Tandem statt Fahrerwechsel

Ein Mann und eine Frau fahren Tandem in der Nähe des Meers.

Seit September probiert Mirjam den mylife-Loop im Alltag aus. Nach den ersten drei Monaten zieht sie hier vor dem nächsten Härtetest über die Feiertage eine Zwischenbilanz.

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Hinweis: Alle notwendigen Materialien (Insulinpumpe, Zubehör, Zugang zur Loop-App) wurden von Ypsomed zur Verfügung gestellt.

Nach 3 Monaten mylife-Loop im Alltag das Wichtigste zu Beginn: So ein Loop macht das Leben definitiv leichter. Nach mehr als 25 Jahren Selbstmanagement mit viel Disziplin und ohne Pausen kann ich mich gelegentlich zurücklehnen, den Loop seine Arbeit machen lassen und mich darauf verlassen, dass meine Zuckerwerte nicht eskalieren. Das ist für mich ein großer Fortschritt und eine riesige Erleichterung. Im letzten Text habe ich vom „langsamen Fahrerwechsel“ geschrieben. Mittlerweile würde ich sagen, der Loop und ich fahren Tandem und jeder leistet seinen Beitrag. Auch ich muss nach wie vor in die Pedale treten und lenken, aber bin dabei nicht mehr allein auf mich gestellt.

Symboldbild: Der Loop als Tandem-Partner im Diabetes-Alltag: Gemeinsam in die Pedale treten und lenken, aber auch mal loslassen dürfen. Ein Mann und eine Frau fahren Tandem in der Nähe des Meers.
© sashafolly – stock.adobe.com | Beim Loopen ist es wie beim Tandemfahren: gemeinsam in die Pedale treten und lenken, aber auch mal loslassen dürfen.

Aller Anfang ist schwer

Trotzdem fällt es mir manchmal noch schwer, den Loop seine Arbeit machen zu lassen und die „Verantwortung“ abzugeben. 26 Jahre permanente Selbstbeobachtung, Planung, Berechnung und Diabetes-Management lassen sich nicht innerhalb von ein paar Wochen abstreifen. Außerdem gibt es vier Punkte, an denen ich nach wie vor feile:

  • AID-Anpassung beim Sport
  • lange Unterbrechung der Insulinzufuhr bei „Hypos“ (bis zu vier Stunden, und danach steigen die Zuckerwerte natürlich enorm)
  • die richtige Bolus-Boost-Strategie bei Mahlzeiten mit viel Fett und Eiweiß
  • ketogene Ernährung mit Loop

All diese Punkte sind grundsätzlich lösbar, zur AID-Anpassung beim Sport zum Beispiel haben Ulrike Thurm und Bernhard Gehr eine hilfreiche Handreichung geschrieben. Und für alle drei Punkte gilt: ein etwas höherer Zielwert, sowohl im Kopf als auch im AID-System, könnte helfen.

Loslassen – Perfektionismus und Mikromanagement 

So ein Loop funktioniert dann am besten, wenn man ihn einfach in Ruhe seine Arbeit machen lässt. Das Leben ist komplex, der Körper noch komplexer, da kann nicht immer alles 100% perfekt laufen. Das tut es aber auch nicht, wenn ich das Management selbst übernehme. Und ehrlich gesagt kann dieses Loslassen auch ganz schön sein. Statt mir selbst Vorwürfe zu machen, warum mein Zuckerwert gerade nicht so ist, wie ich ihn gerne hätte, kann ich dem Loop die Schuld geben 😉. Das tut zur Abwechslung auch ganz gut. Klar braucht es trotzdem ein Troubleshooting, klar will ich auch verstehen, warum der Loop es nicht geschafft hat, den Zucker im gewünschten Rahmen zu halten, aber die Verantwortung dafür mit dem Algorithmus zu teilen, ist manchmal wirklich erleichternd. Damit gibt mir der Loop eine gewisse Leichtigkeit im Diabetes-Management zurück, eine größere Akzeptanz für etwas Chaos, und alleine das tut gut.

Der Loop schenkt Zeit und Energie

Wenn ich das mit dem Loslassen schaffe, dann habe ich plötzlich ganz viel Zeit und Energie, die ich bisher auf Berechnungen, Planung und Selbstbeobachtung verwendet habe – denn das übernimmt jetzt größtenteils der Loop. Gerade das Finetuning zwischen den Mahlzeiten kann ich ganz entspannt aus der Hand geben und wissen, dass die Zuckerwerte in einem annehmbaren Rahmen bleiben. Da wird ganz schön viel an Kapazitäten wieder frei 😊. 

Symbolbild: Der Loop ermöglicht neue Freiheiten im Alltag.  Er schenkt mehr Zeit und energie: Girls legs in red sneakers in a poppy field. Joy and fun concept.
© Model-la – iStockphoto | Der Loop ermöglicht neue Freiheiten im Alltag.

Die Nacht ist wie ein Reset-Knopf

Selbst wenn mal ein Tag nicht sonderlich gut gelaufen ist, habe ich über Nacht eigentlich immer die Chance auf einen Neustart. Ich gehe mit 180 mg/dl (10,0 mmol/l) ins Bett, oder der Zucker steigt auch in der Nacht mal auf 180 mg/dl (10,0 mmol/l), aber bis ich morgens aufwache, hat mich der Loop wieder zurück zu meinem Zielwert gebracht. Das ist ein riesiger Gewinn! Ausnahmen: sehr spätes oder schweres Essen. Da kommt dann auch der Algorithmus irgendwann nicht mehr gegen an und ich muss die Sache doch etwas genauer im Auge behalten.

