JA-PED 2022 – ein persönliches Resümee

Maren erzählt heute, passend zum Monatsthema, wie sie die JA-PED erlebt hat. Es gab einige sehr spannende Entwicklungen in der diabetologischen Pädiatrie!

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Quelle: JA-PED / Auf der Bult

Höhere Lebensqualität und längere Lebensdauer für Menschen mit Diabetes Typ 1 durch Früherkennung, einen früheren Therapiebeginn und intelligente Technik

Aber zunächst einmal die Sache mit dem Koffer…

… der wollte dieses Abenteuer nämlich partout nicht mitmachen, obwohl er nur aus München hätte kommen sollen und nicht aus Timbuktu. Ich erhielt ihn erst geschlagene zwölf Tage später zurück, als ich schon lange wieder zuhause war. Mit komplett improvisierter Kleidung und ohne jegliches Gedöns machte ich mich also auf in die Lübecker MUK, die mir als ehemaliges Nordlicht bestens vertraut war. Aber so hatte ich zumindest gleich ein Gesprächsthema, wenn man hier einmal versucht, auf der positiven Seite zu bleiben, und all den Stress außen vor lässt, denn es bedeutete, zwischen 19.45 Uhr am Anreiseabend und 8 Uhr am darauffolgenden Veranstaltungstag noch irgendetwas auf die Reihe zu bekommen in Sachen Kleidung, Kosmetik und Körperhygiene.

Endlich persönlich Hände schütteln!

Die JA-PED (Gemeinsame Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie (AGPD) und der Deutschen Gesellschaft für Kinderendokrinologie und -diabetologie (DGKED)) war für mich die erste Möglichkeit überhaupt, einige Akteure im Bereich der pädiatrischen Diabetologie einmal persönlich kennenzulernen, und so freute ich mich, als mir im Vorfeld ein kleiner Stand für mein Buch und mich zugesichert wurde. War ich doch vorher bereits im zum Teil regem Austausch mit Persönlichkeiten, Unternehmen, Initiativen und Institutionen wie Thomas Danne, Thomas Kapellen, Torben Biester, Karin Lange, „A World Without 1“, Dexcom, Novo Nordisk, VitalAire, Medtronic, Dianiño und den Zuckerschnuten gewesen, wurde es nun auch einmal höchste Zeit, persönlich die Hände zu schütteln – gut desinfiziert, versteht sich.

Einzig der Fakt, dass die Selbsthilfegruppen abgelegen im ersten Stock logieren mussten, wo es quasi keinen Publikumsverkehr gab, erschwerte die initiale Kontaktaufnahme. Also verließ ich meinen Stand die meiste Zeit und mischte mich aktiv unter die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

In einem Punkt historisch

Es war in einem Punkt, einmal abgesehen davon, dass diese Tagung seit der Corona-Zeit das erste Mal wieder in Präsenz stattfand, auch eine historische Tagung: Am ersten Kongresstag wurde mit der konstituierenden Sitzung der DGPAED (Deutsche Gesellschaft für pädiatrische und adoleszente Endokrinologie und Diabetologie) der Zusammenschluss der AGPD (Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie) und der DGKED (Deutsche Gesellschaft für Kinderendokrinologie und -diabetologie) besiegelt. Mit Fokus auf die Belange der pädiatrischen Diabetologie ist die DGPAED eine Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Die ersten Präsidenten der DGPAED sind die bisherigen Sprecher der beiden Fachgesellschaften, Dr. Dirk Schnabel und PD Dr. Thomas Kapellen.

Was ich mit euch teilen möchte…

Inhaltlich wurde ein bunter Reigen an aktuellen Themen geboten mit Schwerpunktlegung u.a. auf „Schulung und Versorgung“, „Hightech-Diabetologie“ und „Prä-Typ 1 bis Typ 3 Diabetes im Kindesalter“. Auch für mich spannend.

Hier meine Highlights in Stichpunkten:

