Spaßbremse oder Wegweiser? Beides oder irgendetwas dazwischen? Annika macht ihrem Diabetes eine Liebeserklärung und erklärt, warum ihr Diabetes mehr als eine Krankheit ist.
Lieber Diabetes, ich glaube, wir kennen uns nun schon gut genug, um mal direkt und geraderaus das zu sagen, was uns am anderen stört. Manchmal wünschte ich, du würdest es mir nämlich geraderaus sagen, damit ich auch genau das machen kann, was du gerne hättest – oder es zumindest weiß und dann abwägen kann, was mir lieber ist. Dein Wille oder meiner. In den meisten Fällen aber muss ich für uns beide denken. Nicht immer einfach irgendwie.
Manchmal bist du verdammt fies und ungerecht!
Es gibt Tage, da würde ich dich am liebsten vom Leib reißen und im hohen Bogen, mit all meiner Kraft, aus dem Fenster werfen. Oder in einen Koffer packen und einfach ohne Absender weit, weit weg schicken. Es gibt Tage, da bekommst du mich und meine positive Einstellung zum Leben sogar so weit, dass ich gar nicht mehr weiter weiß und am liebsten nie wieder aufstehen und weitermachen will. Weißt du, lieber Diabetes, ich frage mich oft, warum du dir ausgerechnet mich ausgesucht hast. Warum wir uns beide tagtäglich durchs Leben kämpfen und oft auch gegeneinander, weil das Leben ja sonst viel zu leicht und unbeschwert wäre. Um ehrlich zu sein, manchmal bist du verdammt fies und ungerecht. Und manchmal eine richtige Spaßbremse und Mimose. Doch… Doch habe ich dir schon einmal gesagt, was du alles Wundervolles mit mir und mit meinem Leben gemacht hast?! Du hast mir beigebracht, dass jeder Mensch einzigartig und besonders ist. Egal ob krank oder gesund, jung oder alt, schwach, stumm oder von der Gesellschaft an den Rand getrieben. Früher war mir das nicht klar. Wie wertvoll auch Menschen sind, die nicht „genügend leisten“ in den Augen der Gesellschaft. Durch dich weiß ich, dass hinter jeder Hülle, jedem Lächeln und jeder Falte eine Geschichte steht. Dass eine Krankheit nicht das Ende der Welt bedeutet, sondern nur ein weiteres Kapitel und eine Aufgabe. Jeder hat ein Päckchen zu tragen. Bei mir hängt es inzwischen am Gürtel, festgeklebt an meiner Haut. Bei manchem ist es einfach ein bisschen tiefer versteckt.Schritt für Schritt
Ich habe durch dich gelernt, geduldig zu sein. Mit mir und anderen. Nicht aufzugeben, wenn es einmal nicht so funktioniert wie geplant. Heute halten wir in solchen Situationen einfach beide noch einmal an und beginnen von vorne. So oft und so schnell, wie es eben geht. In unserem Tempo – Schritt für Schritt.
Danke, dass ich den Weg nicht alleine gehen muss.
Du hast aus mir einen Kämpfer gemacht. Bärenstark und dennoch mitfühlend und umsichtig mit der Welt. Du bist kein Hindernis oder Klotz am Bein, auch wenn ich das gerne sage und dir für alles die Schuld in die Schuhe schieben will. (Okay – sagen wir, wir sind beide ein bisschen daran schuld. Ganz unschuldig will ich dich dann doch nicht darstellen.) Die meiste Zeit bist du mein Wegweiser und Begleiter. In Richtung Glück und innerer Zufriedenheit. Du gibst dich eben nicht halbherzig mit dem Erstbesten zufrieden und hältst aus, was auszuhalten ist. Durch dich gebe ich nicht auf, nach meinem Glück und meiner inneren Zufriedenheit zu suchen. Nach dem Weg, auf dem ich noch einige Abenteuer durchleben werde, bis ich dort bin, wo ich hingehöre. Danke, dass ich den Weg nicht alleine gehen muss. Dass du mich jedes Mal aufs Neue darauf aufmerksam machst.

Auch Yvonne sieht ihren Diabetes als ganz besonderen Begleiter: Mein Diabetes und ich – an den meisten Tagen sind wir Freunde
Sehr schön, liebe Yvonne, das kann ich uneingeschränkt unterschreiben und ergänzen:
Lieber Diabetes, ohne Dich wäre mein Leben sicher anders verlaufen, aber ich bin HEUTE froh darum, dass es genau so verlaufen ist.
Durch Dich bin ich eine andere geworden, eine, auf die ich stolz bin.
Dich habe ich Selbst-Bewusstsein, Gelassenheit und Stärke gelernt.
Durch Dich habe ich die wichtigsten und besten Menschen in meinem Leben kennengelernt. Durch Dich habe ich gelernt, über meinen Tellerrand hinauszugucken.
Danke!
Hallo Yvonne,
hallo Sabine,
genau diese Einstellung, zur Diabetes, ist die Richtige!
Ich beneide euch darum!
Mir gelingt das leider nicht so.
Ich bin eine sehr lange Zeit ohne Typ 1 gut ausgekommen.
Die neue Lebens- Orientierung war schon heftig.
Aber es hätte noch viel schlimmer werden können, ist mein Trost in trostlosen Stunden.