Wie lernt man, Diabetes-Bedürfnisse zu kommunizieren? – Teil 2

Die Wichtigkeit, über den Diabetes zu reden, hat Mia am eigenen Leib erfahren. Die Geschichte dazu erzählt sie uns in diesem Beitrag.

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Lasst mich euch eine kleine Anekdote erzählen. Ich war etwa 12 oder 13 Jahre alt, als ich mit meiner Freundin zu ihrer Reitbeteiligung ging und wir eine große Runde ausreiten/spazieren gegangen sind. Natürlich konnte ich nicht einschätzen, wie weit wir gehen würden, weil ich zu dem Zeitpunkt dazu keine Erfahrungswerte hatte und noch nicht gewohnt war, so etwas abzufragen.

Wir lassen unsere Sachen im Haus zurück (oh ja, ich lasse mein Messgerät und die Unterzucker-Snacks, die nicht in meine Hosentasche passen, zurück). Wir machen uns auf den Weg zur Koppel, erstmal 10 Minuten bergauf, bis wir bei der Koppel ankommen. Pferd putzen, Decke drauf, Führstrick dran und los geht’s.

Wir spazieren los. 30 Minuten später merke ich, dass ich mich nicht so gut fühle. Ich esse also die etwa 2 BE Traubenzucker, die ich in meiner Hosentasche habe. Ich kommuniziere davon nichts, weil ich die Notwendigkeit nicht sehe und wir ja nicht mehr so lange unterwegs sein werden und ich ja eben genug gegessen habe. Immerhin habe ich ja immer alles im Griff und es wird gut gehen. Naja. Ihr könnt euch den Rest der Geschichte denken.

Wir waren noch etwa eine Stunde unterwegs und irgendwann ging es mir so schlecht, dass ich es kommunizieren musste. Meine Freundin hat mich kurzerhand aufs Pferd gesetzt und wir sind flotten Schrittes zurück zur Koppel. Also sie und das Pferd waren flotten Schrittes unterwegs. Ich hing ja schon geschwächt durch den Unterzucker auf dem Pferd. Als wir an der Koppel ankamen, bin ich vom Pferd runter und hab mich auf die Bank gelegt. Meine Freundin ist den Berg runtergestürzt und hat unsere Sachen und meinen restlichen Traubenzucker geholt. Als sie ankam, war ich nicht mehr so wirklich ansprechbar, konnte aber den Traubenzucker essen, den sie mir reichte. Eine halbe Stunde später war ich dann schon wieder mehr bei Sinnen. Gott sei Dank sind wir mit einem Schrecken davongekommen.

Und ich würde wetten, dass jede:r Mensch mit langjährigem Diabetes eine ähnliche Geschichte erzählen kann. Traust du dich, deine in den Kommentaren mit uns zu teilen?

Warum ist es mir aber so wichtig, diese Geschichte zu erzählen? Dieses Erlebnis war eine Art Wachrütteln für mich. Ich war mit meiner besten Freundin unterwegs. Warum konnte ich ihr nicht einfach erzählen, dass ich wahrscheinlich im Unterzucker bin? Vermutlich war es mir peinlich, nicht den Rucksack mitgenommen zu haben, und daran war ich ja selbst schuld und meine Freundin sollte deswegen nicht den Ausritt verkürzen müssen. Allerdings war das Resultat für sie deutlich schlimmer als nur ein verkürzter Ausritt. Sie hatte wirkliche Angst um mich.

Quelle: AdobeStock ID 210172411

Mir ist dadurch bewusst geworden, dass ich manchmal auf die Hilfe und das Verständnis meiner Freund:innen angewiesen bin. So sehr ich es auch hasste, denn die Ideale einer unabhängigen, selbstständigen jungen Frau waren mir schon damals wichtiger als alles andere. Aber Stärke und Unabhängigkeit werden ja durch Attribute wie Ehrlichkeit und „sich helfen lassen können“ nur noch verstärkt. Wirklich schwach ist doch die Person, die sich nicht helfen lassen kann, oder? Außerdem wollen ja die allermeisten Menschen gerne helfen. Wenn ich es schaffe, anzuerkennen, dass ich manchmal Hilfe oder Verständnis („Können wir bitte den Plan ändern“) brauche, dann eröffne ich dadurch meinen Freund:innen die Möglichkeit, mir zu helfen. Win-win, oder?

Quelle: AdobeStock ID 267397005


Wie geht es euch mit meiner Geschichte? Kennt ihr ähnliche Situationen? Könnt ihr euch helfen lassen? Teilt gerne eure Erfahrungen in den Kommentaren.

Auf bald, eure Mia

Und ich würde wetten, dass jede:r langjährige Mensch mit Diabetes eine ähnliche Geschichte erzählen kann. Traust du dich deine in den Kommentaren mit uns zu teilen?

Mia

4 Kommentare zu “Wie lernt man, Diabetes-Bedürfnisse zu kommunizieren? – Teil 2

  1. Tatsächlich war ich nie in der Öffentlichkeit auf Hilfe angewiesen…aber ich saß schon einmal bei einem Elternabend als Lehrerin und war unterzuckert und war nicht in der Lage, etwas zu essen… ich habe mich das nicht getraut – so auf offener Bühne.. das war tatsächlich schwierig, weil ich mich kaum konzentrieren konnte und auch vermutlich nicht mehr so ganz logisch gesprochen habe. Da es aber dem Ende des Abends zuging, habe ich versucht das durchzuziehen… es ist am Ende gut gegangen..hätte aber auch schief gehen können.
    Es ist in solchen Situationen schwer, sich das Recht raus zu nehmen, Maßnahmen zu ergreifen…auch heute fällt mir das noch schwer.

  2. Hallo liebe Caro!
    Das hört sich ja auch ganz schön wild an bei dir. Tatsächlich finde ich es auch im professionellen Kontext oft gleich noch schwerer wirklich das zu tun was man jetzt gerade tun muss. Ich habe mir fest vorgenommen, nie mehr nichts zu essen, wenn ich wirklich im Unterzucker bin. Mal sehen, ob ich das bei meinem neuen Job so gut hinkriege. Ein neues Umfeld, in dem man sich quasi auch erstmal ‘beweisen’ muss macht das ja immer nochmal schwieriger. Aber ich denke, ich schaffe das.
    Würdest du denn heute anders handeln, wenn es nochmal passieren würde?
    Liebe Grüße! Mia

    1. Da bin ich mir tatsächlich nicht sicher… das ist ja das Schlimme
      Man weiß, man muss es… aber…
      Und eigentlich hätte wohl auch jeder Verständnis…Dennoch fällt es (mir) sehr schwer..

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