein, gerade im Urlaub, wo der nächste Arzt samt Apotheke ja meistens nicht gleich um die Ecke liegt. Ja, so dachte ich auch – aber fangen wir von vorne an.

Hurra, ein Kühlschrank!

Während unserer Japanreise wollten wir möglichst viele Städte sehen und wechselten die Wohnun­gen, die wir über AirBnb gebucht hatten, entsprechend alle paar Tage. In der ersten Wohnung in Tokyo erblickten meine müden Augen kurz nach der Ankunft prompt einen Kühlschrank: Klasse, da kann ich ja mein Insulin lagern und muss nicht alle paar Tage die Frio-Taschen wässern. Der aufmerksame Leser ahnt schon, wohin die Reise geht… Glückskatze

Wo ist mein Insulin?

Zeitsprung ein paar Tage nach vorne. Der Urlaub verlief klasse, wir waren mittlerweile in Kyoto angekommen, alles war in bester Ordnung – bis ich irgendwann abends mitten auf der Kreuzung stehen blieb und mir siedend heiß einfiel: Oh Gott, mein Insulin liegt noch im Kühlschrank der ersten Wohnung! Obwohl ich gefühlt hundert Mal alles kontrolliert hatte, ist mir nicht aufgefallen, dass ich quasi das Wichtigste einfach liegen ließ. Nur, weil es außerhalb meines Sichtfeldes war! Ich war sauer, sehr sauer auf mich selbst und meine eigene Dummheit und mittlerweile auch etwas panisch. Gottseidank hatte ich die Ampulle kurz vor der Abreise nach Kyoto noch gewechselt und somit erstmal genug Insulin zur Verfügung, um die nächsten Tage überbrücken zu können.

Ruhe bewahren – oder es zumindest versuchen…

Hektisches Googeln brachte mir immerhin die Information ein, dass Insulin auch in Japan verschrei­bungspflichtig und nur über den Arzt zu bekommen ist. Aber jetzt das nächste englischsprachige Krankenhaus aufsuchen, alles erklären und teures Insulin kaufen? Nein, ich wollte mein Insulin wie­derhaben, und meine teuren Frio-Taschen! Ich rief den Vermieter der ersten Wohnung an und… er sprach kaum Englisch. Na klasse. Auch nach geschlagenen 25 Minuten am Telefon kam ich nicht wei­ter und schickte ihm über AirBnB eine Nachricht, versehen mit den japanischen Begriffen für „Diabe­tes“ und „Insulin“ – endlich verstand er, bot mir sofort an, danach zu suchen und sendete mir eine Liste mit englischsprachigen Krankenhäusern in meiner Nähe. Sehr hilfsbereit, diese Japaner! Gesundheitspass Diabetes Ich hatte aber wenig Lust, mir die Sache mit dem Krankenhaus und den Ärzten anzutun – gerade im Ausland. Und wie bereits erwähnt, wollte ich eben mein Insulin wieder haben – also plante ich in der Zwischenzeit, wie ich mit meinem Restinsulin den Urlaub überstehen könnte: Wenig essen, möglichst kohlenhydratarm, und viel laufen – sollte klappen. Ganz wohl war mir bei der Sache nicht, aber ich hätte den Urlaub, wenn auch knapp und bestimmt mit hohen Werten, auf diese Weise überstanden. Am nächsten Tag jedoch endlich die erlösende Nachricht: Der Vermieter hatte mein Insulin gefunden und ich konnte es mir abholen, sobald ich wieder in Tokyo war! Kein Arzt, kein Krankenhaus, kein Hindernislauf, um neues Insulin zu bekommen. Mir fiel im wahrsten Sinne des Wortes ein Stein vom Herzen und einen Tag später hielt ich mein Insulin unversehrt wieder in den Händen.

Was lernen wir also aus dieser Sache?

  • Schau lieber einmal zu viel als einmal zu wenig nach, ob WIRKLICH alles da ist!
  • Leg Sachen nicht dorthin, wo sie außer Sichtweite sind, wenn du den Ort bald wieder verlas­sen musst.
  • Informiere dich im Vorfeld, wie und wo du in deinem Zielland an Insulin kommst.
  • Schreibe dir die Adressen von englischsprachigen Krankenhäusern und Ärzten in der Umge­bung auf.
  • Falls die Medikamente frei verkäuflich sind: genug (Bar-)Geld dabeihaben!

6 Kommentare zu “Insulin vergessen im Urlaub: Was tun im Worst Case?

  1. Das ist der Hammer, echt toll und souverän gelöst! Kein Nicht-Diabetiker kann sich so eine Situation wirklich vorstellen. Man kann eben nicht mal kurz an die Tanke gehen und sich Insulin sie wie eine Zahnbürste, die man vergessen hat, einfach so kaufen.
    Hut ab vor der alltäglichen zusätzlichen Leistung!!
    LG Conny Bartzok

    1. Hallo Conny! Ja, es hat mich wirklich einiges an Nerven gekostet – und in dem Moment in der Situation zu sein, ist auch noch 1000 Mal schlimmer, als es im Nachhinein klingt oder war 😀 Das wird mir (hoffentlich!) nicht noch einmal passieren…

  2. Hallo Ramona,

    Ich komme auf Reisen recht selten in Zimmer mit Kühlschrank, wenn aber doch, dann lagere ich mein Insulin sicher nicht im Kühlschrank. Bier, das ich irgendwo auf der Straße gekauft habe, lagere ich dann natürlich schon im Kühlschrank. Ich weiß nicht, wie oft das Bier dann tiefgefroren war, als ich es aus dem Kühlschrank genommen habe. Bei Bier ist das nicht tragisch, beim Insulin eher schon.

