Heute erzählt Olli über eine wahre Geschichte, die während ihrer bisherigen Diabetes Laufbahn so abgelaufen ist. Es geht um eine furchtbare Hypoglykämie und deren Folgen.
Es war Juli und ich war im Urlaub. Genauer gesagt in Italien, doch der Ort und das Land spielen bei dieser Geschichte keine Rolle. Italien gehört mitunter zu meinen Lieblings-Reiseländern, zu schade, dass genau hier, in diesem traumhaften Urlaub, in dieser traumhaften Umgebung, Erinnerungen für die Ewigkeiten entstanden sind. Leider keine positiven, doch genau aus diesen Fehlern lernt man. Man entwickelt sich weiter, wird schlauer, überlegter und schätzt das Leben umso mehr.
Italien & meine liebe Ungeduld
So saß ich also in Italien, bestes Wetter, toller Tag, Sommer-Feeling pur. Ich war glücklich. Meine Lieben waren um mich herum, denn es war ein Familienurlaub. Zu meiner Familie gehören meine Eltern und mein Bruder. Wir waren noch nicht lange vor Ort, erst kürzlich angereist, in unserer schönen Ferienwohnung in der obersten Etage eines Hauses. Es wurde später, es wurde dunkel, man nennt es auch Abend. Wir saßen beisammen, unterhielten uns und meine Blutzuckerwerte machten, was sie wollten. Nicht ungewöhnlich bei mir. Neue Umgebung, anderes Klima, die lange Anreise mit dem Auto, auch das steckte noch irgendwo in mir drinnen und trug irgendwie dazu bei. Ich brauche immer ein paar Tage, um mich umzugewöhnen, mich zu akklimatisieren und, ja, ganz simpel ausgedrückt, in den „Urlaubs-Modus“ zu schalten. So erging es auch meinen Blutzuckerwerten. Mich wunderte also nichts. Nur hohe Werte nerven mich ab einem gewissen Zeitpunkt und zwar dann, wenn sie schon über Stunden hinweg „dort oben“ festhängen. Und genau das war es, was mir im Nachhinein beinahe einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Meine eigene Ungeduld. Ich bin kein geduldiger Mensch, das gebe ich zu. Wenn ich etwas möchte, dann am liebsten sofort, ich hasse es abzuwarten.Sei es beim Essen, beim Ins-Bett-Gehen oder eben darauf, dass die Blutzuckerwerte sinken.
Hoher Blutzucker und Übermüdung
Mein Blutzucker war also bei 16 mmol/l (288 mg/dl), er war hoch, keine Frage. Aber ich hatte leider auch schon höhere Ausrutscher. Mir ging es gut, nur: Ich war müde. Ich wollte ins Bett, es war gegen 22 Uhr. Die Wärme hatte mich müde gemacht und, wie schon erwähnt, hatte ich mit der allgemeinen Umstellung noch zu kämpfen.
Doch ist musste wach bleiben, sollte wach bleiben, so wie der gut gemeinte Rat lautet, wenn die Blutzuckerwerte nun einmal zu hoch sind . Also wollte ich mich beschäftigen, bekam Lust auf einen Schokoladen-Riegel, der 1 BE hatte. Durch den Frust, nicht ins Bett gehen zu können, und die schlechte Laune auf den zu hohen Blutzuckerwert bolte ich anstatt einer Einheit Insulin (für den Schoko Riegel) drei Einheiten Insulin. Also zwei Einheiten mehr, als ich brauchte.
Ich wollte, dass der Blutzucker sank, schließlich hing er schon seit Stunden dort oben und nichts passierte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch aktives Insulin und mein Messgerät hatte eigentlich keine weitere Korrektur vorgeschlagen. Doch das ignorierte ich, schließlich war ich ungeduldig und sehr müde.
Endlich! → 30 Minuten später mein Blutzuckerwert bei 12 mmol/l (216 mg/dl). Glücklich teilte ich meiner Familie mit, „Ich gehe ins Bett”, denn der Blutzucker war gesunken und ich konnte endlich schlafen – Juchhe!“. Schneller als erwartet lag ich im Bett, glücklich und zufrieden, und war auch sofort eingeschlafen.
Dann nahm alles seinen Lauf…

Ich teilte mir ein Zimmer mit meinem älteren Bruder. Das störte mich nicht, ihn auch nicht, er ist ja schließlich mein Bruder. Dass dieses gemeinsame Zimmer ein wichtiger Schritt bei der Geschichte war, fiel mir erst später auf.
