Gedanken an meine Zukunft mit Typ-1-Diabetes

Olli hat mal wieder nachgedacht, nicht über ihre alltäglichen „to do“-Aufgaben oder um wie viel Uhr sie am nächsten Tag aufstehen muss, nein, viel weiter. Sie hat an und über ihre bevorstehende Zukunft mit ihrer Typ-1-Diabetes-Erkrankung gedacht und nachgedacht und so für euch einmal niedergeschrieben.

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Ich bin jetzt 23 Jahre alt, jetzt genau zu diesem Zeitpunkt. In diesem Jahre habe ich mein 13-jähriges Diabetes Jubiläum gefeiert. Das bedeutet, dass ich mittlerweile schon über die Hälfte meines Lebens Typ-1-Diabetikerin bin. So bewusst habe ich das über die vergangenen Jahre gar nicht wahrgenommen, dass ich die Krankheit doch schon so lange habe. Ich finde es aber auch wiederum nicht schlimm, dass ich es nur unbewusst wahrgenommen habe. Das war gut so. Schließlich habe ich mich ja immer gut um meine Krankheit und meine Gesundheit gekümmert und den Diabetes jetzt nicht links liegen gelassen. Jetzt mache ich mir aber in der letzten Zeit, hin und wieder, mal mehr, mal weniger Gedanken über meine Zukunft. Meine Eltern hätten sich dies sicherlich schon zu Schulzeiten so gewünscht, aber damals war man jung und frei und die Zukunft und das, was wohl kommen mag, war definitiv keinen Gedanken wert. (Jaja, ich weiß, ich bin mit 23 Jahren auch immer noch jung und frei, aber ihr wisst bestimmt, was ich meine. Mit 15/16 Jahren hatte ich tatsächlich keinen Schimmer, wie meine Zukunft einmal aussehen soll, geschweige denn, was ich gerne einmal werden möchte. Aber glücklicherweise werden wir alle früher oder später dann doch noch groß, stark und erwachsen ;-).)

Zeiten ändern sich und ich mich auch

Doch Zeiten ändern sich nun mal und Gedankengänge anscheinend auch. So denke ich darüber nach, wo ich mich wohl in 50 Jahren befinde. Vielleicht in Italien in einer kleinen Finca, in Meeresnähe, mit Hund, Mann und Messgerät. Vielleicht sitze ich aber auch hier in Deutschland, bin mal wieder gerade umgezogen, noch in kein Altersheim, aber vielleicht altersgerechter, in einen Bungalow, an einem See, mit Hamster, Einrichtung und Insulinpumpe. Man merkt: Ich bin leicht wasseraffin, was mein zukünftiges Wohnen betrifft. Doch egal, wo ich wohl einmal wohnen werde, mit welchen Tieren und Menschen zusammen oder ob ganz altmodisch als „Single-Haushalt“, viel mehr Gedanken als um meine wohnliche Situation mache ich mir über meine gesundheitliche. Also besser gesagt, um meinen Diabetes. Welcher mich in einem tollen Alter von 73 Jahren (also 2067) schon ganze 62 Jahre begleitet und mich dann wohl mehr oder minder nervt.

Wie wird es werden, später einmal in der Zukunft?

Wie wird das dann wohl sein? Werde ich so zerstochene Haut haben, dass es schwer sein wird, noch geeignete Kathetersetzstellen zu finden? Habe ich vielleicht einen Tatterich und bekomme es gar nicht mehr gebacken, mir selbst nur irgendetwas zu setzen? (In dem Fall hoffe ich bei einem „Single-Haushalts-Dasein“ natürlich auf einen jungen, netten Pfleger, den ich täglich begrüßen darf, haha. ;-)) Doch nehmen wir jetzt einmal den Spaß beiseite, auch wenn man immer positiv in die Zukunft blicken soll, so herrscht in mir weiterhin eine mulmige Stimmung. Klar geht vieles jetzt noch super, doch auch jetzt schaue ich mir meine Finger nach einem Schwimmbadbesuch an und denke mir: „Holla die Waldfee, das könnte man auch als Mondkraterlandschaft für Filme benutzen.“ Denn das ist die Realität meiner Krankheit. Jeder Piks, jede Einstichstelle verändert meinen Körper, mein Gewebe, meine Haut. Andere Menschen bekamen evtl. 5x Blut in ihrem Leben abgenommen, da sieht man, wenn es gut läuft, nur unter einer Lupe kleine Einstichstellen. Bei uns Typ-1-Diabetikern, die dies 3-4x im Jahr machen, sieht man jetzt schon die kleinen Einstichstellen in den Armen, ohne Lupe. Das ist zwar weiterhin nicht schlimm, die wachsende Anzahl der kleinen Punkte auf den Fingern, die Einstichstellen in Armen und am Körper. Doch wir altern und die Zeit bleibt nicht stehen. Geschweige denn wird der Körper mit seinen Wehwehchen und der Spannkraft in zunehmendem Alter eher abnehmend. Darüber mache ich mir Gedanken, aber auch darüber, wie das eben alles so klappt und funktioniert. Ich bezweifle nicht, dass sich die Technik in den nächsten Jahren noch grandios entwickeln wird. Viel eher denke ich, dass wir uns da sogar auf einige tolle Sachen freuen dürfen, schon allein, wenn ich mal an ein „Closed-Loop“-System denke. Das ist ein riesiger Fortschritt, für die Betroffenen, aber auch für die Industrie und Wissenschaft. Die letzten Jahre ist viel passiert und die nächsten Jahre wird meiner Meinung (bzw. meiner Hoffnung nach) noch einiges passieren.

