Ganz dünnes Eis – darf ich über Menschen und deren Diabetes lachen?

Michelle stellt sich die Frage: Wann darf ich über den Diabetes lachen? Dürfen andere über ihren Diabetes lachen? Darf man generell über Krankheiten lachen?

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Quelle: Michelle Schmidt

Schwieriges Thema. Aus dem Bauch heraus würde ich „Nein“ antworten, da eine Krankheit, egal ob Diabetes oder etwas anderes, so schon eine Last ist. Die Frage stellt sich hier, ob Humor in dem Fall verschlimmert oder verbessert. Beides? Meiner Meinung nach alles eine Frage der Perspektive und der Person. Jeder Mensch ist anders und jeder geht mit den Päckchen, die er tragen muss, anders um. Was für einen witzig ist, ist für den anderen eine tägliche Last, die ihn dauernd beschäftigt. Hier ist Feingefühl gefragt.

Live-Beispiel aus meinem Leben:

Ich liebe Humor über alles! Eine Eigenschaft, die ich extrem wichtig finde, um mit einer Person gut klarzukommen. Aber Humor und Diabetes? Da Diabetes in meinem Leben nie groß thematisiert wird, gab es auch keinen Platz für Witze über die Krankheit. Sie war einfach da, unauffällig und sollte keine unnötige Aufmerksamkeit bekommen. Dann kam der Tag der Tage und der erste meiner Freunde hat darüber einen Witz gerissen. Wie soll ich damit umgehen? Ich war in dem Moment ziemlich verunsichert und habe mitgelacht. Im Nachhinein hat mich das Thema aber noch sehr lange beschäftigt. Darf er das? Woher nimmt er sich das Recht dazu? Will ich sowas überhaupt?

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Über mich als Person zu lachen, gehört für mich zum Alltag. Ich nehme nichts wirklich ernst und deshalb dachte sich der Kollege wahrscheinlich auch nichts Böses bei seinem Witz. Im Nachhinein hat mich der Witz aber doch sehr verletzt und ich würde so eine Art Humor nächstes Mal nicht tolerieren. Ich lass dich mal entscheiden, wie du reagieren würdest: Sommer-Tag, wir laufen zum Rewe, um Snacks und Essen für unser Grillevent zu besorgen. Der Weg war doch etwas länger als geplant und schwupp! befindet sich die Michelle in einem mittelschweren Unterzucker (um die 40 mg/dl bzw. 2,2 mmol/l, also vielleicht doch eher schwer!).

Humor gerne – aber im richtigen Moment

Verantwortungsbewusst, wie ich bin, hatte ich natürlich für den 5-Minuten-Walk rein gar nichts dabei und musste kreativ werden. Was hat SEHR viele Kohlenhydrate und kriege ich so schnell runter, dass mich nicht tausend Leute dabei anschauen? Sirup! Vielleicht nicht die schlauste Wahl, aber bei so einem Wert war die Hirnleistung wahrscheinlich auch nicht mehr in Bestform. Auf zum Sirup-Regal und erstmal die halbe Flasche auf ex! Was für mich eine Mischung aus vielen unguten Gefühlen war (Überlebensinstinkt, Angst, Scham, Schweißausbrüche, alles doppelt sehen etc.), sah von außen wohl ziemlich lustig aus. Kann ich verstehen, wenn ich es so runter schreibe, klingt es schon auch funny. Was ich nicht verstehen kann: In dem Moment ging es mir wirklich schlecht. Ich habe mich komplett hilflos gefühlt und trotzdem keine Hilfe, sondern Gelächter bekommen.

Bin ich daran auch teilweise selbst schuld? Ja! Wer nicht offen kommuniziert, was in ihm/ihr vorgeht, kann nicht von anderen erwarten, dass sie es einfach wissen. ABER: Wenn ich aus Überlebensnot eine Flasche Sirup mitten im Laden trinke, es nicht mal mehr zur Kasse schaffe, sondern die Flasche direkt beim Regal aufmache, dann könnte man ja vielleicht erahnen, dass irgendwas gerade nicht stimmt.

Was dem einen hilft oder ihn zumindest nicht stört, kann bei dem anderen tiefe Spuren hinterlassen

So viel dazu. Im Nachhinein darüber lachen finde ich persönlich gar kein Ding, aber in einer Notsituation erwarte ich zumindest von engen Freunden, dass sie für mich da sind. Aber auch hier ist das meine Meinung. Es gibt mit Sicherheit Menschen, die da toleranter sind, und auch Menschen, die gar nicht möchten, dass man sich über sie oder die Krankheit lustig macht. Was dem einen hilft oder ihn zumindest nicht stört, kann bei dem anderen tiefe Spuren hinterlassen oder den Heilungsprozess von offenen Wunden verlangsamen. Daher ist es umso wichtiger, feinfühlig zu sein. Achte darauf, wie der Mensch mit seiner Krankheit umgeht, und taste dich vorsichtig ran. Solltest du eine Grenze überschreiten, wirst du das schnell mitbekommen und solltest dich dementsprechend entschuldigen. Und falls dir das Rantasten zu doof ist, dann vermeide bei der Person am besten jeglichen Humor zu der Krankheit. Respektiere deren Einstellung, auch wenn du es anders siehst. Genauso erwarte ich Toleranz von den Betroffenen mit Diabetes. Niemand ist perfekt und, falls sich jemand einen Schnitzer erlaubt, sollte man nicht gleich den größten Aufstand machen, sondern der Person in Ruhe erklären, wie sich das Gesagte für dich angefühlt hat. Verständnis füreinander, für ein besseres Miteinander.


Auch Laura hat sich mit dem Thema Diabetes und Humor beschäftigt. Zu Lauras Gedanken zum Diabetes-Humor geht es hier.

2 Kommentare zu “Ganz dünnes Eis – darf ich über Menschen und deren Diabetes lachen?

  1. Schöner Beitrag, einfach mal aus dem Leben gegriffen. Sei froh das ihr bei Rewe gewesen seid und gleich einen Laden voller Möglichkeiten hattet. Für Außenstehende sieht das natürlich ganz schön witzig aus, ich glaube wären wir beide unterwegs gewesen hätte selbst ich in diesen Moment darüber geschmunzelt, allerdings erstmal unterstützend geholfen, doch ich bin eben auch in dieser Materie, die Frage ist ja auch in wie weit man manche Personen darüber aufklären will, flüchtige Bekannte will ich meinen Diabetes auch nicht unbedingt erklären, doch in Notsituationen müssen natürlich auch diese darüber bescheid wissen. Ich denke ein gewisser Witz ist extrem wichtig im Leben aber eine Krankheit die zu Notsituationen führt muss eben auch ernst genommen werden.

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