Interessierst Du Dich für mich? Dann interessiere Dich für Diabetes! (Teil 2)

Vivi hat eine genaue Vorstellung davon, wie sie gerne nach ihrer Diabetes-Diagnose behandelt worden wäre. Sie verrät ihre Tipps und erzählt von weiteren Erfahrungen.

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[Dieser Beitrag enthält unbeauftragte Markennennung.]

Heute – über 15 Jahre nach meiner Diagnose – stelle ich mir vor, was mir damals als frisch erkrankte Diabetikerin eine Erleichterung und Aufmunterung gewesen wäre. Welcher Umgang hätte mir nach der Diagnose geholfen? Mich aufgefangen und angetrieben? Das fragte ich mich am Ende vom Beitrag Interessierst Du Dich für mich? Dann interessiere Dich für Diabetes! (Teil 1). Heute gibt es die Antworten.

Meine Top 10 im Umgang mit einem frisch diagnostizierten Diabetiker:

  1. Ich hätte mich gefreut, wenn mein Umfeld sich aus eigenem Interesse in das Thema „Diabetes Typ 1“ eingelesen hätte. Alleine das Wissen, welche „Typen“ es gibt und wie sie entstehen, wäre hilfreich gewesen und hätte den ersten Begegnungen nach der Reha viele Berührungsängste und Vorurteile genommen.
  2. Nach meiner Erkrankung hätte ich mich auch über Fragen gefreut, die ernsthaftes Interesse am Diabetes bekunden und Basis-Wissen mitbringen. Ich hätte gerne gespürt, dass mein Umfeld sich mit mir und der Erkrankung auseinandersetzt und man mich nicht alleinlassen will im Umgang mit dem neuen „Diabetes-Zwilling“:
  3. Ich wäre begeistert gewesen, wenn meine Eltern während meines Krankenhaus- und Reha-Aufenthalts bereits nach einem guten Diabetologen für mich gesucht und mir vorgeschlagen hätten. Beispielsweise über das Ärztebewertungsportal Jameda.de findet man heute leicht passende Ärzte in seiner Umgebung.
    Quelle: Pixabay
  4. Ich wäre sehr stolz gewesen, wenn meine Eltern statt eigener Philosophien und „Nachredens“ sich mit Diabetologen, Apothekern, Mitarbeitern der Krankenkasse oder des Roten Kreuzes (etc.) ausgetauscht hätten und sich pro-aktiv darauf vorbereitet hätten, was auf sie als Angehörige zukommtbzw. welche Rolle sie spielen (können)? Beispiel: Symptome einer Unterzuckerung und der Umgang mit einer Notfallspritze.
  5. Die gemeinsame Teilnahme an einer Diabetesschulung hätte mich sehr gefreut. Zudem wäre das wie in der Schule – vergisst der eine etwas, weiß es der andere vielleicht noch.

    Der Betroffene muss eine solche Schulung entweder während des Krankenhausaufenthalts, der Reha oder im Anschluss dessen besuchen. Es gibt auch Schulungen, wo Angehörige mitkommen dürfen/sollen – es wird seitens der Krankenkassen mittlerweile sogar begrüßt!

  6. Sich für ausgewogene Ernährung interessieren und gemeinsam neues ausprobieren. Auch ein tolles Kochbuch oder ein lustiger Kochkurs wäre ein schönes Geschenk nach dem Krankenhaus oder dem Reha-Aufenthalt gewesen.
  7. Anstatt zu kommentieren oder „tröstende Worte“ mitzuteilen, hätte ich ein normales Verhalten begrüßt, um das Gefühl der Normalität im Alltag zu haben.
  8. Statt Gemüse-Sticks und Wasser hätten meine Familie und Freunde „Hypo-Helfer“ wie Traubenzucker oder Gummibärchen in sämtlichen Taschen oder Schubladen verstecken können! Das wäre so aufmerksam und gleichzeitig hilfreich gewesen, weil ich am Anfang sowas immer vergessen habe.
  9. Das Unterlassen von vorwurfimplizierenden Suggestiv-Sätzen, Fragen oder Beurteilungen wie z. B. „was wäre, wenn…“, „hättest Du vielleicht…“, „andere haben das besser im Griff, weil…“ …

    Es muss klar sein, dass ein Typ-1-Diabetiker nichts für seine Erkrankung kann und dieser hätte weder vorbeugen noch diese hätte abwenden können.