Die Diabetes-Erkrankung hinterlässt ihre Spuren

Doch die Spuren der letzten Jahre sind dann doch nicht einfach so vergessen. Unser Körper merkt sich so einiges, auch wenn uns das nicht immer bewusst ist, geschweige denn wir es noch nicht einmal sehen können. Deswegen ist es ja auch so wichtig, dass wir unser Kraftwerk des Lebens (welch poetischer Ausdruck), also unseren Körper und die von ihm vollbrachten Leistungen, schätzen und lieben. Doch das ist ein ganz anderes, wichtiges Thema. Zurück also ins Hier und Jetzt und zum Thema dieses Beitrags: Gedanken an meine Zukunft mit Typ-1-Diabetes. Klar, vielleicht gibt’s tolle Erfindungen, wenn ich meinen 50sten Geburtstag feiere. Vielleicht trage ich dann eine hochintelligente Kontaktlinse und muss nur noch mit meinen Geräten reden, um ihnen Anweisungen zu geben. Und sollte mich dann jemand fragen, ob ich denn nicht noch meinen Blutzucker messen müsse, würde ich da sitzen, leicht vor mich hin säuseln und lächelnd an die vergangenen Zeiten denken. An die Zeiten (die momentan aktuell sind), an denen mein Tag tatsächlich zu wenigen Minuten aus Blutzuckermessen und Kontrollieren bestand. Das ist ja alles schön und fein und ich wünsche uns allen, egal ob Newcomer im Diabetes-Geschäft, alter Hase oder gerade eingespielter Diabetes-Team-Player, dass so die Zukunft einmal aussehen wird, mit den neuesten Techniken und Hilfsmitteln. Aber alle die, die noch mit Messen, Stechen, und Piksen groß geworden sind, die werden ebenfalls wie ich so einige Löcher, Narben und Pünktchen vorweisen können. Pünktchen, Narben und Löcher, die den Körper (mit eingeschlossen die Haut) so ganz schön strapaziert haben. Auch unsere Organe leiden, unter zu hohen Blutzuckerwerten, unsere Gefäße ebenfalls und unser Herz hatte auch so einiges mehr zu tun. Sei es bei einer anhaltenden Hypoglykämie oder wenn es „viel zu dickes Blut“ pumpen musste.

Die allzeit positive Einstellung und Hoffnung

Wie kann ich also im Blick auf meine Erkrankung positiv in die Zukunft schauen, wenn ich weiß, dass die letzten Jahre ja schon ihre Spuren hinterlassen haben? Ich habe einfach Hoffnung. Hoffnung, dass ich noch viele Jahre tolle Ecken, Kanten, Flächen und Fleckchen finden werde, wo ich meinen Katheter setzen kann. Das meine Finger weiterhin so gut mitspielen und sich auch im Alter nicht großartig verändern werden, bis auf die Schrumpelhaut, die aber sowieso vorprogrammiert ist. Auch, das meine Organe weiterhin flott funktionieren, von mir aus nicht mehr auf „High Speed“ und als wäre ich süße 16 Jahre alt (ich glaube, das wäre auch zu viel verlangt für die Organe einer 73-Jährigen), aber dass sie eben noch pumpen und filtern und leiten und spülen. Eben den guten Sinn und Zweck erfüllen, weshalb sie in mir und uns allen drin sind. Und dass es eben alles noch klappt mit der Geräte-Bedienung, dem Piksen und dem Stechen. Hoffen wir es einfach und lassen uns nicht abbringen. Wo immer wir sein werden mit Anfang/Mitte 70, wer immer wir sein werden, ob Rockstar, Urgroßmutter/Vater oder Imker/in aus Leidenschaft, behandeln wir unsere Piks-, Stech- und Setzstellen gut und haben sowohl immer ein Auge auf den Blutzucker, die Organe und Arterien, dann wird das schon. Zur Not muss halt doch ein netter, gutaussehender Pfleger her, sollte das alleine nicht mehr klappen und man bis dato weiterhin offen für Gesellschaft in seinem Leben ist. Die schlimmste Option wäre es definitiv nicht. 😉 Jetzt schreibt mir doch gerne einmal, als Kommentar unter diesen Beitrag hier, ob ich denn die einzige verrückte Nudel bin, die sich jetzt schon Gedanken über die Zukunft in Betracht auf den Diabetes macht? Oder ob euch auch manchmal solche Überlegungen durch den Kopf schwirren oder schon einmal geschwirrt sind? Und kommentiert gerne auch allgemein, wie ihr das Thema Diabetes in der Zukunft so seht. Seid ihr eher #teamnetterpfleger oder #teamichglaubeandiewissenschaft und dann funktioniert das alles von alleine? Ich bin gespannt, von euch zu lesen!

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