    Auf der anderen Seite benötigst du keine Kühlung für dein Insulin, auch nicht in den heißesten Teilen unserer Erde, besonders dann, wenn du weniger als ein halbes Jahr unterwegs bist. Alle Langzeit-Backpacker sind ohne Insulin-Kühlung unterwegs. Das Insulin verliert zwar an Wirkung, aber so wenig, dass du es im ersten halben Jahr gar nicht merken wirst, etwa 1 Prozent pro Monat. Auch danach ist es nicht kaputt, es wird nur der Wirkungsverlust bereits bemerkbar. Diesen kannst du aber durch Dosisanpassung ausgleichen. Die Frio-Taschen haben eigentlich keinen Nutzen fürs Reisen. Sie sind eher lästig und etwas sperrig. Dadurch auch etwas unsicher. Du kannst sie nicht direkt am Körper tragen, musst sie in eine Gepäckstück verstauen, und dieses kann leichter wegkommen, als wenn du dein Insulin am Körper trägst, zumindest eine Ration für 10-15 Tage. Es ist auch leichter, einem Reisekameraden 2 Ampullen und 2 Einmalspritzen als Backup zu geben, die Frio-Taschen wären für den Kameraden schon eine gewisse Zumutung.

    Solange größere Städte leicht erreichbar sind, wirst du ziemlich überall an Insulin rankommen, zumindest irgendein Insulin. Du bist also nicht verloren, es kostet nur Geld. Beim Trekking, Radtrekking oder in entlegenen Gebirgsregionen kann es schon vorkommen, dass du die nächste Zivilisation erst nach etlichen Tagen erreichst. Da ist es dann sehr sinnvoll, dass du eine Notration für mehrere Tage mit 2 Einmalspritzen (oder Pen), die du ja öfter verwenden kannst, direkt am Körper trägst.

    Es gibt nur noch wenige Länder, wo du größere Mengen an Bargeld, für Insulin-Nachkauf oder andere Notfälle, tatsächlich mitschleppen musst. Mit den gängigen Kreditkarten kannst du in fast allen Ländern Geld beheben, in den meisten Ländern reicht sogar die Bank-Karte. Natürlich muss man sich vorher informieren, wo man keine Karten benutzen kann.

    Liebe Grüße
    Geri

    1. Hey Geri!
      Vielen Dank für deine lange und ausführliche Antwort!

      Bisher habe ich Hotelkühlschränke immer ganz gern genutzt, die sind aber ja meist auch vorher gefüllt und man sieht, ob etwas gefriert oder nicht. Da ging immer alles gut!

      Mit dem Frio-Taschen muss ich aber widersprechen, die sind für mich wirklich DAS Mittelchen auf Reisen, um mein Insulin – zumindest fürs Gewissen – kühl zu halten. In Dubai hätte ich bei sagenhaften 43 Grad tagsüber nicht mein Insulin ungekühlt in die Handtasche geschmissen. Sicher ist es doch etwas “robuster”, als uns die Hersteller erzählen – aber man muss ja als Hersteller auch vom dümmsten anzunehmenden Nutzer ausgehen 😛 Ich kenne auch keinen Langzeit-Backpacker, der ohne Kühltäschchen unterwegs ist. Für mich ist Backpacken aber eh nichts, von dem her hat sich die Frage zumindest bisher noch nicht gestellt 🙂

  3. Hallo Ramona, ich gebe dir völlig recht, dass Frio Taschen beim Reisen einfach super sind. Wir fliegen öfter zu unseren Kindern nach Shanghai. Da wäre mir mein Insulin einfach nur im Rucksack ohne Kühlung zu schade. Ich habe auch immer eine Liste der mitzunehmenden Sachen. Da ich schon etwas älter bin, wäre mir der Stress Insulin oder Zubehör für meine Pumpe besorgen zu müssen einfach sehr lästig. Und meine Kinder möchte ich damit auch nicht belästigen.☺

  4. Hallo Ramona, ich kann deine Empfehlungen nur bestätigen! Ich bin Mutter einer 8-jährigem Diabetikerin und uns ist eben dasselbe wie dir bei einer kleinen Rundreise durch Israel passiert. Trotz mehrmaliger Prüfung haben wir das Insulin mit der Frio Tasche im ersten Hotel vergessen und natürlich erst zu spät bemerkt. Glücklicherweise haben wir erst einen Tag davor eine neue Ampulle in die Pumpe gefüllt, sodass das Insulin bis zu unserer Ankunft in D reichen müsste. Nun ist es etwas schwierig, ein Kind im Urlaub auf „Diät“ zu setzen, also jegliche Insulinpflichtigen Lebensmittel stark einzuschränken. Wie es manchmal so kommt passierte kurz vor der Abreise ein Missgeschick: als wir die Ampulle bei einer Sichtprpfung herausnahmen, drehten wir sie nicht wieder richtig rein und das Kind bekam kein Insulin was gleich zu einem überhöhten BZ Wert führte. Als wir dies merkten und einen Leerlauf starteten ließ sich der Katheter danach nicht mehr verschließen. Wir fuhren panisch ins Krankenhaus (hatten davor in der Apotheke noch einmal persönlich gesagt bestätigt bekommen, dass wir das Insulin nur mir Rezept bekommen) wo man uns nach einigem Hin und Her ein Rezept für unser Insulin gab was wir in einer Apotheke abholen konnten. Den Bus zum Flughafen ein paar hundert Kilometer verpassten wir und fuhren nachts mit dem Taxi hin, aber Hauptsache, der Kleinen ging‘s wieder gut. Das Ganze hat uns natürlich einiges gekostet. Unserem Kind geht es wieder gut und das ist das Wichtigste. Wir haben gesehen, dass es selbst in einem „Erste-Welt-Land“ nicht so einfach ist, schnell an Insulin zu kommen.

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