Technologie und Technik(en) im Umgang mit Diabetes

Löst die Technik alle Probleme im (Diabetes-)Leben? Leider nicht. Zur funktionierenden Technik braucht es auch zuverlässige Techniken, das verdeutlicht Mirjam mit einem schönen Beispiel.

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Die Technik macht’s – aber wie? Wie gut? Was genau? Und was auch nicht? Ohne Glukosesensor und Insulinpumpe wäre mein Diabetesmanagement deutlich schwieriger – aber Technik ist kein Heilmittel und die Arbeit muss ich nach wie vor selbst machen. Außerdem haben Pumpen und Sensoren durchaus mal Aussetzer und Lade- oder Verbindungsprobleme. Um mit dem Diabetes-Alltag umzugehen, sind dann meine eigenen Techniken gefragt. Als Architektin und Bauherrin möchte ich euch in mein Diabetes-Haus (oder eher meine „Sagrada Familia“) einladen und euch einen Einblick in die Bautechnik und Statik geben.

Quelle: Johanna Mechler

Ein solides Fundament

Das Fundament sind Insulin und Zuckerwerte – ohne Insulin fällt gleich alles in sich zusammen, und ohne Blutzuckerwerte ist es extrem schwierig, Entscheidungen zu treffen, die kein größeres oder kleineres Erdbeben auslösen. Erdbeben oder Erdrutsche, Sturmfluten und andere Naturkatastrophen gibt es im Übrigen auch, wenn das Insulin nicht ordentlich ankommt oder ich mit falschen Informationen (also ungenauen Sensorwerten) arbeite. Also brauche ich erstens den Rest des Hauses und zweitens gute Ausgleich-Techniken.

Quelle: Johanna Mechler

Ein Haus, oder eher eine „Sagrada Familia“?

Mein Haus hat drei (mehr oder minder) solide Wände – Ernährung, Sport und Schlaf – eine Glasfront, damit ich die Perspektive nicht verliere, und natürlich ein Dach, damit es nicht reinregnet. Aber ich kann euch sagen: Dieses Haus ist wie die Basilika „Sagrada Familia“ in Barcelona. Es wird und wird nicht fertig, und ständig ist ein Bautrupp da. Irgendwo sind immer Risse, regnet es rein, lässt der Wind Türen und Fenster laut zuschlagen oder gehen Fenster zu Bruch, sodass es für eine Weile eher ungemütlich wird.

Quelle: Johanna Mechler

Du bist, was du isst?

Doch zurück zu den Wänden – Ernährung, Sport, Schlaf. Mein Körper gibt mir immer wieder sehr schnell zu verstehen, dass er von Essen mit allzu vielen Kohlenhydraten nicht viel hält, und gerät völlig aus dem Häuschen, wenn ich mir eine Tafel Schokolade gönne. Dass die Kombination aus Zucker und Fett ernährungsphysiologisch nicht toll ist, weiß ich ja – aber dass zum Beispiel auch zu viele Milchprodukte oder Fleisch den Stoffwechsel ganz schön beeinflussen, überrascht mich dann doch immer wieder. Also verbaue ich in meine Ernährungs-Wand vor allem Pflanzliches: viel Gemüse, Nüsse und Saaten. Eier und Käse, damit auch alles schön zusammenklebt. Ab und an Fisch oder Fleisch, und gelegentlich dann doch was Süßes – schließlich will das Knusperhäuschen ja auch verziert werden. Doch wenn draußen zu viel Deko hängt, dann wird die Wand instabil, und die drei anderen Wände müssen mehr tragen.

Von Sport, Schlaf und Perspektive

Sport ist da ein großartiger Ausgleichsfaktor: Wenn ich besser im Training bin, kann ich mir mehr süße Deko am Hexenhäuschen leisten (und brauche manchmal sogar welche!). Damit ich die Energie für den Sport habe, brauche ich genug Schlaf. Überhaupt: Wenn ich übermüdet bin, spielen meine Hormone und dadurch auch der Zucker verrückt. Frisches Essen zu kochen, ist mir dann zu viel Arbeit, und mit zu wenig Schlaf fühlt sich alles viel anstrengender und schlimmer an als sonst. Um den Blick in die Landschaft zu genießen und nochmal an Perspektive zu gewinnen, fehlt mir die Muße, und außerdem kann ich ja ohnehin kaum die Augen offenhalten. Da reiße ich dann schon mal schnell frustriert alle Wände ein und verstecke mich unter dem Dachstuhl, der als Zelt auf den Boden gefallen ist – und mache mich nach einer Weile an den Wiederaufbau.

Quelle: Johanna Mechler

Techniken nicht nur für den Körper, sondern auch für Kopf und Herz

Während das Fundament und die Wände vor allem die rein körperlichen Bedürfnisse abdecken, ist das Dach der Kitt, der alles zusammen- und trockenhält: die seelische und moralische Unterstützung von Familie und Freund:innen, die mir einfach zuhören, wenn ich meinen Frust rauslassen will, aber auch Meditations- und Achtsamkeitstechniken, die ich selbst aktiv nutzen kann. Beides hilft, immer wieder den Ausblick aus den Panoramafenstern zu genießen, so lange sie noch stehen, und den Bautrupp an die richtige Stelle zu schicken, um die anderen Wände zu stabilisieren.

Quelle: Johanna Mechler

Es wird nie langweilig

Und so sieht mein Bauprojekt immer wieder anders aus, mal ist die eine Wand dicker als die andere, mal klafft auf einer Seite ein großes Loch oder ist eine Plane über ein zerbrochenes Fenster gespannt, und mal laufe ich Runden durch den Garten, um die Knusperhäuschen-Deko zu begutachten. Mittlerweile finde ich es meistens eher spannend, dass mein Haus sich ständig verändert und nie fertig sein wird – in einem Fertighaus von der Stange zu wohnen, wäre sicher langweilig!


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