Offene Baustellen

Der Loop scheint eine gewisse Menge an Kohlenhydraten zu brauchen, um gut zu funktionieren. Ohne Loop esse ich ketogen, also vor allem Fett und Eiweiß und sehr wenige Kohlenhydrate (hier findet ihr mein Kochbuch) mit ganz vielen leckeren Rezepten, die auch schmecken, wenn man einfach nur mal was Neues ausprobieren will). Die Mahlzeiten decke ich mit einem dualen Bolus ab – einen Teil des Insulins gebe ich sofort, den Rest über 60-90 Minuten verzögert. Theoretisch kann ich das mit dem Loop auch, als Bolus plus Boost, arbeite aber noch immer am Feinschliff. Und je weniger Kohlenhydrate ich am Tag insgesamt esse, desto schwieriger wird es. Da mir keto insgesamt sehr guttut, will ich hier noch weiter experimentieren.

Symbolbild: Im Alltag mit dem Loop muss auch nachjustiert werden. Collage von Zahnrädern, die von einer illustrierten Männer-Figur ausgerichtet werden.
© Ingo Bartussek – stock.adobe.com | Im Alltag mit dem Loop müssen ein paar Zahnrädchen noch feinjustiert werden.

Außerdem arbeite ich noch am Feinschliff, was Sport angeht, und am Bolus-Timing, wenn ich mal mehr Kohlenhydrate esse. Dazu werde ich in den nächsten Wochen eines der schnelleren Insuline ausprobieren. Gerade habe ich noch ein schnell wirksames Insulin im Reservoir, bald wechsle ich zu einem der neueren, die noch schneller wirken.

Im nächsten Artikel erfahrt ihr, wie es mit der Dosisanpassung beim Sport weitergeht und ob das schnellere Insulin etwas verändert 😊.


Hier geht es zu den ersten beiden Teilen von Mirjam Erfahrungsbericht

Teil 1: AUSPROBIERT: DER MYLIFE LOOP IM DIABETES-ALLTAG

Teil 2: LANGSAMER FAHRERWECHSEL: ZWISCHENSTAND BEIM AUSPROBIEREN DES MYLIFE LOOPS

Ein Kommentar zu “Tandem statt Fahrerwechsel

  1. Hallo zusammen,
    Erfahrungsbericht meinerseits: auch ich nutze seit September die Ypsopump mit Fiasp, Dexcom6 und CamAPS, als Smartphone ein gebrauchtes Pixel2 (sonst iphone). Seit Beginn erreiche ich ein TIR>70% und einen errechneten HBA1c von 7,0-7,1%. Die “Tutorials” auf der CamAPS-Seite und insbesondere die Aufzeichnungen der Themenschulungen sind sehr gut, zumal hier auch Anwender zu Worte kommen. Alles auf Englisch, aber gut zu verstehen.

    Also alles gut. Aus meiner Sicht sind noch schwierig:
    – Bewegung ab einer Belastung entsprechend “Spazierengehen”: hier verlasse ich ab 2 Std vorher den auto mode und nutze meine Sport-Erfahrungen der Vorjahre

    – die Angabe über “aktives Insulin” als Berechnungsgrundlage bezieht nicht das basal fertig abgegebene aber noch wirksame Insulin ein. Hier muss man sich die Grafik ansehen und selber abschätzen. Verlässt man sich nur auf die angegebenen Werte, ist das gefährlich. Wenn die Angabe ein echtes “insulin on board” wäre, also das mit der eingegebenen Wirkungsdauer mathematisch auf-integriert werden könnte, wäre das eine riesige Hilfe!

    – manches Verhalten des Algorithmus ist so rätselhaft, dass ich zeitweise zweifle, ob der persönliche Zielbereich beachtet wird: hohe Werte werden “manchmal” nicht entschieden bearbeitet und dümpeln ohne Intervention halbe Tage im 200er-Bereich. Umgekehrt gibt es in der Nacht auch bei 80er-Werten nennenswerte Insulinabgaben, die zu Hypos führen. Der Zielwert ist auf 104, trotzdem steuert die Automatik ca. 80 an. Gegenmassnahme wäre ein höherer persönl. Zielwert
    – das Dexcom 6 ist zwar sehr nah an blutigen Werten, aber im Bereich unter ca. 90 oft ca. 1mal/Woche falsch um 20 zu hoch. Und das entwickelt sich meist nachts, wenn man nicht kalibrieren kann. Das Freestyle Libre3 ist hier auch keine Lösung (nach 2 Sensoren Probe) und eher ungenauer, auch wg fehlender Kalibrierungsmöglichkeit. Die angestrebten niedrigen Werte müssen daher mind täglich blutig nachgemessen werden.
    – von der Betreuung zu Detailfragen her wird wohl noch know-how aufgebaut, die Anwender sind noch selten, die Hilfe seitens Diab.praxis eher allgemein. Ein direkter Kontakt zum CamAPS Team war im September noch möglich, inzwischen eher nicht, hier wird auf Ypsomed verwiesen.
    – Wünsche an die App:
    — echtes “insulin on board” anzeigen
    — zeitliche Erinnerung an Auto-mode-off (zu oft vergessen…)
    — größere Quittier-buttons bei Nachrichten oder aufgerufenen Infos
    — boost und ease-off farblich unterscheiden
    — im Speebildschirm deutlich den Betriebszustand anzeigen

    Fazit: trotz allem unverzichtbar, wenn man es erstmal hat.

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