Hallo Welt, ich habe Diabetes!

Nach kurzen Startschwierigkeiten geht Nathalie offen mit ihrem Diabetes um. Was anfangs unbewusst geschah, ist heute ein fester Bestandteil ihres Lebens mit der Krankheit. Für sie stand nie zur Debatte, ihr Diabetes-Monster zu verstecken.

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Vorab möchte ich gerne festhalten, dass ich mit diesem Text niemanden persönlich angreifen möchte. Ich weiß, dass jeder anders mit Krankheiten umgeht und diese Meinungen bzw. Einstellungen möchte ich mit meinem Beitrag in keinster schlecht reden. Es ist wichtig, dass jeder von uns seinen Weg findet, wie er mit dem Diabetes umgeht. Ich möchte lediglich weitergeben, was mir persönlich sehr geholfen hat, den Diabetes so schnell zu akzeptieren und was mir enorm viel Selbstbewusstsein geschenkt hat.

Hallo Welt, ich habe Diabetes!

Für mich persönlich war es nie eine Frage, ob ich die Öffentlichkeit an meiner Krankheit teilhaben lassen möchte. Ich war mir anfangs auch nicht bewusst, dass es Menschen gibt, die ihren Diabetes vor anderen verschweigen und zum Spritzen des Insulins auf die Toilette gehen. Nach ersten Anlaufschwierigkeiten im Krankenhaus, wurde ich doch relativ schnell warm mit meinem neuen Begleiter. Da ich nur wenige Tage nach der Diagnose wieder an meinem Alltag teilnehmen musste, war ich mehr oder weniger dazu gezwungen, mein Umfeld mit einzubinden. Alles andere hätte in diesem Moment nicht funktioniert, da ich voll eingespannt in Hochschulprojekten und Gruppenarbeiten war. Angefangen habe ich bei meinen Professoren, die ich kurz und knapp über den Diabetes aufklärte und was sich nun für mich verändert hat. Ich bekam von niemandem eine negative Rückmeldung oder doofe Kommentare, ganz im Gegenteil.

Nach kurzer Zeit merkte ich, dass das Interesse meiner Mitmenschen doch größer war, als ich es am Anfang dachte. Ich lernte somit nicht nur für mich, sondern auch dafür, dass ich Nicht-Diabetiker aufklären konnte. Schnell bemerkte ich auch, wer es ernst meint und wer einfach nur doofe Sprüche klopfen möchte – wer kennt ihn nicht, den Satz: „Meine Oma hat auch Diabetes, aber du bist doch viel zu jung dafür!“

Quelle: Nathalie Bauer

Bisher keine negativen Erfahrungen

Da es für mich nie zur Debatte stand, ob ich den Diabetes zeige oder nicht, habe ich von Anfang an immer und überall meinen Blutzucker gemessen. Damals noch ohne FGM/CGM, packte ich also mitten in der Vorlesung mein Täschchen mit Messgerät, Stechhilfe und Teststreifen aus und pikste drauflos. Mir ist dabei nie aufgefallen, dass jemand bewusst gestarrt oder blöd geschaut hat.
Weiter ging es dann mit dem Insulinspritzen – natürlich egal wo! Ich sehe es als etwas Notwendiges, dass ich meine Medikamente nehme, unabhängig von der Umgebung. Wenn jemand eine Kopfschmerztablette nimmt, beschwert man sich doch auch nicht, oder? Auch damit habe ich bisher keine negativen Erfahrungen gemacht, und im Falle eines blöden Kommentars habe ich meine Antwort immer parat.

Quelle: Nathalie Bauer

Mit der Zeit bekam auch der ein oder andere Studienkollege von dem Diabetes mit und fragte (der eine mehr, der andere weniger) genauer nach. Ich bemerkte schnell, dass das Wissen über Diabetes kaum über den Typ 2 hinausreichte. Mit der Zeit verbesserte ich meine Antworten, die kurzen Aufklärungsvorträge über den Typ 1, und bekam hin und wieder auch mehr Aufmerksamkeit.

