Hinter den Kulissen – Praxisalltag einer Diabetesberaterin

Sarah ist Diabetesberaterin und möchte uns mal in den Alltag in einer Schwerpunktpraxis mitnehmen. Was sie hier alles erlebt, berichtet sie uns in diesem Beitrag.

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Wie ihr bereits erfahren habt, möchte ich euch ein wenig mit dem Praxisalltag in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis und meinem Alltag als Diabetesberaterin vertraut machen. Was passiert, wenn ihr aus dem Beratungszimmer geht? Was passiert hinter den Kulissen, wenn ihr auf eure nächste Insulinpumpe wartet? Warum dauert es teilweise so lange, bis man einen Termin bekommt?

Wusstest ihr, dass…

…je nach Praxisgröße ca. zwischen 1000 bis 2000 Diabetespatient*innen pro Quartal betreut werden? Hinzu kommen Neudiagnosen, Notfälle und engmaschige Kontrollen bei Bedarf. Ein Quartal hat immer drei Monate. Wahnsinn, oder? Es gibt bestimmt auch Praxen, die größer sind und noch mehr Patient*innen betreuen. Ihr seht, es gibt viele Menschen mit Diabetes. Aber leider viel zu wenige Fachkräfte. Welche Überraschung. Unser Terminkalender ist sehr eng getaktet und oft schon Monate im Voraus voll geplant. Warum? Wir machen den folgenden Kontrolltermin direkt nach dem Beratungsgespräch aus. Je nach Stoffwechsellage und Typ in drei oder sechs Monaten. Betreut werden alle Diabetestypen.

Unsere Aufgabenbereiche

Um 7:30 Uhr kommt bei mir der erste Patient/die erste Patientin. Davor wird Blut abgenommen oder der Langzeitzucker (HbA1c) bestimmt. Wenn ihr einen Sensor habt, lese ich diesen schon mal aus und schaue mir eure Auswertung an. Gleiches gilt für Insulinpumpen. Hat sich was verändert? Was hat sich verändert? Wie viel Prozent Unterzucker sehe ich? Wie viel Prozent im Zielbereich? Wie viel Prozent seid ihr über dem Zielbereich?

Sofort stößt mir der Unterzucker ins Auge. Diesen versuchen wir, unter ein bis drei Prozent zu bekommen. Nachdem ich mir eure Auswertung angeschaut habe, bespreche ich sie mit euch. Wir schauen eure Auswertung gemeinsam mit euch an und besprechen mögliche Ursachen und Lösungen. Natürlich werden auch die Tage, die super gelaufen sind, besprochen.

Steht die jährliche Fußkontrolle an, untersuchen wir eure Füße. Wir schauen uns das Vibrationsempfinden an, das Temperaturempfinden, das Schmerzempfinden, tasten eure Fußpulse und schauen uns den allgemeinen Zustand eurer Füße an. Ist die Untersuchung auffällig, besprechen wir mit euch, wie ihr in Zukunft am besten auf eure Füße achtet und was evtl. noch zu tun ist.

Zusätzlich sprechen wir mit euch über die nächste Augenarztkontrolle, vorhandene Probleme, Fragen, Änderungen der Therapie und füllen den Gesundheitspass (Gesundheitspass Diabetes) aus. Das Ganze müssen wir in ca. 30 Minuten schaffen. Danach sitzt schon der nächste Patient/die nächste Patientin vor der Tür. Je nach Situation kann sich ein Termin auch verlängern und schon sind wir im Verzug. Der eine braucht einen neuen Sensor, die andere braucht eine neue Insulinpumpe. Bei jemandem wurde der Diabetes neu entdeckt, bei anderen müssen wir die Therapie umstellen. Wieder jemand anderes benötigt eine Schulung.

Die kommen natürlich dazu: Einzel- und Gruppenschulung

Schulungen werden zu allen Themen, was den Diabetes betrifft, angeboten. Basisschulungen, Auffrischungen und Vertiefungen. Wir richten uns nach den vorgegebenen Schulungsprogrammen. (Welche Schulungen es gibt, könnt ihr über FIDAM nachlesen.)

Ihr seht, wir haben ein breites Spektrum an Aufgaben und viel zu wenig Zeit. Deshalb bitte ich im Namen aller Praxen um Verständnis, wenn es manchmal etwas dauert. Wir möchten uns gerne Zeit für euch nehmen. Auch im Austausch mit anderen Kolleg*innen erfahre ich, dass es anderen Praxen auch so geht.

Die Aufgabenbereiche als Diabetesberater*in sind vielseitig und verantwortungsvoll. Eine spannende und abwechslungsreiche Tätigkeit. Aber wie in allen Bereichen der Gesundheitsbranche mit viel zu wenig Zeit verbunden.

2 Kommentare zu “Hinter den Kulissen – Praxisalltag einer Diabetesberaterin

  1. Den Patienten-Umsatz aller Arztpraxen finde ich heute schlicht irre. Da liegt der geschilderte der Schwerpunktpraxen mitten im normalen Fließband-Fluss mit sehr begrenzten Möglichkeiten für tatsächliche individuelle Anpassungen. Allerdings denke ich aus der eigenen Erfahrung, dass wenigstens die Diabetologie sich einiges von dieser Last selbst aufbürdet.
    Beispiel Typ 2 Diabetes: Bislang gibt es keine DDG Anleitung zum gezielten Erreichen und zuverlässigen Erhalten einer Remission für Betroffene mit neuer Diagnose. Das ginge wenigstens als Option super per App und noch eine Nummer zuverlässiger und für die Betroffenen noch einfacher schon im Stadium des Prädiabetes.

    Könnte die Lounge nicht eine Art Blog-Kolumne machen für Beiträge von Betroffenen, die in mehr oder weniger eigener Regie auf dem Weg in die Remission oder darin mit ihrem T2D längst gesund unterwegs sind?

  2. Was ich im ersten Beitrag nicht so ausdrücklich geschrieben hatte:

    Wer in der Remission praktisch gesund mit seinem T2D lebt, mag gern weiterhin halbjährlich für Routine-Untersuchung und -Gespräch für 15 Minuten die Praxis beschäftigen, aber beansprucht darüber hinaus keine der Praxis-Zeiten, die mit der normalen Behandlung anfallen und mit den Jahren zunehmen.

    Seit über 20 Jahren reicht meiner Beratung und mir diese halbe Stunde pro Jahr bei allen Blutwerten im grünen Bereich und dem HbA1c zuverlässig unter 5,5%.
    Wenn die fachoffizielle Diabetologie beständig auch nur 1 von 10 T2D-Neudiagnosen mit der Remission erfolgreich anstecken würden, würden sie die Netto-Arbeitsbelastung in den Praxen merklich senken und die alltägliche Lebensfreude von immer mehr Menschen, die ihnen vertrauen, um Welten erweitern.

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