Der Einfluss von Diabetestechnologie (DT) auf die Diabetestherapie

Als neuer Coach in der #BSLounge zeigt Dr. Andreas Thomas die Entwicklung der Diabetestechnologie auf und teilt spannende Einblicke und Hintergrundwissen!

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Die gerätetechnische Ausstattung bei der Durchführung der Diabetestherapie wird immer bedeutsamer. Bestand Diabetestechnologie (DT) vor Jahrzehnten nur aus Glasspritzen und relativ starken Kanülen, so wird die Produktpalette heute von Insulinzufuhrsystemen wie Insulinpens (seit 1987) und Insulinpumpen (ebenfalls seit den 1980er-Jahren) bestimmt. Natürlich haben sich diese bezüglich ihrer Größe, Handhabbarkeit, ihres Designs und der Ankopplung an moderne Methoden der Informationsverarbeitung weiterentwickelt.

Der Weg zur intensivierten Insulintherapie (ICT)

Eine wenig im Fokus stehende, aber sehr wichtige Innovation sind Kanülen für die Injektion bzw. Infusion. Deren hohe Güte ist verantwortlich für eine weitestgehend schmerzarme Benutzung, was die Angst der Patienten vor der Selbstverletzung mindert. Das hat wesentliche Auswirkungen auf die Art der Insulintherapie. Vor vielen Jahrzehnten waren die dicken Kanülen eine Tortur, was zur Folge hatte, dass man mehrfaches Spritzen am Tag möglichst vermeiden wollte. Die Folge war eine Therapie mit zwei Gaben Mischinsulin/Tag (konventionelle Therapie (CT)), die bei Patienten mit Typ-1-Diabetes nicht den physiologischen Verhältnissen des Organismus gerecht wurde.

Quelle: Kirchheim-Verlag

Die Innovationen bei den Kanülen waren dann ein Argument für die Durchführung einer intensivierten Insulintherapie (ICT) mit 4-6 Injektionen/Tag, die sich aber besser an dem natürlichen Insulinbedarf des Patienten orientiert. Diese Kanülen sind sehr dünn (0,25 mm), besitzen einen Facettenschliff, womit die Haut sehr fein geschnitten wird, und eine Oberflächenbehandlung, die ein schmerzarmes Eindringen in das Gewebe garantiert.

Der Schritt zur Insulinpumpentherapie (CSII)

Im Zusammenwirken mit Insulinpens ist eine weitgehend leicht handhabbare, unauffällige Therapiedurchführung in der Öffentlichkeit gegeben. Das betrifft erst recht die Anwendung der Insulinpumpentherapie (CSII). Aber auch hier musste die Entwicklung moderner Pumpentechnik mit der Entwicklung dünner Kanülen für die Infusionssets und deren Fokussierung auf einen hohen Tragekomfort einhergehen.

Eine große Entwicklung mit ebenfalls weitreichendem Einfluss auf die Diabetestherapie hat es auch auf dem Gebiet der Glukosemessung gegeben. Aus einer Labormethode wurde zunächst eine leicht handhabbare, nicht ortsgebundene und aufgrund eines erschwinglichen Preises breit verfügbare Selbstkontrollmethode (SMBG – Selbstmessung der Blutglukose). Die Blutglukosemessung ist die zweite Säule zur Durchführung einer flexiblen, durch den Patienten selbst gemanagten Insulintherapie.

Ohne diese Form der Therapieunterstützung wäre eine ICT oder CSII nicht sicher durchführbar. Auch hier spielt eine eher weniger im Fokus stehende Innovation eine Rolle, nämlich die Technologie für eine möglichst gut handhabbare und schmerzarme Blutentnahme.

Quelle: Kirchheim-Verlag

Die Lanzetten besitzen einen Facettenschliff und die Stechhilfen sind so konzipiert, dass der Einstich sehr schnell und ohne seitliche Versetzung und deshalb weitgehend schmerzarm erfolgt.

Die Einführung vom kontinuierlichen Glukosemonitoring (CGM)

Durch das kontinuierliche Glukosemonitoring (CGM) mit Anzeige der aktuellen Glukosewerte (seit 2004 mit dem Guardian RT, die ab 2002 verfügbare GlucoWatch von Cygnus konnte sich nicht etablieren) erweiterte sich die Therapieunterstützung bis hin zu einer Therapiesteuerung. In einer ersten Phase gab die praktisch lückenlose Verfügbarkeit von Glukosedaten den Patienten jederzeit die Information über die Höhe und den Trend des Glukosespiegels (ICT plus CGM: sensorunterstützte Therapie (SuT); CSII plus CGM: sensorunterstützte Pumpentherapie (SuP)). Insbesondere konnte mit Hilfe von Alarmen rechtzeitig vor zu hohen, insbesondere aber sich abzeichnenden zu niedrigen Glukosewerten gewarnt werden. Ab 2005 erfolgte dann erstmals die Kopplung von Glukosemessung und Insulinzufuhr, also von CGM und Insulinpumpe (Paradigm Real-Time, später ab 2013 Animas VIBE).

