Nachdem Saras erster Versuch einer Insulinpumpentherapie als Kind nicht gut lief, wagt sie sich fast ein Jahrzehnt später wieder daran. Sie erzählt, warum sie dieses Mal zufriedener ist.
Wir spulen vor: 9 Jahre später waren die Pumpenmodelle und Katheter laufend verbessert. Es gab inzwischen sogar eine schlauchlose Pumpe. Immer wieder wurde ich neugierig. Doch hatte ich Angst, dass es wieder so laufen würde wie beim ersten Versuch. Ich hatte Angst, alles erneut durchzumachen. Die Entzündungen, die schlechten Werte, das Gefühl, immer etwas am Körper zu tragen. Ich war froh über meine Freiheit und betonte dies auch immer wieder vor meiner Diabetologin.
Alle drei Monate musste ich mich der Diskussion stellen, warum ich keine Insulinpumpe wollte – konnte sie immer erfolgreich abwehren. Jedoch schlich sich immer wieder die Überlegung ein, wie sich meine Werte wohl verbessern würden, wenn ich eine Pumpe hätte. Würde sie mein Dawn-Phänomen bremsen können? Könnte ich bessere Werte beim Sport durch eine genauere Basalrate haben? Und endlich nicht mehr überall die Pens mit hinschleppen – manchmal wurde ich doch schwach und erlaubte mir den Gedanken an die Pumpe.
Zurück zur Insulinpumpe?!
Ein Wechsel der Diabetespraxis und mein Bruder, der mit seiner Pumpe zufrieden u.a. durch Südostasien gereist war, gaben mir letztendlich den Anstoß, einen neuen Versuch zu wagen. Nach einem langen Telefonat mit meinem Bruder (<3) rief ich eines Morgens spontan in der Praxis an. Es war September, als die Pumpe beantragt wurde. Meine Werte der drei letzten Monate kritzelte ich in einer Nachtschicht schnell in ein Tagebuch. Beim Modell wählte ich die kleinste Pumpe auf dem Markt. Ich wollte diese Pumpe, bevor ich es mir anders überlegte.
Über Weihnachten flog ich mit meiner Familie nach Mexiko – als verfrühtes Weihnachtsgeschenk flatterte dann sogar einen Tag vor Abreise noch die Genehmigung für die Pumpe ins Haus. Ich war unfassbar glücklich.
Ende Januar bekam ich die Einweisung in die neue Pumpe. Es ging alles ganz schnell und ich war furchtbar aufgeregt, wie es dieses Mal wohl laufen würde. Schnell gewöhnte ich mich ein und fand heraus, was dieses Mal bei der Pumpentherapie anders laufen konnte – denn ich war erwachsen und konnte mich in meinem Tempo und meinem Ausmaß mit der Pumpe beschäftigen. Auch jetzt, 2 Jahre später, bereue ich die Entscheidung für die Pumpe nicht. Mein HbA1c ist unter 6,5%, seit ich die Pumpe habe, ich habe weniger Schwierigkeiten mit Unterzuckerungen und ich habe wesentlich bessere Werte – alleine schon während des Sports. Das Dawn-Phänomen kann mich inzwischen mal!
Der neue Versuch
Auch wenn der vollständige Vergleich hinkt, da a) viel Zeit vergangen ist und ich b) nun einen anderen Pumpenhersteller habe, merke ich, dass mir die Pumpe erst jetzt, wie versprochen, eine Erleichterung der Diabetestherapie bringt. Habe ich mich mit 15 noch über die Freiheit mit Pens gefreut, habe ich mit der Pumpe mit 25 eine ganz andere Freiheit. Ich habe keine Pflasterallergie mehr, die Anzahl der fehlerhaften Katheter (trotz Softkatheter) ist bei mir immer noch unter 5. Natürlich verfluche ich die Pumpe auch jetzt noch, wenn es mal ein paar Tage oder Wochen nicht läuft. Auch mit der Pumpe habe ich noch Tage, an denen ich alles gebe und trotzdem nichts funktioniert. Die rausgerissenen Katheter, weil der Schlauch noch am Türgriff hängt. Das Brennen, wenn der Katheter falsch sitzt. Der Ärger über eine Luftblase im Schlauch. Das nervige Piepen in der U-Bahn, wenn ich vergessen habe, eine neue Insulinampulle mitzunehmen.
Aber gemeinsam mit meiner Pumpe war ich 4 Monate in Südamerika backpacken. Gemeinsam mit meiner Pumpe bin ich einen Halbmarathon gelaufen. Gemeinsam mit meiner Pumpe versuche ich, die kleinen und großen Hürden des (Diabetes-)Alltags zu meistern.
Damals vs. heute
Außerdem habe ich mit der Pumpe gelernt, offen mit meinem Diabetes umzugehen. Sie hilft mir, Aufmerksamkeit auf die Krankheit zu lenken und Aufklärung für den Diabetes zu leisten. Als Teenager wollte ich die Pumpe nur verstecken. Ich bin aus der Schwimm-AG ausgetreten, weil mich Schulkameraden auf den Katheter angesprochen haben und es mir unangenehm war. Keine Tasche versteckte mir die Pumpe genug unter der Kleidung und bei gefühlt jedem Atemzug nervte mich das winzige Gerät.
Heute trage ich meine Pumpe selbstbewusst und erkläre Menschen, die fragen, alles, was sie wissen möchten. Ob in der Hosentasche, im BH oder irgendwo, wo sie gerade hinpasst – ich finde schon einen Platz, an dem sie nicht stört. Sie ist ein Teil von mir, wie auch der Diabetes, und ist da, um mir damit zu helfen – nicht, um das Leben schwerer zu machen. Und für alles Geld der Welt möchte ich meine Pumpe derzeit nicht wieder hergeben.
Ich habe ein paar Jahre gebraucht, um zu verstehen, dass nicht das Konstrukt Pumpentherapie fehlerhaft war, sondern einfach, dass ich mit meiner ersten Pumpe zur falschen Zeit am falschen Ort zusammenkam.
Das eigene Wohlbefinden ist am wichtigsten
Was ich damit sagen möchte:
- Nur weil ein Diabetologe sagt, mit Pumpe würde alles besser laufen – das muss nicht stimmen.
- Nur weil der Kopf sagt, man kommt mit der Pumpe nicht klar – das muss nicht stimmen.
- Nur weil es einmal nicht funktioniert hat mit der Pumpe, heißt es nicht, dass man niemals damit klarkommt.
Ich finde, jeder entscheidet sich, je nach Erfahrung, Lebensphase und sonstigen Vorlieben für seine ideale Therapie. Das Ganze immer wieder zu hinterfragen und neue Dinge auszuprobieren ist genauso gut, wie eine bestehende und funktionierende Therapie nicht durcheinanderbringen zu wollen. Für mich war es einfach wichtig, Entscheidungen zur Änderung meiner Therapie eigenmächtig zu treffen und in meinem Tempo zu verarbeiten.
Und jetzt wieder 9 Jahre zurück: So lief Saras erster Versuch mit der Insulinpumpe.