Empathie ist nicht gleich Mitleid, Mitleid ist nicht gleich Empathie

Empathie und Zusammenhalt

Erinnert ihr euch auch an Situationen, in denen ihr wegen eurer chronischen Krankheit mehr Mitleid als Empathie erntetet? Kiara will nicht mehr, dass es um „Leid“ geht, wenn sie von ihrem Typ-1-Diabetes erzählt, sondern um Rücksicht.

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„Oh Gott! Das tut mir leid!“ Ich zucke zusammen. „Echt krass, voll schlimm.“ Ich zucke nochmal. Mein Kopf rattert. Wie reagieren, wie die Fassung behalten, wie die Situation retten – für mich, für sie, für uns beide? Ich will dein Mitleid nicht. Ich will, dass du mir zuhörst. „Ist schon okay.“

So oder so ähnlich war die Reaktion meiner Gesprächspartnerin vor ein paar Wochen, als ich ihr sagte, dass ich Typ-1-Diabetes habe. Diese Situation ist nur ein Beispiel. Ein Beispiel vieler ähnlicher Momente, in denen Personen auf mein Kranksein reagierten und es sich für mich unangemessen, irgendwie falsch anfühlte. Ich will nicht mehr, dass mir (oder anderen chronisch kranken und be_hinderten Personen), noch bevor ich einen Menschen richtig kennenlerne, ein Leid-Narrativ übergestülpt wird. Und damit sprachlich suggeriert wird, dass ich unter meiner Krankheit leiden sollte.

Die Vorstellung, dass krank zu sein automatisch mit Leiden einhergehen muss, begegnet uns ja auch nicht nur in privaten Kontexten. Sie wird auch durch Popkultur wie zum Beispiel die Darstellung von kranken und be_hinderten Rollen in Filmen fortführend reproduziert.

Sprache und wie vorsichtig sie verwendet werden muss

Dass die Sprache, die wir verwenden, dazu beiträgt, unsere gelebten Realitäten zu formen, ist keine neue Erkenntnis. Dennoch bringen mich solche Erlebnisse immer wieder in längere Auseinandersetzungen darüber, was für eine scharfe Waffe Sprache sein kann. Und wie vorsichtig sie verwendet werden muss. Meiner Gesprächspartnerin tat es offensichtlich sehr leid zu hören, dass ich Typ-1-Diabetes habe – was sie auch durch Lautstärke sowie Gestik und Mimik unterstrich. Vielleicht war es sogar genau das: die Lautstärke und der Ton, mit denen sie ihr Anliegen zum Ausdruck brachte, die mich so stutzen ließen und mir das Gefühl gaben, dass es hier nicht mehr um Empathie ging, sondern ich gerade bemitleidet wurde. Damit suggeriert sie, dass es in meinem Leben etwas gibt, was bemitleidenswert ist. Das erschwert mir bereits im Vorhinein die Möglichkeit, mein Leben als lebenswert sichtbar zu machen und darzustellen.

Wie sieht eine angemessene Reaktion aus?

Meine Gesprächspartnerin kann nichts dafür, dass sich in mir in den letzten Jahren viele Mikroaggressionen angesammelt haben aus all den Situationen, in denen ich Reaktionen nicht angemessen fand. Unter- oder übertrieben, relativierend, respektlos, grenzüberschreitend. Trotzdem ist sie in diesem Moment eine Person, die Teil des Mikroaggressionen-Fasses wird, welches schon lange am Überlaufen ist.

Empathie und Zusammenhalt
Quelle: Unsplash

Als ich mit einer Freundin über die Situation sprach, hat sie gefragt, was für mich eine angemessene Alternative wäre: Wie sollen Menschen reagieren? Wenn die Alternativreaktion der Standardsatz „Ach so, zum Glück nur Diabetes, damit kannst du ja heutzutage gut leben“ ist, dann sträubt sich in mir mindestens genauso viel. Meine Diagnose und meinen Alltag mit chronischen Krankheiten relativieren, das kann ich auch ohne Fremdeinwirkung schon ganz gut. Aber was dann? Ich wünschte, ich hätte für diese Frage eine Lösung. Eine pauschale Antwort, die für uns alle immer anwendbar ist. Aber wie so oft gibt es die nicht und ich berichte hier nur von meinen eigenen, ganz persönlichen Erfahrungen. Es mag sein, dass sich für andere Personen mit Typ-1-Diabetes eines der beiden Szenarien genau richtig anfühlt.

Zuhören, Rücksicht nehmen und Empathie zeigen

Eine Antwortsannäherung könnte sein: Solange nicht betroffene Personen nicht einschätzen können, was für eine Reaktion ihre Gesprächspartner:innen sich erhoffen, wünsche ich mir etwas mehr Rücksicht und wieder und wieder Empathie. Ein erster Schritt ist, wie so oft, einfach erstmal aktiv zuzuhören. Damit ich irgendwann nicht mehr mit „Ist schon okay“ reagieren muss. Sondern von mir selbst sagen kann, dass es manchmal blöd ist, aber dann bin ich die einzige Person, die definieren darf, wie sich mein Alltag mit einer chronischen Krankheit anfühlt und er aussieht.


Schenkt anderen doch bitte etwas Empathie – auch von Jasmin gibt es die Bitte um mehr Empathie!

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