     

    Quelle: Pixabay

     

    Der Betroffene muss seine Krankheit „wie ein Auto“ immer selbst steuern – über Stock und über Stein, Tag und Nacht. Mal fährt das „Auto“ geschmeidig um Kurven, mal stockt es oder hat eine Panne. Es kann sein, dass die Panne „auf Löcher in der Straße“ zurückzuführen ist oder von der eigenen „Fahrweise“ verursacht wurde. Als Angehöriger kann man dieses „Auto“ nicht fahren, also sollte man nicht zu einem „schlechten Beifahrer“ werden. Ich würde mir wünschen, dass das Umfeld einfach dabei hilft, die „Panne“ zu beheben – und sei es, dass jemand einfach da ist.

  10. Der Sozialverband VDK vertritt die Interessen von Behinderten und kümmert sich um die Beantragung von Schwerbehindertenausweisen. Ich habe erst 10 Jahre später von den Vor- und Nachteilen erfahren. Wenn mir solche Informationen herangetragen worden wären, hätte ich beispielsweise viel Geld von der Steuer zurückbekommen, Vergünstigungen annehmen und Sicherheiten (wie einen Kündigungsschutz) frühzeitig aufbauen können.

Lernen tun wir’s alle – doch was wirklich hilft, ist Liebe

Natürlich lernen und erfahren wir Diabetiker nach unserer Erkrankung alles rund um die Handhabung auch selbst und eigenständig – Stück für Stück, Jahr um Jahr. Es ist mir auch klar, dass man mir mein Leben mit Diabetes niemals abnehmen kann. Händchen halten muss man mir beim Spritzen sicher auch nicht.

Ich finde allerdings, dass sich der Diabetes direkt nach der Diagnose erst einmal anfühlt wie ein Fremdkörper. Es gibt so viele Widrigkeiten, mit denen man auf einmal konfrontiert wird. Das Spritzen, Messen oder Katheteranlegen – das ist anfangs doch beängstigend.

Quelle: Pixabay

Mit der Zeit wird der Diabetes zu einem festen Teil von einem selbst, doch das dauert. Der Weg dahin ist hart und gepflastert von Selbstzweifeln und selbstzerstörerischen Anfällen, in denen man manchmal einfach nicht „weitermachen“ will – leichtsinnig isst oder nicht isst, zu viel spritzt, zu wenig oder gar nicht spritzt. Ich bin sicher, dass der Umgang mit dem frisch diagnostizierten Diabetiker im nahen Umfeld großen Einfluss darauf nimmt, wie lange es tatsächlich dauert, um sich auch mit Diabetes wieder wohl zu fühlen.

Was wäre, wenn…

In diesem Artikel habe ich mir deshalb die Frage gestellt „WAS WÄRE, WENN…“. Würde ein anderer Umgang mit frisch diagnostizierten Diabetikern die Last auf den Schultern erleichtern? Würde es uns Diabetikern helfen, in die neue Lebenssituation hineinzufinden? Umgekehrt aber auch die Frage: Würde es unserem Umfeld den Umgang mit uns Diabetikern erleichtern, wenn sie sich schlicht mehr mit der Materie auseinandersetzten?

Die Antwort darauf ist wahrscheinlich so individuell wie wir selbst, einzigartig wie unsere Familie und unsere Freunde. Doch eines haben wir sicherlich gemeinsam:

Wer sich für ein Leben mit uns entscheidet, hat sich auch für unseren Diabetes entschieden.


Wie es ist, mit einem Menschen mit Diabetes zusammen zu sein, beschreibt der Freund von unserer Autorin Nadja: Die Beziehung mit einer Diabetikerin

2 Kommentare zu “Interessierst Du Dich für mich? Dann interessiere Dich für Diabetes! (Teil 2)

  1. Alles richtig, was du schreibst, nur überfordern wir unser Umfeld da nicht? Ich habe es genauso vor 10 Jahren erfahren.
    Auch für deine Eltern war die Diagnose, der absolute Schock!
    Das was sie dir so wünschten, war plötzlich in Frage gestellt.
    Auch in meiner Familie (habe Nachgeforscht) hat es Diabetes nie gegeben.
    Warum fange ich also damit plötzlich an?
    Auf diese Frage bekomme auch ich nie die richtige Antwort.
    Jetzt bekomme ich, immer öfter Befürchtungen, wenn es um meine Kinder und Enkel geht.

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