Ungeplant schwanger werden wollte Lisa mit ihrem Typ-1-Diabetes nicht. Und doch ist es passiert. Viele Umstellungen prasselten am Anfang auf sie ein. Diese Erfahrungen möchte sie gerne mit euch teilen.
1. Wenn möglich, sollte die Schwangerschaft gut geplant sein
Als Mensch mit Typ-1-Diabetes wird einem immer gesagt, dass man eine Schwangerschaft möglichst vorher planen sollte. Damit es einem selbst und dem Baby gut geht, sollte der Blutzucker schon vorher gut eingestellt und die passende Therapie gefunden werden. Natürlich kann man das auch gleich zu Beginn der Schwangerschaft machen, aber oft hat man dann so viele andere Dinge im Kopf und zu erledigen, dass es einfach schöner ist, wenn man zumindest die Suche nach der geeigneten Therapieform abhaken kann. Außerdem weiß man eben nie, wie es einem so geht während der Schwangerschaft.
Ich selbst bin Anfang des Jahres ungeplant schwanger geworden und hatte in den ersten Wochen ganz schön zu kämpfen, meine Gefühle, Gedanken, alles Organisatorische und den Diabetes unter einen Hut zu bekommen. Vor allem, da ich die meiste Zeit mit starker Übelkeit zu kämpfen hatte.
2. Neue Zielwerte
Denn in der Schwangerschaft gelten etwas andere Regeln und vor allem andere Ziele als zuvor. So sollte nach den DDG-Praxisempfehlungen eine möglichst normnahe Stoffwechseleinstellung angestrebt werden. Das bedeutet einen HbA1c-Wert von unter 7, besser aber noch unter 6,5%. Deswegen liegt der Blutzuckerzielbereich nüchtern und vor dem Essen während einer Schwangerschaft bei 65 mg/dl (3,6 mmol/l) – 95 mg/dl (5,3 mmol/l). Eine Stunde nach dem Essen sollte er nicht über 140 mg/dl (7,8 mmol/l) liegen und zwei Stunden nach dem Essen am besten schon wieder unter 120 mg/dl (6,7 mmol/l).
Für mich war dies erstmal eine Umstellung. Gestartet bin ich mit einem HbA1c-Wert von 7,5%, denn mein Diabetes war einige Wochen außer Rand und Band. Das musste ich zunächst wieder in den Griff bekommen. Und sich dann an die neuen recht niedrigen Zielwerte zu gewöhnen, dauerte ein paar Wochen.
3. Neuer Insulinbedarf
Die Umstellung war für mich nicht so leicht, weil sich mein Insulinbedarf komplett verändert hatte. Eigentlich liest man häufig davon, dass Frauen ihre Schwangerschaft bemerken, weil ihr Insulinbedarf fällt. Bei mir war jedoch das Gegenteil der Fall. Ich spritzte Insulin wie Wasser und bekam meinen Blutzucker einfach nicht runter. Deswegen auch der erhöhte HbA1c-Wert zu Beginn der Schwangerschaft. So durfte ich also erstmal wieder meine Basalrate und Faktoren testen. Was gar nicht so einfach ist, wenn so viele Veränderungen anstehen. Schon im ersten Trimester habe ich gemerkt, dass sich mein Insulinbedarf mehrfach geändert hat. Immer wieder musste ich meine Faktoren und auch die Basalrate neu ausrichten.
4. Neue Insulinsensitivität
Erschwerend kam hinzu, dass sich eben meine Insulinsensitivität ebenfalls ständig änderte. Zunächst brauchte ich einen langen Spritz-Ess-Abstand, dann musste ich einige Wochen spritzen, nachdem ich mit dem Essen schon halb fertig war, weil ich ständig unterzuckerte. Nach der 12ten Woche konnte ich dann wieder anfangen, den Spritz-Ess-Abstand einzuführen. Mittlerweile benötige ich oft einen SEA von 30-45 Minuten, das Ganze hängt natürlich auch von meinem Ausgangsblutzucker ab. Wie ihr seht, arbeiten der Körper und besonders die Hormonausschüttung auf Hochtouren, so dass kaum ein Tag vorhersehbar war. Ich hatte mich auf all das eingestellt und hatte viel gelesen. Trotzdem waren die ersten Wochen für mich selbst wirklich anstrengender, als ich es mir vorgestellt hätte. Ich kam mir vor wie ein absoluter Diabetes-Neuling. Alles, was 20 Jahre lang mehr oder weniger gut funktioniert hatte, half nun gar nichts mehr. Ich musste mich, meinen Körper und auch meinen Diabetes neu kennenlernen. Und dass gefühlt alle paar Tage aufs Neue. Zum Glück hatte ich wenigstens schon die passende Therapieform für mich gefunden, mit der ich die Schwangerschaft gut hinbekommen würde.
