Antje verwendet gar kein Insulin von Novo Nordisk. Als sie bei einem Besuch im Headquarter des dänischen Herstellers in Hillerød die Insulinabfüllung und -verpackung besichtigen durfte, war ihr auf einmal doch ganz eigentümlich zumute: Denn wenn solche Maschinen nicht laufen würden, dann wäre sie längst tot.
Das Allerbeste am Journalistendasein ist, dass man gelegentlich zu Pressereisen eingeladen wird. Manchmal sind das Veranstaltungen am Rande großer Kongresse, die ich ohnehin besuche, um darüber zu berichten. Manchmal aber auch Einladungen ganz losgelöst von derartigen Ereignissen. Vor Kurzem hatte ich auf diesem Wege die großartige Gelegenheit, als eine von insgesamt 27 Journalisten aus 11 europäischen Ländern direkt vor Ort in einem neuen Werk zur Insulinabfüllung im dänischen Hillerød einige wichtige Menschen aus der Führungsetage des Insulinherstellers Novo Nordisk kennen zu lernen, viel über seine Unternehmenshistorie und Philosophie zu erfahren und einen Blick in die heiligen Hallen zu werfen, in denen Insulinpens montiert und für den Transport in die verschiedenen Regionen dieser Erde vorbereitet werden.Ein dänisches Paar auf Forschungsreise in den USA



Schweine, Milch und Hefe: Pharma-Knowhow aus der Landwirtschaft
CEO Lars Rebien Sørensen erklärte, dass die Insulinproduktion und kontinuierliche Forschung nur deshalb so erfolgreich gelingen konnte, weil Dänemark ein stark landwirtschaftlich geprägtes Land ist: „Hier leben 5 Millionen Menschen, aber 25 Millionen Schweine.“ Ausreichend Rohmaterial also für die Produktion des Stoffwechselhormons, das bis in die 1980er Jahre standardmäßig auf Basis von Schweineinsulin hergestellt wurde. Doch auch weitere landwirtschaftliche Zweige waren für die Weiterentwicklung der Insulinproduktion bedeutsam: „In den benachbarten Betrieben der Milchwirtschaft hatte man viel Erfahrung mit der hygienischen Aufbereitung von Rohstoffen. Und in den Brauereien kannte man sich mit Hefe aus, die später für die Produktion des künstlichen Insulins eingesetzt wurde“, erzählte der CEO. Bis heute fühle sich das Unternehmen daher der Landwirtschaft eng verbunden.Gäbe es diese Maschinen nicht, wäre ich nicht mehr am Leben
An einen Schweine- oder Kuhstall erinnerte allerdings rein gar nichts, als wir die heiligen Hallen der Insulinabfüllung und -verpackung in Hillerød betraten. Hier ging es klinisch rein zu: Als Besucher mussten wir in einem Schleuseraum, der die schöne dänische Bezeichnung „gæstesluse“ trägt, Überschuhe und einen Kittel anziehen und die Hände waschen und desinfizieren, bevor wir die Produktionshallen betreten durften. Hier werden Einweg-Insulinpens montiert und mit Insulin befüllt. Von einer Galerie aus konnten wir aus der Ferne zusehen, wie sich in den hermetisch abgedichteten Glaskästen mit ihrem sterilen Innenleben die Einfüllstutzen immer wieder über eine Reihe kleiner Insulinampullen senkten und sie mit Insulin befüllten. Zack, und fertig, das Band bewegte sich weiter. Und wieder zack und fertig. Es mag vielleicht kitschig klingen, doch als ich diesen automatisierten Prozess beobachtete, hatte ich auf einmal Tränen in den Augen. Ich bin angewiesen auf Insulin. Gäbe es diese Maschinen nicht, dann wäre ich längst nicht mehr am Leben. Ich verwende zwar Lantus und Liprolog und damit kein Insulin aus dem Hause Novo Nordisk, aber das spielte in diesem für mich so besonderen Moment überhaupt keine Rolle. Ich war einfach ungeheuer dankbar, dass es auf der Welt so viele Menschen gab und weiterhin gibt, die an Arzneimitteln forschen und nach Wegen suchen, sie kostengünstig zu produzieren und Menschen wie mir zur Verfügung zu stellen. Man kann sicher oft mit gutem Grund über die Pharmaindustrie schimpfen. Doch ich werde nie zu denen gehören, die blindwütig auf die „ach so böse Pharmaindustrie“ einprügeln. Dazu brauche ich diesen Industriezweig viel zu sehr – mit ein paar hundertfach potenzierten Homöopathie-Kügelchen ist es bei Typ-1-Diabetes schließlich nicht getan.Die Kartons werden mit Barcodes auf ihre Reise geschickt


Hallo Antje,
“Ich war einfach ungeheuer dankbar, dass es auf der Welt so viele Menschen gab und weiterhin gibt, die an Arzneimitteln forschen… ich werde nie zu denen gehören, die blindwütig auf die „ach so böse Pharmaindustrie“ einprügeln.”
Du sprichst mir aus der Seele. Sicher geht die Pharmaindustrie oftmals an die Grenzen dessen, was (auch ethisch) vertretbar ist. Doch wir hätten z.B. keine moderne Medizin, wenn sich die Ärzte damals hätten davon abhalten lassen, Menschen zu obduzieren. Es gibt immer Forscher, die Visionen haben und 50 Jahre in die Zukunft “denken”, was den Horizont der meisten anderen übersteigt. Aber nur durch solche Menschen gibt es Entwicklung und Fortschritt.
Und ich bin auch sehr dankbar dafür, dass es die moderne Medizin gibt, mit all ihren Vor- und Nachteilen. Es gibt kein Licht ohne Schatten. Die Menschen, die die Pharmaindustrie verteufeln, waren noch nie wirklich ernsthaft krank!
Danke für deinen Kommentar, genau so meinte ich das auch! LG Antje
Dumme Frage zu dem Bild mit den Insulin(?)-Tabletten: Insulin-Tabletten!? Oder mußt man damit damals die Spritzlösung für den Glasspitzenkolben selber herstellen?