Quelle: Kirchheim-Verlag

In einer zweiten Phase begann die Steuerung der Insulinzufuhr durch das CGM: Bei einer sich anbahnenden Unterzuckerung schaltet die Insulinpumpe die Insulinzufuhr automatisch ab, um zu tiefe Glukosewerte zu verhindern, und wieder zu, wenn diese Gefahr vorüber ist (2009: MiniMed Veo, 2012: MiniMed®640G; 2018: Tandem t:slim X2 BASAL IQ). Seit 2016 (MiniMed 670G; seit 2019 Tandem t:slim X2 CONTROL IQ) steuert das CGM die basale Insulinzufuhr auf Grundlage der gemessenen Glukosewerte und eines zugrundeliegenden Algorithmus, die erste Stufe eines AID-Systems (AID – automated insulin delivery), oft auch bezeichnet als Closed Loop. Die Gabe des Insulinbolus erfolgt noch manuell durch den Patienten, weshalb von einem Hybrid-AID die Rede ist. CGM hat somit teilweise die Therapiesteuerung übernommen. Weitere Ausbaustufen, wie die automatische Gabe eines Korrekturbolus (MiniMed 780G und Tandem t:slim X2 CONTROL IQ) sind der Zwischenschritt zum bald zu erwartenden Voll-AID.

Die Digitalisierung der Diabetestherapie

Der Übergang zur Therapiesteuerung ergibt sich auch über die Digitalisierung. Den Wunsch des Patienten vorausgesetzt, liefert CGM die Werte über die Cloud seines Smartphones an einen Großcomputer. Dieser ist gefüttert mit den personengebundenen Daten des Anwenders (Diabetesdauer, Insulinempfindlichkeit usw.) und dem wissenschaftlich fundierten und geprüften Studienwissen der Diabetologie. Dort werden die aktuell verfügbaren Daten analysiert und das Ergebnis als Vorschlag für das notwendige Therapiemanagement an das Smartphone zurückgesendet. Der Patient kann die von diesem Therapieunterstützungssystem (TDSS – Therapy Decision Support System) vorgeschlagene Handlung ausführen oder auch nicht.

Wenn man in der Vergangenheit Patienten mit Typ-1-Diabetes fragte, was sie sich wünschen, so waren zwei Antworten präsent: eine automatische Insulinabgabe und eine „unblutige“ Glukosemessung. Diese beiden Wünsche bestimmen die grundsätzliche Entwicklung der DT. Das Erstere besteht in der Zusammenführung von Glukosemessung und Insulinabgabe. Der Patient erhofft sich von einem AID, dass er sich möglichst wenig um sein Diabetesmanagement kümmern muss, um den Alltag weitgehend unabhängig davon zu gestalten. Er wird entlastet und kann auch weniger Therapiefehler machen. Die zweite wesentliche Richtung besteht in der Vermeidung von Selbstverletzungen. Im Grunde genommen wird das auch bereits durch CGM realisiert.

Das wahrscheinlich am häufigsten gesehene "Pflaster": Das FreeStlye Libre von Abbott
Quelle: Lisa Schütte

Das FreeStyle Libre minimiert die notwendigen Blutglukosemessungen, indem die Glukosewerte durch Scannen des Glukosesensors gewonnen werden (technisch ist das ein CGM, in der therapeutischen Anwendung aber an die Handlung des Anwenders gebunden, ähnlich SMBG). Auch das CGM-System Dexcom G6 muss nur dann mit einer Blutglukosemessung überprüft werden, wenn die Werte nicht plausibel erscheinen. Trotzdem sind nach wie vor verschiedene „unblutige“ Messverfahren in der Entwicklung. Grundsätzlich ist eine moderne Diabetestherapie an die Entwicklung der DT gebunden.

In den folgenden Beiträgen für die „Blood Sugar Lounge“ werde ich auf die Vielfalt der DT genauso eingehen wie auf die Entwicklungen, die die Therapie und das Therapiemanagement stark beeinflussen.


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