Der offene Umgang hat mir dabei geholfen, dass der Diabetes und ich ein Team geworden sind. Er gehört zu mir, auch wenn ich es mir natürlich anders gewünscht hätte. Warum soll ich also meinen Sensor verstecken, mich zum Spritzen umdrehen oder keine Aufklärungsarbeit leisten? Zudem sehen meine Sensoren doch viel zu schön aus, um sie unter einem langen Shirt zu verstecken!

Quelle: Nathalie Bauer

So zu tun, als wäre vergangenen Oktober nichts passiert, wäre der falsche Weg. Man muss sich bewusst werden, wie schnell diese Krankheit gefährlich werden kann und dass es wichtig ist, auf sich achtzugeben. Es ist mein Leben, also warum soll ich mich für andere verstecken? Wer damit nicht klarkommt, kann gerne 10 Sekunden die Augen schließen. (Oder bittet ihr jemanden darum, kurz mit dem Atmen aufzuhören, weil es euch stört?)

Nathalie (Zucker)

Mit einer gesunden Menschenkenntnis fällt es mir leicht zu erkennen, ob es jemand ernst oder albern meint. Ich bin jemand, der selbst sehr gerne kleine Witze über das Diabetiker-Dasein reißt, denn Humor hilft mir ungemein beim „Positivbleiben“. Einer meiner Professoren hat sogar eine kleine Notiz mit „Zucker“ hinter meinen Namen geschrieben, da wir zwei Nathalies im Kurs haben und er mich so besser zuordnen kann. Stört es mich? Überhaupt nicht, da er es auf eine nette und amüsante Weise verpackt! Genauso zeigt er sehr großes Interesse am Diabetes und erkundigt sich regelmäßig nach meinem gesundheitlichen Zustand und Fortschritt.

Quelle: Nathalie Bauer (off-label)

Es lässt sich festzuhalten: Viele sind daran interessiert, mehr zu lernen!  Durch die Medien wird uns leider nur ein einziges Bild zu dem Begriff „Diabetes“ geliefert, was nur selten der Realität entspricht. Falls jemand allerdings kein Interesse hat, akzeptiere ich dies auch und versuche, ihn nicht unnötig mit Infos zu überhäufen.

Wohl der einzige Grund, weshalb ich mich auf die warmen Tage freue, ist: Ich kann meinen Sensor (und hoffentlich bald die Pumpe) der gesamten Welt zeigen. Ich kann stolz sein, dass ich es so weit geschafft habe, und bin froh darüber, dass ich diese Krankheit unter Kontrolle habe. Zeigt euch!


Kennt ihr das: Es wird wärmer und plötzlich benötigt ihr am Tag eine ganz andere Insulinmenge? Tine erzählt, wie das bei ihr ist: Schwitzen, Hitze, Spritzen – Insulinsensitivität im Sommer

12 Kommentare zu “Hallo Welt, ich habe Diabetes!

  1. Liebe Nathalie,
    mich hat es auch 2018 erwischt mit dem Typ1 als Anhängsel. Im Mai kam ich mit über 400 Sachen ins KH….
    Auf Deinen Bildern trägst Du wohl alle Sensorvarianten?
    Ich trage derzeit noch den freestyle1, wobei mein Arzt mich auf den 2er umstellen möchte, da ich oft nachts unterzuckere…Hast Du damit Erfahrungen? Auch erhoffe ich mir von dem 2er, dass er genauer misst als der Vorgänger. Manchmal hab ich Sensoren, die bis zu 50 oder mehr abweichen auch nach über drei Tagen Tragedauer; solche hatte ich dann vorzeitig ausgetasucht.
    Nun ja, wenn die Umstellung genehmigt wird, soll ich die neue Varainte ein Quartal testen; sollte ich damit nicht gut zurechtkommen, schreibt mir der Doc den Dexcom auf.

    Vor einigen Tagen hatte ich Gelegenheit zu einer Vorstellung des Dexcom G6 zu gehen. Da hat eine Dexcom-Mitarbeiterin dieses Modell vorgestellt. Ich muss sagen, dass ich durchaus auch damit liebäugele, da es sehr differenzierte Alarmeinstellungen hat. Wobei manch einer vllt auch sagt, dass die vllt auch irgendwann nerven?

    Hast Du einen Favoriten?

    Ansosnten freut es mich für Dich, dass Du auch in relativ kurzer Zeit Deinen Weg gefunden hast, mit dem neuen süüßen Leben umzugehen.