5. Neue „Hypo“-Symptome
Auch neu waren einige „Hypo“-Symptome. Eine taube Zunge kannte ich schon von wirklich niedrigen Werten. Doch nun wurde mein ganzer Mundbereich taub, ich konnte kaum kontrolliert kauen oder etwas schmecken. Und das schon bei einem moderat niedrigen Wert. Auch mein Geschmack änderte sich. Dafür blieb das Zittern weg. Mit der Zeit konnte ich meine Unterzuckerungen immer später wahrnehmen, was natürlich auch an dem niedrigeren Zielbereich lag. Genau da liegt während einer Schwangerschaft sogar die Gefahr.
Ganz schön viel, oder? Das kann am Anfang erschlagend oder überfordernd wirken.
Lasst euch davon jedoch keine Angst machen! Was hier zunächst viel erscheinen mag, dient der Aufklärung. Im Alltag sind wir alle schließlich Profis im Umgang mit unserem Diabetes und auch, wenn der Eindruck täuschen mag: Eine Schwangerschaft mit Typ-1-Diabetes ist kein Hexenwerk! Besonders mit dem richtigen Diabetes-Team an seiner Seite.
Im zweiten Teil hört es mit den neuen Situationen, Wehwehchen und neuen Rechten aber auch noch nicht auf.
Video: Schwangerschaft mit Typ 1 – Tipps, die ich mir schon früher gewünscht hätte – Auch Kathi ist Mama mit Typ-1-Diabetes und hat ihre Erfahrungen zum Thema geteilt!
Hallo Lisa
Ich kann mich so gut in allem wiederfinden was du schreibst. Und ehrlich gesagt find ich es schon extrem anstrengend und belastend die ganze Zeit von Anfang an.vuelleicht auch deswegen weil ich zu Beginn der ssw nach 10 Jahren ict eine Pumpe bekommen habe was zusätzlich Neuland war.
Was kannst du sagen wie oft man einen EA Versuch machen sollte.vom Gefühl her würd ich ständig einen machen um sicher gehen zu können das es passt und nicht schon wieder verändert hat?
Auch der essabstand beim bolus ist echt umständlich im Alltag aber notwendig . Aber du beginnst dann zu esse wenn du schon fast im Unterzuckerung bist oder um die 140 nach 1 std.zu schaffen. Lg Verena
Hallo Verena, ich mache das sehr Situationsabhänging. Wenn es mal nicht passt, dann verbuche ich das erstmal als “blöd” gelaufen, wenn es vorher immer gepasst hat. Oder ich überlege, ob an dem Tag/ der Situation etwas anders war als sonst. In der Regel beobachte ich gewisse Dinge 3-4 Tage. Wenn sich ein Muster einstellt oder es sich wiederholt, dann fange ich an etwas zu verändern. Aber eben auch nicht immer gleich sofort. 😉
Ansonsten arbeite ich immer ganz viel mit den Trendpfeilen von meinem rtCGM-System. Wenn der Pfeil bei einem guten Blutzuckerwert gleichbleibend ist oder fällt, dann esse ich. Nur nicht, wenn der Trendpfeil steigt und der Wert sowieso schon zu hoch ist. Dann heißt es erstmal warten, warten, warten 😀
Hallo Lisa, danke für deinen Beitrag. Er ermutigt mich. Ich habe vor genau einem Jahr die Diagnose Typ1 bekommen und wollte damals eigentlich mit der Familienplanung starten. Ein Schlag ins Gesicht. Nun, ein Jahr später, habe ich den Gedanken wieder aufgenommen trotz Typ1 Mutter zu werden. Mit einem HbA1c-Wert von 5,8 steht dem laut meiner Ärztin auch nichts im Weg. Dennoch mache ich mir Gedanken was die straffen Werte angeht, die du auch in deinem Beitrag nennst. Ich schieße nach dem Essen oft auch noch kurzzeitig über 10 mmol/l und morgens komme ich oft zwischen 7 und 8 an. Ich nutze aktuell auch noch Pens, habe aber eine Pumpe beantragt. Ich hoffe dass ich wenn ich nur noch mit kurzwirksamen Insulin arbeite und mir auch kleinere Einheiten als 1,0 spritzen kann vielleicht besser klar komme.
