Vertrauen, Kontrolle und eigene Technik(en)

Der Traum vom (Hybrid-)Closed-Loop begleitet Mirjam genauso wie viele andere Menschen mit Diabetes. Doch um das passende System für sich zu finden, braucht es Zeit und das Wohlwollen der Krankenkasse.

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Frustriert starre ich auf meinen Teller und versuche abzuschätzen, wie viel Insulin ich für mein Essen brauche. Noch ein bisschen abziehen, weil ich ja nachher noch zu Fuß unterwegs bin, aber vielleicht brauche ich auch etwas mehr, weil ich ziemlich schlecht geschlafen habe. Dieses ständige Mitdenken, Rechnen und Entscheiden ist manchmal echt anstrengend. Was wäre es schön, die richtige Dosis zu kennen – oder nicht darüber nachdenken zu müssen, weil jemand anders sich darum kümmert.

Der Traum vom Closed-Loop

Genau das versprechen Closed-Loop-Systeme. Die Technik nimmt dir die Arbeit ab, dein Zucker läuft stabil und passt sich an dein Leben an anstatt umgekehrt. Ein verlockender Gedanke. Doch so ganz geheuer ist mir das nicht, denn: Wenn ich die Technik mein Zuckermanagement übernehmen lassen soll, dann will ich, dass sie mit möglichst genauen Zuckerwerten arbeitet. Und damit habe ich bisher gemischte Erfahrungen gemacht.

Erste Gehversuche mit FreeStyle Libre und Dexcom

Im Sommer 2016 kann ich zum ersten Mal den FreeStyle Libre testen und bin begeistert – Scannen statt Stechen, schnell, einfach, auch wenn meine Hände gerade schmutzig oder verschwitzt sind. Und dazu eine Kurve, die mir nicht nur einen einzelnen Wert, sondern auch den Trend zeigt. Klasse! Allerdings stelle ich ziemlich bald fest: Der Trend bringt mir mehr als der Wert, denn der ist oft nicht sonderlich genau.

Quelle: Mirjam Eiswirth

Also teste ich kurz darauf den Dexcom. „Piep, piep, piep!“ Müde drehe ich mich um und schaue auf mein Handy. Es ist mitten in der Nacht, ich habe morgen einen wichtigen Termin, und der Dexcom ist der Überzeugung, mein Zucker sei unter 40 mg/dl (2,2 mmol/l). Entsprechend tut er seit zwei Stunden laut piepend sein Bestes, mich dazu zu bewegen, das zu ändern. Ich fühle mich aber völlig in Ordnung, mal abgesehen davon, dass ich gerne schlafen würde. Eine Gegenmessung zeigt 90 mg/dl (5,0 mmol/l), also alles wunderbar. Doch was tue ich mit dem schreienden Gerät? An die Wand werfen ist keine Option, das Handy brauche ich noch. Ich erinnere mich an den Tipp einer Freundin und schließe Kopfhörer an. Endlich Ruhe! Da der FreeStyle Libre in Edinburgh von der Krankenversicherung übernommen wird, wechsle ich erstmal wieder zu diesem System und genieße es, nicht unnötig geweckt zu werden.

Endlich loopen

So praktisch das Scannen auch ist, der Wunsch nach Urlaub vom Diabetes lässt mich nicht los. So ein Closed-Loop, das wäre schon was Feines. Und die Sensoren dafür sind bestimmt genauer, denke ich mir. Im Frühjahr 2020 habe ich endlich die Möglichkeit, die Technik auszusuchen, mit der ich arbeiten will. In leichter Corona-Panik entscheide ich mich für die MiniMed 670G von Medtronic, zusammen mit dem Guardian 3. Dass ich den kalibrieren muss, weiß ich zwar in der Theorie, aber so schlimm kann das ja nicht sein. Und wenn ich Sensor und Pumpe die Insulinabgabe steuern lassen soll, dann fühle ich mich mit Kalibrieren sicherer. In der ersten Woche habe ich ständig Kopfschmerzen und bin frustriert, denn das System hält mich konsequent über 140 mg/dl (7,8 mmol/l) laut Sensor – und der gemessene Blutzucker liegt für mich meist 30-100 mg/dl (1,7-5,6 mmol/l) höher. Auch das Kalibrieren frustriert mich, denn jetzt weckt mich die Pumpe nachts, weil sie frische Blutzuckerwerte will. Nach drei Wochen haben sich Sensor und Algorithmus noch immer nicht mit meinem Körper angefreundet und ich beschließe, erstmal nur die SmartGuard-Funktion zu nutzen, also die nächtliche „Hypo“-Abschaltung.

Vergleich mit den Alternativen

Auch ein zweiter Versuch mit dem Algorithmus läuft für mich nicht besser, und schließlich bin ich so genervt von den Kalibrierungen und der Ungenauigkeit der Sensorwerte, dass ich die neuen Versionen von FreeStyle Libre und Dexcom im Vergleich zum Guardian teste. Die Grafik zeigt Guardian-Werte in Blau, Dexcom in Grün und Blutzuckermessungen zur Kontrolle in Orange. Die Blutzuckerwerte sind meist ein Stück höher als die vom Guardian 3, während sie genau auf oder nah an der Dexcom-Messung liegen. Damit ist für mich die Entscheidung klar – den nehme ich. Und irgendwann kann ich vielleicht ein Hybrid-Closed-Loop-System testen, das mit dem Dexcom gekoppelt ist.

Quelle: Mirjam Eiswirth

Bis dahin nutze ich die Technik, der ich vertraue, zusammen mit meinen eigenen Techniken im Umgang mit Diabetes 😊


Offiziell (hybrid) loopen mit Omnipod und FreeStyle Libre? – Susannes Erfahrungen mit einem Hybrid-Loop und dem Omnipod!

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