Dann kam es, wie es kommen musste, denn schließlich hatte ich unvorsichtig gehandelt. Meine Blutzuckerwerte fielen und fielen und fielen. Ich schlief tief und fest, so tief, dass ich nicht mitbekam, was gerade mit meinen Werten und mit mir passierte. Ich bekam eine Hypo, eine tiefe Hypo und wachte einfach nicht auf.
Sie muss so tief gewesen sein, dass mein Körper alles versuchte, um noch Zucker zu gewinnen und den Blutzucker wieder höher zu bekommen. So fing ich an, in einer Art und Weise zu zittern und zu krampfen. Durch das Zittern und Krampfen schlug ich mit meiner Hand gegen die Wand, die sich neben meinem Bett befand. Mein Bruder wurde wach und wusste im Unterbewusstsein sofort, was Sache war. Er eilte zu meinen Eltern, gab Bescheid, dass ich eine tiefe Unterzuckerung habe, und meine Eltern eilten zur Hilfe.
Ich biss mir unbewusst in die Wange, drohte teilweise, meine Zunge zu verschlucken. Meine Eltern taten alles, dass dies nicht geschah. Ich bekam die Notfall-Spritze verabreicht, welche schon kurze Zeit später half, sodass ich zu krampfen aufhörte.
Ich wurde ruhiger und wachte auch kurze Zeit später auf. Da war ich wieder, unter den Lebenden sozusagen. Ich erinnere mich nicht mehr an viele Details, vielleicht habe ich geweint, das weiß ich nicht. Kopfschmerzen hatte ich, schreckliche Kopfschmerzen, Muskelkater und aufgebissene Wangen.
Der Morgen danach
Die restliche Nacht verbrachte ich schlafend neben meiner Mama. Mein Papa schlief in meinem Bett. Am nächsten Morgen sah ich in verweinte Gesichter, Gesichter, die zu wenig Schlaf bekommen hatten und ganz besorgt aussahen. Dass ich der Grund dafür war, war mir nicht klar. Meine Erinnerung an diese Nacht war vorerst nicht vorhanden. Ich hatte Muskelkater, ziemlichen Muskelkater und aufgebissene Wangen (also von innen). Irgendwann war mir klar, dass etwas nicht stimmte. Schließlich waren wir doch im Urlaub. Nachdem man mir erzählt hatte, was passiert war, war ich erschüttert. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass diese blöde Krankheit so schrecklich sein kann. Dass man Spätfolgen von seinem Diabetes haben kann, war mir immer bewusst, weswegen ich auch sehr auf ein gutes HbA1c achte. Ich war nie negativ bei meinen Ärzten aufgefallen, immer gut eingestellt, bestrebt, alles richtig zu machen, und dann DAS! Gedanken, die mir durch den Kopf schossen: „Was habe ich getan?“, „Oh mein Gott, meine arme Familie!“, „Sie haben mir das Leben gerettet.“, „Was wäre passiert, hätte mich niemand gehört?“. Im dortigen Krankenhaus haben wir uns am nächsten Tag ein neues Hypo-Notfall-Kit besorgt.Bleibende Folgen? + „Erinnerungs-Flashbacks“
Nach dem Urlaub folgten einige Untersuchungen und eine lange, lange Zeit, in der Sicherheit erst wieder aufgebaut werden musste. Anfangs wollte ich gar nicht mehr schlafen, ich hatte Panik, dass alles nochmal passiert, dass ich einfach nicht aufwachen würde. Dann habe ich jede Nacht meinen Blutzucker gemessen, teilweise zwei Mal die Nacht. Schlaf war mir egal, Hauptsache, ich wusste, der Blutzuckerwert stimmt. Das ging natürlich nicht auf Dauer, denn Durchschlafen ist wichtiger als gedacht. Tagsüber war alles recht schnell wieder in Ordnung, doch die Nächte bereiteten mir Angst. Die Zeit, in der ich nicht ständig Kontrolle über meinen Körper und mich hatte, war die schlimmste. Außerdem bekam ich eine Art „Erinnerungs-Flashbacks“. Ich erinnerte mich immer mehr und detaillierter an Dinge, die in der Nacht geschehen waren. Die Erinnerung kam also zurück, Tag für Tag, klar und deutlich. Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, ich hätte sehen können, was geschehen war. Als wenn ich dabei war, als es passierte, und von außerhalb zugeschaut habe. Natürlich hat meine Fantasie sich da nur etwas zusammen gesponnen, aber evtl. konnte ich das Ganze so auch besser verarbeiten. Denn das fiel mir nicht so einfach, auch wenn ich wieder quietschfidel durch die Welt marschierte. Es blieb geschehen, die Erinnerung war da.
