6 Wochen in Mexiko, Sara hat sich den Traum einer längeren Fernreise erfüllt, das alles mit dem Typ-1-Diabetes im Gepäck. Was sie erlebt hat, lest ihr nun…
Anfang 2023 machte ein Umbruch zwischen zwei Jobs für mich eine etwas längere Pause zum Reisen möglich. Schon länger wollte ich eine Ausbildung zur Yogalehrerin machen. Nachdem ich einige potenzielle Orte dafür recherchiert hatte, entschied ich mich für Mexiko. Mich fasziniert die diverse Kultur Mexikos, ich esse gerne mexikanisch und zudem konnte ich vor Ort an meinem Spanisch arbeiten. Perfekt!
Ich nehme euch mit in die Planung und auf die Reise, um meine Erlebnisse mit euch zu teilen sowie euch Inspiration dazu zu geben, wie ihr euch auf eine Fernreise mit dem Diabetes im Rucksack vorbereiten könnt.
Nachdem die üblichen Reisevorbereitungen abgeschlossen waren, widmete ich mich der Planung rund um meinen Diabetes. Ich rechnete aus, wie viele Katheter ich auf meiner Reise für die Insulinpumpe benötigte, schätzte meinen Bedarf an Insulin und rechnete den vermutlichen Bedarf an CGM–Sensoren aus.
Planung ist alles – zumindest, was den Diabetesbedarf angeht
Bei der Berechnung ging ich unter pessimistischer Annahme davon aus, wie lange meine CGM-Sensoren und Katheter im Durchschnitt halten würden. Bei beiden waren das max. 4-5 Tage (Ich nutze Katheter, die bis zu 7 Tage bleiben können). Somit plante ich jeweils 10 CGM-Sensoren und 10 Katheter für einen Zeitraum von 6 Wochen ein. Dabei hatte ich aber außerdem einen Notfallplan (sprich Insulinpens mit schnellwirkendem und Basal-Insulin) sowie einzelne alternative CGM-Sensoren und ein Blutzuckermessgerät inkl. Teststreifen für blutige Messungen für ca. 3 Wochen.
Was das an Platz einnahm, könnt ihr auf dem nachfolgenden Bild sehen:
Man könnte meinen, das sei übertrieben, jedoch habe ich in den Wochen und Monaten vorher gelernt, dass leider nichts nerviger ist als unzuverlässige Diabetestechnik. Deshalb rechnete ich mit dem Schlimmsten, um positiv überrascht zu werden. Leider ging dieser Plan nicht auf und ich hatte jede Begründung für Pessimismus: Katheter und CGM zeigten sich eher unzuverlässig. Ich hatte genau jeweils noch einen CGM-Sensor und einen Katheter auf dem Heimweg bei mir. Schweiß, Sonnencreme und Meerwasser waren dann doch eine besondere Herausforderung für den Kleber der Katheter-Kanülen und CGM-Sensoren und viele sind verfrüht ab- bzw. ausgefallen.
Wie soll ich denn dafür einen guten Bolus schätzen?
Einer der Gründe, warum ich Mexiko liebe, ist das Essen. Nicht nur Tacos und Chilaquiles, sondern auch die Verfügbarkeit von frischen Früchten ließen mir jeden Tag aufs Neue das Herz aufgehen. So gab es reife (für uns) exotische Früchte, wohin man sah: Besonders Mango und Papaya gab es an wortwörtlich jeder Straßenecke. Dadurch, dass die Mangos, die ich mir regelmäßig auf der Straße (ja, ich habe es gewagt, Essen auf der Straße zu kaufen, und überlebt :)) kaufte, oder die Papaya, die es in vielen Hostels regelmäßig zum Frühstück gab, viel reifer sind als gewohnt, hatten sie natürlich auch wesentlich mehr Zucker. Lecker, aber etwas schwer für die Schätzung eines Bolus unterwegs.
Besonders Mexiko Stadt hat ein unfassbar tolles Angebot an Bars, Restaurants und natürlich ganz viel Street-Food. Aber auch in den kleineren Städten, in denen ich war, gab es eine super Auswahl an veganem Essen. In Mexiko ist es preislich meist gleich, wenn nicht günstiger, essen zu gehen, anstatt selbst zu kochen. Da ich alleine reiste, war für mich das gemeinsame Essen(gehen) zudem auch eine willkommene Art zu socialisen.
