Alte Träume wieder leben – auch mit Diabetes

Helau! Die Karnevalssaison ist zwar seit wenigen Wochen vorbei, Nathalie erinnert sich aber dennoch gerne zurück an die Zeiten vor Corona, als sie wieder mit dem Gardetanzsport loslegte. Denn schon für eine längere Zeit spielte sie mit dem Gedanken, wieder mit dem Tanzsport anzufangen, konnte dies aber aufgrund ihres Studiums leider nicht weiter verfolgen.

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Ganze 13 Jahre war ich Teil des Faschingsvereins meiner alten Heimat – das gesamte Jahr Training und Anfang des Jahres immer eine große Prunksitzung mit Garde- und Schautanzaufführung. Damals noch ohne den Diabetes und Gedanken darüber, wie sich mein Blutzucker verhält, wenn ich Sport mache. Doch dann kam das Studium, ich zog in eine andere Stadt und musste somit auch die Liebe zum Tanzen aufgeben. Ich habe es auch in anderen Vereinen versucht, aber vielleicht kennt ihr dieses Gefühl ja, dass es einfach nicht dasselbe ist.

Nathalie (rechts) mit einer Freundin (links) bei der Faschingssitzung ihres Vereins. (Quelle: Nathalie Bauer)

Endlich war der theoretische Teil meines Studiums abgeschlossen und das Praktikum brachte mich wieder in Richtung Heimat. Während meine beste Freundin noch immer in diesem Verein tanzt, wurde meine Sehnsucht nach der Gruppe und dem Tanzsport immer größer. Doch wie würde es sein, wenn ich nach einer so langen Pause wieder anfange zu trainieren? Abgesehen von meinem eher durchschnittlichen Fitnesslevel würde dieses Mal auch der Diabetes eine große Rolle dabei spielen. Gedanken über Gedanken, aber letztendlich gewann die Sehnsucht zum Gardetanzsport und ich kontaktierte meine alte Tanzgruppe.

Training? Corona sagt „Nein“!

Aber leider wurde aus normalem Training so gar nichts, Corona meldete sich und verfrachtete uns in das Onlinetraining. Also schlug ich mich mit allem erst einmal allein durch: Kondition aufbauen, die verrosteten Knochen wieder bewegen und die Bänder dehnen – und alles via Zoom. Der Blutzucker? Die ersten Trainingseinheiten musste ich öfter zum Saft greifen, lag vielleicht daran, dass ich nicht an die Basalrate gedacht habe. Und eins verrate ich euch direkt jetzt: Selbst nach knapp einem Jahr habe ich noch nicht den optimalen Dreh raus und probiere herum …

Nathalie beim Dehnen im „Home-Training“. (Quelle: Nathalie Bauer)

Der Sommer kam und es war uns möglich, dass wir im Freien gemeinsam als Gruppe trainieren können. Schnell wurde mein Diabetes Typ 1 zu einem Gesprächsthema, als ich während des Trainings meinen Arm abscannte und nach den intensiven Trainingseinheiten zum Traubenzucker griff. Seitens meiner Trainerin kam direkt die Frage, was sie im Notfall tun müsse, damit mir nichts Schlimmeres passiert. Und damit fing die Fragerunde an. Wie erwartet, kennen sich die wenigsten mit dem Krankheitsbild Diabetes mellitus im Allgemeinen aus und auch der „Typ 1“ war nur wenigen bekannt. Somit gab es meinerseits einen kleinen Crashkurs zum Thema „Nathalies neuer Begleiter und was zu tun ist, wenn es ihr nicht so gut geht“.

Wie wird die Gruppe reagieren?

Die Angst vor den Reaktionen war da, das kann ich nicht bestreiten. Denn auch ich bekam schon den ein oder anderen unangebrachten Kommentar, nachdem ich mehr über die Erkrankung erzählt habe. Aber entgegen allen Ängsten war die Gruppe daran interessiert, mehr zu erfahren, stellte Fragen und auch meine Trainerin sah sich das Notfallmedikament für eine schwere Unterzuckerung genauer an.

Nun ist einige Zeit vergangen und ich konnte trotz Corona erste Erfahrungen zum Training in der Gruppe sammeln. Ein paar Male ging der Alarm für einen niedrigen Glukosewert an und schon nach dem ersten Mal wurde es „normal“, dass ich mich für eine kurze Zeit mit einem Saft an den Rand setze und der Gruppe zuschaue. Auch für meine Insulinpumpe fand ich einen geeigneten Aufbewahrungsort – mein neuer bester Freund ist eine Sportleggins mit Taschen!

Die Insulinpumpe sicher in der Tasche der Sportleggins verstaut! (Quelle: Nathalie Bauer)

Mein Umgang mit den Blutzuckerwerten? Naja, wie schon anfangs verraten, bin ich immer noch auf der Suche nach einer geeigneten Vorgehensweise. Mal reduziere ich das Basalinsulin, dann explodieren die Werte in die Höhe. Ein anderes Mal ändere ich nichts an der Abgabe und ich rutsche in eine Unterzuckerung. Da unser Training sehr vielseitig aufgebaut ist, erschwert es das ganze Spielchen noch etwas mehr. Ich merke, dass ich durch Ausdauerübungen meinen Blutzucker senken kann, Muskelkraftübungen hingegen lassen ihn wieder ansteigen. Gardetanz ist eine Mischung aus beidem – man benötigt eine gute Ausdauer, um die knapp vier Minuten durchtanzen zu können, aber auch die Bein-, Arm- und Bauchmuskeln müssen gut trainiert sein, damit man die Schritte sauber und richtig ausführen kann.

Mein Fazit

Die Blutzuckerschwankungen, vermehrte Unterzuckerungen (leider auch nachts) und die sportliche Anstrengung – ist es das wirklich wert? Ja! Ich bereue es keine Sekunde, dass ich diese Herausforderung vor knapp einem Jahr angenommen habe. Klar, ohne den Diabetes wäre so vieles einfacher, auch der Tanzsport, aber er ist noch lange kein Grund, dass ich nicht meinen Träumen nachgehen kann – und das Tanzen stand schon sehr lange wieder auf meiner „To-do“-Liste. Ich werde mich weiterhin intensiv mit den Veränderungen meiner Zuckerwerte auf die unterschiedlichen sportlichen Aktivitäten auseinandersetzen und vielleicht schaffe ich es ja doch, dass ich ein Geheimrezept für den Gardetanz austüfteln kann. Das werde ich euch dann sicher nicht vorenthalten 😉 bis dahin – Helau!


In der #BSLounge gab es schon Berichte zu ganz unterschiedlichen Tanzstilen und -aktivitäten. Zum Beispiel von Susanne: Im Forró-Fieber – der Blutzucker tanzt mit

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