Wie übertrieben ist mein „Hypo“-Horror?

Erschöpft nicht weiterlaufen können

Einen Pause-Knopf fürs Leben, wenn mal wieder eine Hypoglykämie Einzug hält – das wünscht sich Katharina. Aber in welchen Situationen bräuchte es so einen Knopf eigentlich?

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Ich habe im Alltag keine Angst vor Hypoglykämien („Hypos“). Das heißt, meine Gedanken drehen sich bei Blut- bzw. Gewebezuckerwerten im Zielbereich nicht die ganze Zeit darum, dass der Zuckerwert jetzt sinken könnte. Und ich – im schlimmsten Falle – bewusstlos werden könnte oder anderweitig auf Fremdhilfe angewiesen wäre. Eigentlich mache ich mir auch keine Sorgen, eine Hypoglykämie nicht oder erst spät zu merken. Beim Korrigieren von (zu) hohen Blutzuckerwerten mache ich mir keinen allzu großen Kopf, dass darauf eine „Hypo“ folgen könnte. Was – ganz nebenbei – im Idealfall ja auch gar nicht passieren sollte. Zuckerwerte unter 60 mg/dl (3,3 mmol/l) sind für mich unangenehm, sie nerven und kommen im Zweifel immer zur falschen Zeit. Aber sie machen mir keine Angst. Nicht im Alltag.

Und dann kommt der „Hypo“-Horror doch

Dank meiner ausgeprägten Fantasie gibt es aber immer wieder Momente, in denen mich ein „Hypo“-Horror ereilt. Sobald ich mir Situationen vorstelle, die eventuell, vielleicht und unter Umständen möglicherweise nun doch eintreten könnten. Und die sehen so aus:

  1. Ich muss (weg)laufen und kann nicht

Eine meiner häufigsten (überflüssigen) Gedankenspielereien ist diese: Ich muss unbedingt irgendwohin, hinter irgendwem her oder gar vor etwas weglaufen und eine Hypoglykämie macht mir einen Strich durch die Rechnung.

Erschöpft nicht weiterlaufen können
Quelle: Katharina Weirauch

Wie gesagt, das sind keine Alltagssituationen, mit denen ich mich da beschäftige. Aber wenn ich zum Beispiel mit der Bahn unterwegs bin und meine Umsteigezeit am nächsten Bahnhof – den typischen Verspätungen sei Dank – superknapp ist, kommen diese Gedanken. Ich werde mich beeilen müssen. Aber was, wenn mein Blutzucker bis dahin (noch weiter) sinkt? Zwar habe ich heutzutage die Trendpfeile meines rtCGMs, aber die helfen bei dem irrationalen Gedankenkarussell nicht.

Am schlimmsten ist es aber, wenn ich darüber nachdenke, was wäre, wenn ich mal in eine Gefahrensituation käme, zu dem Zeitpunkt unterzuckert wäre und mit einem Sprint forcieren würde, dass ich vielleicht zwar 50 Meter weitergekommen wäre, dort dann aber umfiele?

Könnte man im Leben vielleicht einen Pause-Knopf für „Hypos“ einbinden?

Play/Pause - Knöpfe
Quelle: Katharina Weirauch
  1. Die Magen-Darm-Infekt-Angst

Wenn ich einen Magen-Darm-Infekt habe, bin ich nervlich am Ende. So wie die meisten Menschen war ich noch nie der größte Fan davon, keine Nahrung bei mir behalten zu können. Aber seitdem ich einmal mit einer Unterzuckerung in das „Alles aussteigen“-Spielchen gestartet bin, bin ich bei jedem Bauchkneifen sofort komplett verzweifelt. Ich bekomme augenblicklich Kreislaufprobleme, die vielleicht einfach der Panik geschuldet sind, die die Situation aber auch nicht gerade entschärfen. Und wenn es sich dann tatsächlich als mehr als ein kleines Kneifen entpuppt, liege ich nur noch auf dem Badezimmerboden. Selbst wenn während der ganzen Sache mein Blutzucker bei >180 mg/dl (10,0 mmol/l) liegt, denke ich die ganze Zeit nur: „ICH DARF AUF GAR KEINEN FALL UNTERZUCKERN!“

  1. Ich kann oder darf nichts essen

Noch relativ harmlos ist die Sorge vor einem bzw. während eines Basalratentests. Da nervt es ja einfach nur, wenn das Prozedere abgebrochen werden muss.

