Antibabypille abgesetzt – wie reagierte mein Diabetes Typ 1 darauf?

Olli hat sich im Sommer 2019 dazu entschieden, die Antibabypille abzusetzen. Im Vorfeld hätte sie nie gedacht, dass dieser Schritt eine so große Veränderung mit sich bringt. Auch mit dem besonderen Augenmerk auf ihren Diabetes. Was genau seitdem passiert ist, lest ihr im folgenden Beitrag.

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Wie gerne würde ich die Zeit manchmal vergessen. So sehr ich auch an Erinnerungen hänge, es gibt da einige wenige gesundheitliche, die ich mehr oder minder verdrängen wollen würde. Auch wenn ich jetzt im Nachgang sagen kann: ist ja noch einmal gut gegangen.

Quelle: pixabay

Vorweg: Dies ist keine Story, die jungen und sogleich Frauen jenen Alters Sorge bereiten soll. Dies ist lediglich meine Geschichte. Meine Geschichte über das Absetzen der Antibabypille im Jahre 2019 und die Erzählung, was es mit meinem Diabetes und natürlich zugleich mit mir gemacht hat.

Nach elf Jahren die Pille absetzen, kann das gut gehen?

Elf ganze Jahre habe ich die Pille genommen. Damals im Alter von 14 Jahren bekam ich sie verschrieben. Einzig und allein aus dem Grund, dass ich Monat für Monat dachte, ich würde umkommen in der Woche, in welcher mein Körper sein Ding tat, nämlich menstruieren. Regelmäßig musste man mich von der Schule abholen oder ich blieb gleich zuhause. Einen „leichten“ Zyklus hatte ich nie. Und sich als 14-jähriges, eher zurückhaltendes junges Mädchen neben Pubertät, Schule, Leistungssport und Diabetes auch noch regelmäßig Gedanken machen zu müssen, eventuell irgendwo „durchzubluten“, das überstieg grundsätzlich meine vorhandenen Aufmerksamkeits-Kapazitäten.

So schien mir die Pille eine Möglichkeit. Außerdem hatten sie damals auch „alle“. Quasi jeder. Es war keine große Sache.

Siehe da, die Pille zog bei mir ein und veränderte mich natürlich nicht in einen neuen Menschen. Aber die Schmerzen waren gut aushaltbar, ich kam mir nicht mehr 1 Mal im Monat vor wie beim Schlachter. Meine Blutzuckerwerte kamen auch blendend damit zurecht. Also alles perfekt. Für mich, damals und bis zum Sommer 2019…

„Keine große Nummer“ – dachte ich mir

So lief das ganze elf Jahre lang. Bis ich mir eines fröhlichen Juninachmittags dachte: „Eigentlich könntest du ja mal Geld sparen.“ So setzte ich die Pille ab. Um insgesamt 120 Euro jährlich einzusparen. „Ist ja keine große Nummer“, dachte ich mir.

Ich setzte die Pille also nicht ab, weil es in den letzten Jahren einen „Hype“ darum gab und viele Frauen darüber berichtet haben. Und es stets multimedial präsent war. Auch nicht wegen der „bösen Hormone“, des erhöhten Thromboserisikos oder des Gefühls, dass ich eventuell nicht „ich selbst“ wäre. Nö, mir gings ja gut all die Jahre und ich hatte nie das Gefühl, nicht ich selbst zu sein. Ich alter Sparfuchs wollte einfach nur aus einer Laune heraus Geld sparen.

Gesagt, getan!

Die ersten vier Wochen vergingen, es war Sommer, mir ging es ganz gut. Klar konnte ich nachts nicht schlafen (das schob ich auf die Wärme) und, ja, es gab ein paar außerirdische Blutzuckerschwankungen, die unerklärlich wirkten. Aber mit dem Absetzen der Pille und möglicherweise einem Hormonchaos brachte ich das alles nicht in Verbindung. „Als ob die paar Hormone etwas damit zu tun haben könnten, haha…niemals“, so mein Gedankengang. Das kam mir damals tatsächlich nicht näher in den Sinn.

Ich bekam auch regulär meine Periode. Pünktlich wie eh und je, alle vier Wochen. Ohne großartige Schmerzen, alles beim Alten. Perfekter Absprung, quasi, so dachte ich.

Nur, leider war dies rückblickend erst der scheinbar positive Anfang vom katastrophalen Mittelteil.

Ein anderer Mensch, sechs Wochen nach dem Absetzen

Sechs Wochen nach Absetzen der Pille war ich ein anderer Mensch. Nur leider kein „glücklicherer“. Ein Häufchen Elend würde es gar besser beschreiben. Von heute auf morgen hatte ich meine Blutzuckerwerte absolut gar nicht mehr unter Kontrolle, ich schlief kaum noch, hatte dauerhaftes Herzrasen und stand permanent unter „Angst“. Angst, was da gerade und so urplötzlich passiert war mit meinem Körper. Das Ganze ging so weit, dass ich mehrfach im Krankenhaus landete, mit einem Puls über 180, einer Schlafstörung und Verdacht auf „irgendwas am Herzen“.