    Den Sensor sichtbar zu tragen, finde ich auch nicht schlimm – zumal es Sommer auch schlecht zu verbergen ginge, aber wozu auch.

    Mit dem Spritzen halte ich es so, dass ich diejenigen, die mit mir an einem Tisch sitzen (auf Feiern bspw.) zuvor frage, ob jemand Unbehagen beim Anblick von Spritzen oder Blutz. messen hat, wenn ich doch mal den Piekser benötige) – denn es gibt durchaus Menschen, denen beim Anblick kleinster Blutmengen oder von Nadeln schwummerig wird! Ich finde das muss man, bei aller medizin. Notwendigkeit unsere Gerätschaften und Insuline selbstverständlich zu benutzen, umgekehrt genauso respektieren.
    Bisher war niemand dabei, aber wenn würde ich schauen wohin ich ausweiche, denn meinethalben müssen andere nicht das Feld räumen.

    Auf jeden Fall ist es ein Segen, dass es solche Sensoren gibt – und über dies ganz wichtig:
    Menschen, die an unserer Seite stehen 🙂

    1. Liebe Sonja,

      Erst einmal: DANKESCHÖN – was für ein ausführliches Kommentar 🙂
      Ich selbst konnte nur Erfahrungen mit dem Libre 1 machen, welche leider nicht immer gut waren. Ich habe nachts auch viel unterzuckert und die Messwerte zwischen Libre & Blut gingen teilweise 100mg/dL + auseinander. Daher entschied ich mich für das Dexcom G6. Viele in meinem Diabetes-Umfeld verwenden ihn und sind davon sehr überzeugt!

      Vom Libre 2 kann ich dir leider nichts gutes berichten. Wie gesagt, ich habe ihn selbst nie probiert und kann daher nur wiedergeben, was mir berichtet wurde. Man liest immer häufiger, dass er nach wenigen Tagen nicht mehr funktioniert und nicht genau ist.

      Da ich aktuell Probleme mit dem Korrekturspritzen von wenigen Einheiten habe (das Insulin kommt irgendwie nicht an), habe ich den “Hoher Wert”-Alarm abgeschaltet. Mein Dexcom piept nur, wenn ich zu niedrig bin. Ich trage ihn erst seit wenigen Tagen und bin jetzt schon begeistert. Ab und zu messe ich noch Korrektur blutig, weil ich einfach eine Art “Misstrauen” vom Libre habe.. Aber das ist immer unbegründet – der Dexcom ist super!

      Genau so handhabe ich es auch, mit dem Spritzen. Ich kündige kurz an, dass ich jetzt pikse und wenn es jmd. nicht sehen kann, schaut er kurz weg. In unmittelbarer Nähe ist sowas für mich auch selbstverständlich, allerdings würde ich nicht auf’s Klo verschwinden, weil am anderen Ende des Raumes mich jemand doof anmacht 😀

      Nochmals lieben Dank für dein nettes Kommentar. Dir alles Gute weiterhin und immer schön positiv bleiben! 🙂

  2. Liebe Nathalie,
    dein Bericht gefällt mir sehr gut und lässt auch alte Hasen wie mich mit meinen über 20 Jahren Diabetes nachdenken. Nicht dass ich mich mit meinem Diabetes verstecke, ich bin auch offen, aber zeige nicht bewusst Sensoren, Pumpe etc, weil es oft schon nervige Blicke gab, nicht wirklich negativ, aber es hat mich genervt. Bleib so wie Du bist mit deiner super-tollen positiven Ausstrahlung. Das hilft mir und auch anderen.
    Liebe Grüße, Matthias

    1. Da kann ich mich Matthias nur anschließen! Man vergisst als “alter Hase” manchmal, dass man Sensoren/Pumpe usw. unbewusst versteckt und dein Artikel ist ein toller & fröhlicher Reminder, dass es dazu gar keinen Grund gibt 🙂

    2. Lieber Matthias, Liebe Sara 🙂

      Lieben Dank für eure Worte! Ich bin gespannt, wie es bei mir in ein paar Jahren aussieht. Jetzt ist alles noch sehr neu und aufregend für mich, das vergeht bestimmt auch mit der Zeit 😀

      Man muss seinen Sensor & Co. nicht immer offensichtlich zeigen. Aber dafür schämen sollte man sich nie!! 🙂

      Liebe Grüße an euch beide ♥

  3. Hallo Nathalie,
    dein Text gefällt mir.
    Und mir bringt es viel hier von einigen zuhören die genauso denken wie ich. Da ich sonst in meiner Umgebung keinen haben mit dem ich mich austauschen kann.