Vor einem Zahnarzttermin, wenn man die Zähnchen schon blitzeblank geputzt hat, ist es ebenfalls ungünstig, aber auch die Situation ist lösbar. Wenn es aber nach dem Termin heißt, man solle einige Stunden nichts essen und nur Wasser trinken, werde ich schon deutlich hektischer. Für wen halten die mich? Miss „Ich habe meinen Diabetes voll im Griff und werde zu 100% nicht unterzuckert sein – komme was wolle!“?

Essen verboten-Schild
Quelle: Katharina Weirauch

Ähnliche Bedenken habe ich, wenn ich beispielsweise beim MRT bin und für längere Zeit nicht selbst handeln (oder überhaupt erst einmal den Blutzucker checken) könnte. Gegebenenfalls würde ich natürlich das rote Notfall-Knöpfchen drücken, aber meine persönliche Hürde, dass ich die „Hypo“-Symptome mit Nervosität verwechselt hätte, wäre doch recht groß.

  1. Ich habe keine „Hypo“-Helfer (mehr)

Apropos eingebildete Hypoglykämie-Symptome. Kennt ihr das, wenn euch in dem Moment, wo ihr merkt, dass ihr keinen Traubenzucker o.ä. dabeihabt, sofort schwummerig wird und beim Blick auf den Zuckerwert alles normal ist? So geht es mir manchmal, wenn ich nur kurz etwas einkaufen gehe und dabei den Traubenzucker aus Versehen zu Hause oder im Auto lasse. Eine selbstverschuldete Situation, die mich dennoch manchmal kalt erwischt.

Alternativ gibt es aber auch diese Tage, an denen der Diabetes mal wieder macht, was er will, und trotz eigentlich ausreichenden Süßigkeiten-Vorrats hat man auf einmal keine „Hypo“-Helfer mehr dabei. Und im Zweifel ist genau dann auch nirgends Hilfe in Form eines Kiosks in Sicht. Also nächstes Mal noch mehr Notfall-Traubenzucker einpacken?

Kopf- und Bauchspeicheldrüsenkino vereint

Rational betrachtet sind diese Hirngespinste weitestgehend überflüssig, ich weiß. Wie gesagt, meine Fantasie spielt da gerne mit – und den Teil mit der gefürchteten Geiselnahme im Supermarkt habe ich nicht mal erwähnt. Aber habt ihr auch so Horror-Vorstellungen von „Was wäre, wenn…“?


Wie sich eine Hypoglykämie bei Katharina äußert, hat sie in dem Beitrag Das ABC meiner #Hypo-Symptome beschrieben.

2 Kommentare zu “Wie übertrieben ist mein „Hypo“-Horror?

  1. Hallo Katharina,

    Ich habe auch häufig Angst in bestimmten Situationen eine Hypo zu bekommen.
    Besonders schlimm ist es, wenn ich zum Beispiel im Studium einen Vortrag halte oder eine Prüfung schreibe. Ich spritze davor meistens viel zu wenig oder schau dass die letzte Mahlzeit mehrere Stunden zurückliegt.

    Wenn ich mit anderen Leuten unterwegs bin, finde ich es auch immer mega nervig wenn ich eine Hypo bekomme und die anderen dann auf mich warten müssen.
    Oder an belebten Orten finde ich es schlimm, wo ich mich gerade nicht setzen kann und man dann auch das Gefühl hat, überrannt zu werden, wenn man stehenbleibt.

    In der Vergangenheit hatte ich auch Angst vor anderen Leuten, eine Hypo zu bekommen. Ich hatte Angst mich vor anderen Leuten outen zu müssen, dass ich Diabetes habe oder dass die Leute mich dafür verurteilen, weil ich meinen Blutzucker nicht unter Kontrolle habe.

  2. Sobald ich die Kontrolle abgeben muss, wie Du es zB beim MRT erwähnt hast, werde ich auch ganz nervös. Eigentlich reicht da schon der einstündige Termin beim Zahnarzt, dass ich hippelig werde, da ich nicht wie gewohnt auf meinen Empfänger schauen kann…

    Zum Glück war ich nur bei der Manifestation im MRT – damals war der BZ ja sowieso deutlich zu hoch. Beim nächsten Mal müsste ich mir einen Plan B überlegen. :/

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