Aber wir kennen das ja alle: Im Restaurant weiß man nie so ganz genau, wann das Essen jetzt kommt. Selbst bei noch so genauem Studieren der Essensinhalte kann es passieren, dass gezuckerte Soßen, unbekannte Kohlenhydrate oder Ähnliches uns den Bolus zerschießen. Außerdem besteht fast jedes mexikanische Gericht aus irgendeiner Form von Mais, kombiniert mit Fett oder Proteinen. Eine spannende Mischung aus Kohlenhydraten und langsameren Bestandteilen also. Irgendwann entwickelte ich aber auch für all diese kleinen Herausforderungen eine gute Schätztechnik sowie Entspannung bezüglich der Schwankungen meiner Zuckerwerte.
Montezumas Rache – hatte ich Glück?
Ein Punkt, der mich nicht aktiv eingeschränkt hat, jedoch immer in meinem Hinterkopf war – vielleicht hast du schon einmal von Montezumas Rache gehört? Nun, die ganze Geschichte wäre hier jetzt zu lang, aber nur so viel: Ich versuchte es zu vermeiden, Montezumas Rachegelüste auf mich zu ziehen. Diese kommen sehr häufig mit Erbrechen, Durchfall und unangenehmen Magen-Darm-Symptomen gemeinsam. Ich traf einige Reisende, die aufgrund des ungewohnten Essens, eines Fehlgriffs beim Street-Food oder der Höhe (Mexiko Stadt liegt auf ca. 2.240 m) von Erfahrungen mit den zuvor genannten Symptomen bis hin zu Krankenhausbesuchen berichteten. In mein Reisetagebuch wollte ich diese Erfahrungen verständlicherweise nicht schreiben – wer möchte das schon freiwillig, besonders mit Typ-1-Diabetes? Zum Glück schien meine Vorsicht genau angemessen, denn ich habe alles probiert, was ich probieren wollte, und kann berichten, Montezuma trotzdem nicht verärgert zu haben.
Schritte über Schritte, dabei ist es doch so warm!
Ich erkunde neue Orte am liebsten zu Fuß. So kann ich mich schneller orientieren, kann mich treiben lassen und komme mit den lokalen Bewohner:innen in Kontakt. In fast allen Städten, die ich besuchte, machte ich direkt am Anfang eine Walking-Tour. Meistens werden diese eh von den Hostels angeboten, sodass man nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein muss. Aber auch ohne spezielle Touren versuchte ich, mich so viel wie möglich zu Fuß zu bewegen.
Natürlich ging das nicht ohne einige Unterzuckerungen. Nicht selten gingen die Touren über Mittag und häufig war es sehr warm. Wenn ich alleine oder in einer kleineren Gruppe unterwegs war, ließ sich das einfacher navigieren, als wenn wir mitten in einer großen Walking-Tour waren. Über den Sport-Modus meiner Pumpe sowie Aktivitäts-KE bekam ich aber alles gut in den Griff. Für den Notfall hatte ich immer ein Trinkpäckchen und natürlich Traubenzucker dabei. Manchmal war die Unterzuckerung natürlich auch ein hervorragender Grund für eine frische Mango und eine kurze Pause.
Und dann leert sich der Rucksack und du weißt… es geht nach Hause!
Und auf einmal ist es dann so weit: Der Diabetesbedarf wird weniger, der Platz im Rucksack wird mehr. Ein sicheres Zeichen dafür, dass sich die Heimreise nähert. Als ich meinen Rückflug antrat, war ich voller glücklicher Erlebnisse und schöner Momente. Ich habe spannende Menschen kennen gelernt, neue Freundschaften geschlossen und eine unfassbar schöne Zeit gehabt. Mexiko liebe ich jetzt noch viel mehr als zuvor.
Sehr lange dachte ich, mit dem Diabetes sei diese Art zu reisen nicht umsetzbar. Das lag hauptsächlich daran, dass mir von Ärzt:innen und der Gesellschaft von klein auf vermittelt wurde, ich sei anders. Mir wurde vermittelt, ich kann nicht alles machen, was ich möchte – dass der Diabetes mich an vielem (Schönen) ja hindere. Nun… zum Glück ist das nicht so! Und dennoch möchte ich Abstand nehmen von Formulierungen wie „Ich habe diese Reise trotz Diabetes gemacht“. Diabetes ist nichts, dem ich trotzen möchte oder was ich bekämpfen muss. Mit Diabetes zu leben, hindert mich nicht daran, das zu machen, was ich möchte.
Lediglich verändert Diabetes zu haben, meine Ausgangslage und verlangt von mir, meine Planung anzupassen. Die Reise ist meine, also gestalte ich sie so, dass sie zu meinen Bedürfnissen (mit Diabetes) passt. Wenn du also vor der Frage stehst, ob du ein Auslandsschuljahr, ein Gap-Year in Australien, ein Auslandssemester oder eine Tour mit dem Rucksack durch die Welt mit Diabetes machen kannst: Ja, das kannst du. Am besten, du fängst heute noch an zu planen! 🙂