Ungewollt im Rampenlicht

„Was ist denn das für eine weiße Scheibe auf deinem Arm?“ – „Du hast aber ein komisches Handy!“ – „Oh, du hast Diabetes? Kannst du das denn dann überhaupt essen?“ Mirjam begleiten Fragen wie diese schon viel zu lange!

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Wer kennt sie nicht, die neugierigen, überraschten, manchmal ziemlich naiven Fragen von Außenstehenden. Oft sind sie gut gemeint und ehrlich interessiert, aber sie können ganz schön anstrengend werden. Gerade dann, wenn wir einfach ganz normal sein und unser Ding machen wollen, zum Beispiel in Fitnesskursen.

Aus den Höhen und Tiefen im Leben mit Typ-1-Diabetes

In den fast sieben Jahren, die ich in Schottland verbrachte habe, habe ich 16 Menschen, die dort mit Typ-1-Diabetes leben, dazu eingeladen, in Gesprächen ihre Erfahrungen zu teilen. Sie haben von den Höhen und Tiefen im Leben mit Typ-1-Diabetes erzählt, von ihrer Diagnose, von der Reaktion von Freunden und Familie, von der Herausforderung einer unsichtbaren Erkrankung. Wenn das Unsichtbare plötzlich sichtbar wird, wenn andere mitbekommen, dass etwas „nicht stimmt“ oder zumindest anders ist als bei Menschen mit funktionierender Bauchspeicheldrüse, kommen dann oft solche neugierigen und irritierten Fragen. Je nach Tagesform können die sich fast schon übergriffig anfühlen.

Von erzählten Geschichten zu Comics und Cartoons

In den Gesprächen über Alltag, Technologie, aber auch die emotionale und psychische Herausforderung, die das Leben mit Typ-1-Diabetes sein kann, haben die Teilnehmer:innen viele spannende Geschichten erzählt. Gemeinsam mit der Sprachwissenschaftlerin und Künstlerin Alex Lorson habe ich daraus Comics und Cartoons entwickelt, die Alex gezeichnet hat.

Quelle: Mirjam Eiswirth / Umsetzung: Alex Lorson

„Ich will doch nur Sport machen…“

Einer davon greift einen solchen Moment auf, in dem eine junge Frau mit Diabetes plötzlich ungewollt im Rampenlicht steht: Tess, Anfang 20, macht gerne und viel Sport und erzählt, wie sie einmal bei einem Aerobic-Kurs im Fitness-Studio war. „Ich war extra in der hintersten Reihe, weil ich ja noch keine Ahnung hatte, wie das alles geht, und mich total ungelenk gefühlt habe. In der Pause habe ich schnell meinen Glukosesensor ausgelesen und geschaut, ob alles in Ordnung ist. Irgendwie hat die Trainerin das mitbekommen und mich sofort angesprochen. Die hat durch den halben Raum gerufen – ‚Du da hinten, alles okay bei dir? Brauchst du was? Brauchst du eine Pause? Was zu essen? Zu trinken?‘ Ich hätte im Erdboden versinken können, ich wollte doch einfach nur mal eine neue Sportart ausprobieren. Natürlich bin ich danach nie wieder dorthin gegangen.“

Wie geht ihr mit solchen Fragen um?

Von solchen Erfahrungen konnten fast alle der 16 Gesprächspartner:innen erzählen – ihr sicher auch. Was sind eure Strategien, damit umzugehen, wie reagiert ihr in der Situation? Was antwortet ihr, bleibt ihr dabei ruhig, oder ärgert ihr euch? Und falls ihr euch ärgert, wie werdet ihr euren Ärger wieder los? Oder freut ihr euch über das Interesse und nehmt die Trainerin hinterher vielleicht sogar zur Seite, um ihr einen Basiskurs Diabetes zu geben?

Mehr Kunst, mehr Infos, mehr Geschichten

Übrigens: Hintergrundinfos zur Ausstellung, zu der sowohl Comics als auch Porträts gehören, findet ihr auf meiner Website (https://mirjameiswirth.wordpress.com/making-the-invisible-visible/), in meinem Beitrag zum Weltdiabetestag 2020 und in der Doc2Go Folge vom 24.06.2021.

Im Diabetes-Journal stelle ich seit April 2021 die Geschichten hinter den 16 Porträts vor; im Herbst erscheinen alle 16 als Buch im Kirchheim-Verlag.

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