  • Teplizumab, gerade frisch zugelassen in den USA, im Frühstadium (Prädispositionsphase 2) in Form von Infusionen über eine kurze Dauer täglich verabreicht, verzögert den Beginn der Insulinpflicht laut einer Studie um durchschnittlich 36 bis 48 Monate. Das Betazellsterben wird signifikant verlangsamt, der C-Peptid-Wert sinkt weniger stark ab. (siehe Grafiken)
Quelle: JA-PED / Auf der Bult
Quelle: JA-PED / Auf der Bult
  • Die Chance der Früherkennung von T1D, also noch im Prädiabetesstadium, liegt im früheren Therapiestart, durch den sogar auf Dauer (!) weniger Insulin benötigt wird, das HbA1c niedriger und die Zeit im Zielbereich höher ist.
  • Den Manifestationszeitpunkt von T1D hinauszuzögern, ergibt Sinn, gerade bei Kindern, denn im früheren Lebensalter ist die Progression der Krankheit stärker. Jedes gewonnene Lebensjahr bedeutet also eine Progressionsverlangsamung und somit auch langfristig mehr Lebensqualität. Laut Studie bedeutet derzeit eine Manifestation in einem Lebensalter bis zu neun Jahren im Schnitt eine um 16 Jahre verkürzte Lebenserwartung. (siehe Folie)
Quelle: JA-PED / Auf der Bult
  • Wer mit einer Ketoazidose in die Krankheit startet, hat langfristig mit einem höheren HbA1c zu rechnen.
  • In Bayern, wo es die Fr1da-Studie seit 2015 gibt, leben ca. 100.000 Kinder pro Jahrgang, also ca. 400.000 im Alter von zwei bis fünf Jahren. Pro Jahr werden ca. 30.000 Kinder in dieser Altersgruppe auf T1D gescreent.
  • Durch Fr1da konnte die Ketoazidoserate drastisch reduziert werden.
  • Wer sich nach Detektion bei der Früherkennung im Prädiabetesstadium 1b oder 2 befindet, muss innerhalb von zwei Jahren mit einer Manifestation rechnen.
  • Früherkennung hilft massiv, um langfristig die Lebensqualität von Menschen mit Diabetes zu erhöhen, da ein niedrigeres HbA1c, mehr Zeit im Zielbereich und insgesamt weniger Insulinbedarf mit weniger Aufwand erreicht werden können. Die erhöhte Lebensqualität wird auch anhand der deutlich reduzierten Anzahl an Folgeerkrankungen sichtbar.
  • Auch bei der Rentenversicherung können Anträge auf Reha gestellt werden. Oftmals werden diese schneller bearbeitet als bei der Krankenversicherung.
  • Seit 2015 übernimmt, auf eine Initiative der AGPD hin, die Krankenkasse die Kosten von Sensoren. Seitdem ist deren Nutzung stark angestiegen. (siehe Grafik)
Quelle: JA-PED / Auf der Bult
  • Das Denken in Basal- und Bolusinsulin ist mit der AID-Pumpen-Technologie (Automatisierte Insulin-Dosierung) strenggenommen überholt. Sinnvoller sind die Bezeichnungen anwenderinduziertes und systeminduziertes Insulin.
  • Sport: Es ist ratsam, die sportliche Aktivität möglichst ohne noch aktives Insulin zu starten. Mit AID-Systemen ist es sinnvoll, eventuell notwendige Kohlenhydrate erst ganz kurz vor Beginn der sportlichen Aktivität zuzuführen, da der Algorithmus sonst dagegen arbeitet und folglich eine Unterzuckergefahr besteht. Sofern es ein „Sportprogramm“ gibt, ist es ratsam, dieses bereits eine Stunde vor Start der Aktivität einzuschalten, damit sich der Algorithmus darauf einstellen kann. Nach dem Sport kann es sinnvoll sein, den Zielwert individuell noch bis zu sechs Stunden erhöht zu lassen, da der Körper weiterhin einen erhöhten Kohlenhydratverbrauch haben kann.
  • Achtung: Wenn z.B. bei Krankheit eine Zeitlang mehr Insulin benötigt wurde, lernt der Algorithmus von AID-Systemen dies. Es besteht nach der Gesundung in dem Fall ggf. eine Zeitlang ein erhöhtes Unterzuckerrisiko. Dasselbe gilt in die andere Richtung.
  • Eltern haben die Tendenz, bei AID-Systemen zu schnell und zu stark einzugreifen. „Einfach mal laufenlassen“ sollte hier mehr die Devise sein.
  • Für Kinder unter sechs Jahren in Deutschland werden derzeit als kommerzielles AID-System offiziell nur bei der YpsoPump krankenkassenseitig die Kosten getragen. Bei dieser befindet sich der Algorithmus allerdings auf einem obligatorischen Begleithandy. Dies führt wohl in der Erfahrung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer regelmäßig zu Abrissen in der Kommunikation mit der Pumpe und somit zu einer Unterbrechung der AID-Funktion in der Pumpe. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sprechen sich für eine größere Vielfalt an AID-Systemen für Kleinkinder aus. Studien hierzu laufen bereits.

Mein Resümee

Es waren aus meiner Sicht drei wirklich gelungene Tage, von denen ich das gute Gefühl mitgenommen habe, dass es wahrhaftig vorangeht in Bezug auf Technik und Therapieformen für Menschen mit Diabetes. Ich empfinde die pädiatrische Diabetes-Typ-1-Fachwelt als empathisch, unterstützend und hochgradig motiviert, die Lebensqualität von Kindern mit Diabetes nachhaltig Stück für Stück immer weiter zu verbessern. Danke hierfür und danke, dass ich auch im Rahmen des  #dedoc° voices Programms als „patient advocate“ Teil dieser großen Diabetes-Typ-1-Familie sein darf. (Anmerkung: für die JA-PED gab es keine #dedoc Stipendien, ich durfte mich auf private Initiative hin mit meinem Buch zu den Selbsthilfegruppen gesellen.)

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