Alles, was es an Untersuchungen diesbezüglich gibt, lasst euch gesagt sein, ich habe sie alle hinter mir. Zwischenzeitlich waren sogar Herzstolperer „von außen“, also einer fremden Person, fühlbar.

Quelle: olga355 – AdobeStock

Ich lebte quasi innerlich ab, weil ich mich nicht mehr traute zu schlafen, vor zu großer Angst, an einem Herzinfarkt zu sterben. Aber der Körper braucht Schlaf. Drei lange und für mich bis heute prägende und schlimme Monate hielt dieses Spektakel an. Meine Blutzuckerwerte waren meist viel zu hoch oder viel zu tief. Eine konstante Achterbahnfahrt. Doch die waren mir zu dem damaligen Zeitpunkt komplett egal, denn niemand konnte mir helfen, mich aus diesem Wirrwarr zu befreien.

Gut, vielleicht habe ich den Ärzten auch nicht unbedingt mitgeteilt, dass ich die Pille abgesetzt hatte. Für mich war das eben keine große Nummer und schenkte man der Berichterstattung zu dieser Thematik Glauben, dann sollte man sich nach dem Absetzen ja eher besser, toller und wohler fühlen. Demnach stand dies für mich nie in einem Zusammenhang.


Minus sieben Kilo und minus jegliche Lebensfreude

Drei Monate und ich war nicht mehr ich selbst. Nix mehr mit lustig, für jeden Spaß zu haben und gut gelaunt. Ich lebte mit 24-Stunden-EKG-Geräten, einer Notfall-Überweisung in die Notaufnahme, sollte das Herz wieder akut stolpern, und zugleich verließ ich quasi nicht mehr das Haus. Ich hatte 7 kg abgenommen, wobei ich aß. Da war nicht mehr viel mit Lebensfreude, das war einfach nur der schlimmste Sommer meines Lebens.

Doch woran hat es gelegen und wie ist es heute?

Es lag gar nicht mal grundlegend an der Pille und den mir zugeführten Hormonen, also ja, auch. Aber sicher ist, meinem Herzen geht’s gut, so zumindest der letzte Stand. Ich hatte auch kein Burnout oder eine Angst bedingte Schlafstörung.

Ich habe und nehme aber seit Jahren Tabletten für meine Schilddrüse, denn die spielt auch seit 10 Jahren schon nicht mehr so richtig mit. Der Verdacht, meine Typ-1-Diabetes-Erkrankung habe etwas damit zu tun, ist nicht ganz abwegig, schließlich gibt es diese Konstellation ja nicht allzu selten, neben dem Diabetes auch noch ein Schilddrüsen-Problem aufzuweisen. In Kombination nahm ich also die Schilddrüsen-Tabletten, zusammen mit der Pille, bis zu jenem Tag im Juni 2019.

Nur hat niemand beachtet, dass, wenn sich ein Bestandteil dieser Kombi ändert, der andere Bestandteil eventuell auch angepasst, geschweige denn kontrolliert werden muss. So auch in meinem Fall. Ich nahm jahrelang L-Thyroxin 125 mg, zusammen mit einer niedrig dosierten Pille. Das eine morgens, das andere abends. Das war meine Routine.


Es lag nicht nur an den fehlenden Hormonen der Pille…

Dieselbe Schilddrüsen-Tabletten-Dosierung nahm ich auch stets weiterhin und routinemäßig morgens, auch, als ich die Pille bereits abgesetzt hatte. Was mein Körper aber so dann nicht mehr benötigte, in der Höhe der Dosierung. Alles, was ich über drei akute Monate erlebt habe, war letztendlich der absoluten Überdosierung des Schilddrüsenpräparates und einem „kalten Entzug” der Hormone bzw. einer Hormonumstellung geschuldet.

Quelle: Olli P.

Herausgefunden habe ich das alleine. Ist klar. Wofür gibt es Ärzte, wenn man auch „Tante Google“ fragen kann. 😉
Spaß beiseite, natürlich haben mich diese Thematik und mein gesamter Zustand einfach von morgens bis abends beschäftigt, weshalb ich immer und immer wieder nach Hinweisen und nach einer möglichen „Lösung meines Problems“ im Internet recherchiert habe. Bis ich eines Tages einen Blogeintrag las, in welchem jemand über eine ähnliche Situation berichtete, wie ich sie erlebte.