Wie war das bei dir oder auch euch anderen mit den Werten? Diese straffen von der DDG vorgegebenen Werte sind doch kaum machbar oder?
Ich freue mich hier eine Möglichkeit zum Austausch gefunden zu haben.
Gemeinsam sind wir stark! 🙂
Hallo Anni,
auch ich muss sagen, dass ich die Richt- und Zielwerte der DDG für absolut unmöglich gehalten habe. Und das nach 20 Jahren Diabetes. Denn egal was ich versuchte oder wie sehr ich mich anstrengte, ich schaffte es einfach nicht. Vor der Schwangerschaft habe ich viele andere gefragt, wie sie es geschafft und haben und bekam meistens die, für mich sehr unbefriedigende, Antwort: „Wenn du erstmal schwanger bist, wirst du sehen, dass es einfach irgendwie klappt.“ Richtig erklären konnte mir das kaum einer. Und heute gehöre ich doch tatsächlich dazu! 20 Jahre habe ich solche Werte nicht hinbekommen und jetzt, in der Schwangerschaft, halte ich sie schon die ganze Zeit über. Ich bin wohl selbst am meisten darüber überrascht! Ich kann nur mutmaßen, dass es die unheimliche Motivation ist, die einen umtreibt, sobald man weiß, dass man es für einen anderen kleinen Menschen tut. Leider geht das auch viel mit Ängsten Hand in Hand. Aber ich hatte noch nie so viel Kraft und Motivation es einfach durchzuziehen.
Was natürlich aber auch enorm hilft, ist die Hilfe, die man von den Ärzten und dem Diabetesteam bekommt. Man wird so engmaschig kontrolliert, hat Termine und alle werden wirklich alles tun, um dich bestmöglich zu unterstützen diese Werte zu erreichen. Zu letzt glaube ich auch, dass es ein bisschen an den Hormonen liegt. Zumindest bei mir. Nach einer enorm anstrengenden und schwankenden Anfangsphase war man Diabetes im zweiten Trimester zahmer und leichter zu managen als jemals zuvor!
Also, es klingt wirklich sehr hart, aber tatsächlich ist es nicht unmöglich und man bekommt das irgendwie hin. In uns steckt meistens viel mehr, als wir vorher glauben! ☺️
Okay ist immer ganz gut wenn man Infos von auch DIA Mamas bekommt finde ich.
Hallo,
ja auch ich wurde vor fast 20 Jahren ins eiskalte Wasser geworfen.
Mein Problem ist ich habe von klein auf einen schwer einstellbaren Diabetes.
Ich war ganz normal zur Vorsorge gewesen und dann hieß es nur Glückwunsch Sie sind ja schon in der 20ten Woche.Da saß ich dann und 1000 Fragen kreisten durch meinen Kopf,denn meine BZ Werte waren jenseits von gut und böse.Ständig fragte ich mich ist bei dem kleinen Bauchbewohner alles oki. Er war zwar ein Frühchen hat sich aber soweit gut entwickelt.
Bei der 2ten Schwangerschaft lief es auch ehr semi gut,aber meine BZ Werte war supi und auch der Langzeitwert war top. Diese SS konnte ich wenigstens von Anfang an genießen.
Unsere Kleine hat zwar auch wie ich Typ1,aber wir rocken unser Monsta.
LG Sandra
Ich hatte eine Traumschwangerschaft, wenn es auch ungeplant geklappt hat während einer Insulinumstellung aber da ich es so früh wusste, war der Urin test noch nicht mal positiv, musste 1,5 Tage warten ob oder ob nicht. Danach würde ich sofort optimal eingestellt und betreut, nahm erstmal 5kg ab, weil ich so streng mit mir war… Und das alles ohne CGM und mit Pen. Hätte nie gedacht, daß ich 5,4 Hba1 schaffe aber doch Ich hab voll gearbeitet bis zum Schluss und es ging mir super. Meine Tochter ist jetzt 21 J und kerngesund. Das mit dem tauben Gesicht kenne ich übrigens auch bei Low auf dem Messgerät während der Schwangerschaft