Puh, das klingt nach einem Alptraum. 🙁 Gut, dass du darüber hinweg kommen konntest, auch wenn es lange gedauert hat.
Ich habe zwar schon mal Hypos zwischen 25 und 35 mg/dl gehabt (supersuperselten), aber bisher immer im Wachzustand und konnte mir sogar selber noch helfen. Im Schlaf möchte ich das nicht riskieren… Mit Korrekturen vor dem Schlafengehen bin ich auch sehr, sehr vorsichtig.
Danke fürs Teilen. Da jetzt auch mein Italien-Urlaub ansteht, überlege ich mir, ob ich eine Notfallspritze holen sollte. Nie gebraucht und irgendwann nicht mehr neu gekauft…
Liebe Norma,
hol dir auf jeden Fall eine Notfall Spritze vom Diabetes Arzt. Ich brauchte sie (bis zu dem Tag) auch nie und auch jetzt liegt sie einfach nur im Kühlschrank ihre Zeit ab. Was gut ist, ich möchte ja gar nicht, dass sie zum Einsatz kommt. 😉
Aber es schadet nie so etwas zu haben.
Ich freue mich, dass dir so etwas noch nie passiert ist und hoffe natürlich auch, dass es dir nie passieren wird. Mit den Korrekturen vor dem Schlafen gehen muss man halt leider, wirklich aufpassen…. Das weiß ich jetzt auch. Aber aus seinen Fehlern lernt man ja bekanntlicherweise. 😉
Vielen Dank für deinen Kommentar und liebe Grüße,
Olli
Es ist schrecklich, wenn man so was mit machen muss.
Kannst du mir vlt eine Frage beantworten bezüglich der notfallspritze?
Wenn man die nehmen muß,muß man dann anschließend trotzdem noch ins Krankenhaus?
Liebe Carmen,
leider schaffe ich erst jetzt auf deinen Kommentar und deine Frage zu antworten.
Also ich war anschießend nicht im Krankehaus und meine Familie hat auch keinen Notarzt gerufen, allerdings nur weil ich Sekunden später nach Setzen der Notfallspritze wirklich wieder wach und ansprechbar war. Und auch weil ich am nächsten Tag soweit bis auf das Gefühl “vom Traktor überfahren worden zu sein” keine Anzeichen hat. Wir haben uns dort in Italien allerdings umgehend eine neue Notfallspritze besorgt.
Ich bin aber auch kein Arzt und nur weil ich nicht im Krankenhaus war, bzw. kein Arzt in der Nacht kam, heißt dies nicht, dass das der Regelfall ist. Das ist Typ-ahängig wie so vieles im Leben. Ein Arzt Besuch kann nie schaden, egal ob es einm nach so einer Erfahrung schon viel besser geht oder auch nicht. Immer lieber einmal mehr absichern.
In Deutschland war ich allerdings dann ganz normal bei meinem Diabetologen, um ihn über die Geschehnisse aufzuklären.
Ich wünschte dir, dass dir so etwas niemals passiert.
Hab lieben Dank für deinen Kommentar. ich hoffe ich konnte deine Frage beantworten.
Liebe Grüße,
Olivia
Auch ich kenne diesen Alptraum, leider schon mehrfach, wo das Notfallkid nicht mehr half und der Notarzt kommen musste. Seid ich den Sensor habe ( gut 1 Jahr ) , ist es nicht mehr vorgekommen, er gibt mir etwas mehr Sicherheit. Leider ist die Angst vor dem allein schlafen immer noch präsent, aber ich habe auch einen liebevollen Mann an meiner Seite, er passt auf mich auf.
Liebe Jamila,
vielen Dank für deinen Kommentar und toll das du so einen hilfsbereiten Mann in deinem Leben hast, der ebenfalls ein Äuglein auf den Diabetes hat. Sehr Lobenswert! 🙂
Liebe Grüße,
Olli