Ich ließ erneut und mit mächtig Nachdruck meinerseits die Blutwerte erneut kontrollieren und wurde dann, siehe da, vorerst auf 50 mg an Schilddrüsen-Tabletten hinuntergestuft. Innerhalb von einer Woche hatte ich wieder ein Leben. Ein Leben ohne Herzrasen, mit Schlaf und keiner Panik mehr, dass ich jederzeit den Löffel abgeben und somit die Radieschen von unten betrachten könnte.

Heute, fast zwei Jahre später, sind mein Leben und mein Zyklus wieder ziemlich „normal“.
Meine Blutzuckerwerte sind dafür immer noch eine kleine Katastrophe. Körpereigene Hormonproduktion ist eben doch noch einmal eine andere und weitaus mehr empfindlichere Sache als zuvor. Zumindest bei mir. Aber damit versuche ich umzugehen, es anzunehmen und mich nicht zu sehr aufzuregen. Bringt ja schlussendlich alles nichts.


Selbst nach zwei Jahren noch kein klares Muster

Ein Muster, wie mein Zyklus und die Reaktion meines Körpers abläuft, gibt es noch nicht ganz klar definiert, aber ich erkenne so langsam, wann ich wie und wo meinen Insulin-Bedarf anpassen sollte.

Zu der Pille kann ich noch sagen:
Ich dachte nie, mich würde dieses kleine Ding in meinem „Ichsein“ beeinflussen. Ich hatte zwar in all den Jahren, in welchen ich sie einnahm, nie die Figur, wie ich sie mir erträumte, trotz viel Sports. Und ich war auch manchmal echt launisch, aus heiterem Himmel, aber ich hatte Prinzessinnen-Haut, schöne Haare und war generell topfit und, natürlich nicht zu vergessen, quasi schmerzfrei jeden Monat. Demnach dachte ich mir immer, „es ist, wie es ist“.


Über Pickel und Pusteln bis hin zur Wohlfühlfigur

Heute, fast zwei Jahre nach Absetzen der Antibabypille, habe ich meine Wohlfühlfigur, weil mein Stoffwechsel irgendwie andere Dinge macht und ich urplötzlich doch sichtbare Muskeln bei mir entdecken kann. Ich sehe heute so aus, wie ich immer dachte und hoffte bzw. wie ich mich fühlte, wie ich aussehen könnte. Obwohl ich heutzutage weiterhin nichts anders mache als auch schon im Sommer 2019, hat sich mein Körper quasi nochmal „neu erfunden“. Die Prinzessinnen-Haut von früher – die gibt’s nicht mehr, leider. Und ja es war hart zwischendrin mit Pickeln und Pusteln. Ich habe mich geschämt sehr sogar, kam mir vor wie zu den schlimmsten Zeiten meiner Pubertät und habe auch überlegt, die Pille deswegen wieder zu nehmen. (Glücklicherweise habe ich es nicht.) Es gab zwischendrin auch acht Monate ohne jegliche Periode und demnach besorgte Ärzte, die mir diesbezüglich, zeitweise verwirrende, Diagnosen zu diesem Stand der Dinge mitteilten.

Aber man unterschätze nicht das Wunderwerk des eigenen Körpers. Meiner zumindest brauchte einfach Zeit. Das wollte ich anfangs auch nie glauben, kann es aber heute stolz mitteilen, manchmal muss man einfach etwas geduldiger sein.


Stand 2021 – was ist passiert in fast zwei Jahren?

Stand 2021 gibt es heutzutage keine Launen mehr. Ich fühle mich (auch wenn ich damals über diesen Spruch laut gelacht habe) heute mehr und angekommener als ich selbst als je zuvor. Und das schiebe ich guten Gewissens nicht auf mein Alter oder meine Lebenserfahrung zurück, die ich in der Zwischenzeit weiterhin sammeln konnte.

Quelle: Olli P.

Ich wünsche jeder Frau, jedem Mädchen und jedem weiblichen Wesen nichts von dem, was ich erlebt habe. Auch verurteile ich auch keine Einnahme der Pille oder anderen Hormon basierten Präparaten. Ich habe mich all die Jahre damit wohlgefühlt und war die letzte Person, die daran dachte, dass dieses kleine runde Ding etwas Gravierenderes verändern könnte. Bei mir hat sich etwas verändert. Aber auch nicht alles ist schöner, toller, besser geworden, erst recht nicht in Hinblick auf meine Blutzuckerwerte. Die fahren weiterhin Achterbahn und das mit der Prinzessinnen-Haut… nun ja, auch Prinzessinnen dürfen Pickel haben. 🙂

Ich freue mich stets auf eure Erfahrungswerte zu dieser Thematik, gerne hier unter diesem Beitrag, für alle zum Mitlesen und Austauschen.


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