    Ich habe auch erst seit letztem Jahr April Diabetes und gehe auch recht offen damit um. Meinen Sensor trage ich auch am liebsten am Arm.
    Nur wenn ich in einer großen Runde am Tisch sitze, Spritze ich mich dann lieber um die Ecke.
    Aber auch einfach nur weil ich manchmal keine Lust auf Erklärungen und vielen Fragen habe und ich nicht rund um die Uhr über den Diabetes nachdenken möchte.
    Das mache ich am Tag schon oft genug.
    Sonst habe ich auch den Dexcom und bin super froh damit.
    Hast du schon eine Pumpe beantragt?
    Ich bin auch am überlegen.
    Lg Anja

    1. Hallo Anja,

      Lieben Dank für dein Feedback 🙂
      Genau dafür ist eine Community, wie die BSL, auch da! Wir wollen zeigen, dass wir doch mehr sind als man anfangs vielleicht vermutet. Und irgendwie beschäftigen uns doch alle dieselben Themen.

      Wenn zu viele “fremde” am Tisch sitzen, dann dreh ich mich auch weg – damit will ich mich oder den Diabetes nicht verstecken, aber manchmal fehlt auch mir die Motivation dann von vorne zu beginnen und meinen Vortrag über Typ 1 Diabetes zu halten 😀

      Meine Pumpe wurde gestern offiziell genehmigt!! Ich bin sehr gespannt, Mitte Juli bekomme ich sie dann “angelegt”.

      Liebe Grüße an dich zurück ♥

  4. Ich bin Diabetiker 3c. mir wurde wegen eines tumor mannsfaust groß die pankrea die gallenblase und der dünndarm operativ entfernt . das war im april 1998. ich hab seid der op keinerlei schmerzen und auch keine krankheit gehabt. ich hab mit dem rauchen im märz
    2000 aufgehört und trinke seid 21 jahren keinen alkohol mehr. ich bin jetzt 71 und gut zu fuß.

    mir geht es wunderbar und ich bin dem krankenhaus in cottbus sehr dankbar.

    Mit freundlichen grüßen Harald, Jatzlauk

    1. Lieber Harald,

      Das ist schön zu hören, dass du den Eingriff 1998 so gut weggesteckt hast! Sowas mag anfangs ein großer Eingriff und eine große Umstellung des Lebens sein, aber es kommt immer darauf an, was man daraus macht! 🙂

      Alles Gute weiterhin!

  5. Liebe Nathalie, als ich mit meiner Diabetes-Karriere begann, wollte ich nicht bemitleidet werden und vor allem nicht anders sein. Das ganze Equipment war auch nur zu Hause verfügbar. So offen, wie ich heute mit meinem Diabetes umgehe und auch Pumpe oder Sensor oder auch mal einen blutigen BZ-Test offen zeige, das hat sich erst in den letzten 10 Jahren entwickelt. Deswegen finde ich es klasse, dass du von Anfang an so völlig und “normal” mit dem Diabetes umgehst. LG

    1. Hi Felicitas 🙂 Ich bin froh darüber, dass man heute die Technik und Fortschritte hat, dass man so “frei” mit dem Diabetes leben und sich bewegen kann. Das hilft mir wirklich sehr bei der Akzeptanz. ♥ Danke für deine netten Worte 🙂

  6. ich bin seid 1998 diabetiker 3c. mir wurde die pankreas der halbe magen die gallenblase
    und der 12 fingerdarm operativ in 8 std. wegen eines tumor entfernt. mir geht es seid der op
    sehr gut .bei meiner op 1998 war ich 50 jahre alt. ich trage einen sensor seid 2016
    und bekomme am 22.8. 2019 eine insulin pumpe. ich bin noch sehr gut zu fuß und mit dem rad. ich wünsche euch allen ein schönes wochenende

    Harald, Jatzlauk

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