Lieber an Diabetes erkranken als …

Die Diabetes-Diagnose ist häufig ein großer Schock, aber dennoch geht das Leben weiter. Nathalie weiß, dass das nicht bei jeder Erkrankung so ist.

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Dieser Beitrag wird polarisieren, dessen bin ich mir bewusst. Allerdings lese ich sehr oft Kommentare, dass Aussagen wie „Ich habe lieber den Diabetes als Krebs“ nicht akzeptabel sind und unsere Erkrankung runterspielen würden. Dieser Wertung stimme ich nicht zu und möchte euch mit diesem Beitrag gerne näher erläutern, warum ich ganz klar zu der Fraktion „Lieber Diabetes als Krebs“ gehöre. Ich möchte mit meinen Worten niemanden persönlich angreifen oder die Meinung eines anderen Menschen abwerten.

Vorab: Es ist generell sehr schwierig, Krankheiten gegeneinander aufzuwiegen, zu vergleichen oder zu sagen, dass Krankheit X „schlimmer“ ist als Krankheit Y. Eine einfache Aussage ohne Hintergrundinformationen lässt sich schwer einordnen und kann schnell missverstanden werden. Um bei diesem Thema eine Diskussion auf Augenhöhe zu ermöglichen, zählen für mich hier vor allem zwei Faktoren dazu: Ist man selbst von der Krankheit (indirekt) betroffen und wie sehen die aktuelle Therapie bzw. die Therapiemöglichkeiten aus?

Gefühle spielen eine große Rolle

An das Krankenhausbett gefesselt, schossen mir am Tag meiner Diagnose viele Gedanken durch den Kopf. Es fühlte sich an, als würde die gesamte Welt stillstehen und nichts mehr so möglich sein, wie es vor der Erkrankung war. Die Ansage, dass ich mich nun ein ganzes Leben lang selbst spritzen und meinen Blutzucker kontrollieren muss, ging nicht in meinen Kopf. Das habe ich auch klar der Ärztin und meiner Diabetesberaterin kommuniziert. Für mich war es in diesem Moment das Schlimmste, was hätte passieren können.

Niemals das Lachen verlieren, auch in schwierigen Situationen! (Quelle: Nathalie Bauer)

Meine Symptome waren alles andere als schön und tatsächlich dachte ich nicht direkt daran, dass der Grund meines schlechten Gesundheitszustandes ein Diabetes mellitus sein könnte. Ich habe mit weitaus Schlimmerem gerechnet und war daher etwas erleichtert, als die Ärztin die Diagnose verkündete. Damit fängt es vermutlich an, meine Dankbarkeit und die Ansicht, dass es „angenehmer“ ist, als die Diagnose Krebs zu bekommen. Doch in so einer Situation war (zum Glück) nicht jeder Mensch mit Diabetes, es gibt genug „Zufallsdiagnosen“ ohne vorangegangene schwere Ketoazidose.

Mein Leben geht weiter, ein anderes nicht

Als ich von der Überwachungsstation auf die normale verlegt wurde, wechselte nach zwei Tagen meine Zimmernachbarin. Ich teilte mir nun das Zimmer mit einer Frau Ende 40. Sie bekam mit, wie mir die täglichen Injektionen zu schaffen machten und wie ich nur schwer den Schulungen meiner Diabetesberater folgen konnte. Und so kamen wir ins Gespräch. Sie erzählte mir, weshalb sie hier im Krankenhaus war: maligner Nierentumor, umgangssprachlich Nierenkrebs. Ich wollte es gar nicht glauben. Eine Frau, im Alter meiner eigenen Mutter, mit einer Diagnose, deren Prognose leider überhaupt nicht gut aussah. Doch anstatt sich davon runterziehen zu lassen, versuchte sie, das Beste daraus zu machen. Man sah ihr jedoch an, dass es ihr zu schaffen machte. Und auf einmal waren die Probleme, die ich mit den Insulininjektionen und dem Blutzuckermessen hatte, so nichtig und klein.

Eines Morgens wurde sie zur Nachuntersuchung abgeholt und nur wenige Stunden danach trat der Arzt in unser Zimmer, mit den Worten: „Wir sollten unter vier Augen sprechen.“ Mir wurde ganz komisch und in meinem Hirn fing es wieder an zu rattern… sie hatte mir von ihrer Tochter in meinem Alter erzählt, hatte eine Familie. Und dann kommt diese Krankheit und zerstört alles?!

Quelle: Pixabay

Ich dachte, schlimmer kann es nicht kommen

Meine Zimmernachbarin wurde einen Tag später entlassen, sollte in ihrer Heimat einiges regeln und einen letzten Therapieversuch wagen. Ich wünschte ihr nur das Beste dieser Welt, leider weiß ich nicht, wie es ihr heute geht. Das Bett wurde frei, eine neue Frau zog ein und plötzlich hatte ich ein Déjà-vu. Es mag an der Station liegen, auf welcher ich untergebracht war, aber dennoch war es ein erneuter Schock für mich und bestärkte mich nur in meiner Ansicht. Auch sie hatte einen Nierenkrebs, allerdings sah ihre Prognose etwas besser aus. Was sie dafür aber alles durchmachen musste, war ein ganz anderes Thema. Und hier komme ich zu dem zweiten Punkt, den ich anfangs genannt habe.

Ja, es ist zeitaufwendig, kräftezehrend und manchmal auch frustrierend, sich um unseren Diabetes zu kümmern. Allerdings gibt es mittlerweile wirklich gute Möglichkeiten hinsichtlich der Therapie. Sei es ein Sensor, welcher uns das ständige Piksen abnimmt, oder der Insulinpen, der die Insulininjektion vereinfacht. Wir müssen keine tierischen Bauchspeicheldrüsen zur Insulingewinnung anzapfen oder Glaskolben auskochen. In Deutschland bedeutet die Diagnose nicht den sicheren Tod. Das Gesundheitssystem unterstützt uns zum Großteil so weit, dass es uns an nichts mangelt. Kurzum: Wir können ohne große Probleme mit der Krankheit leben. Klar, auch der Diabetes hat seine Schattenseiten und von Folgeerkrankungen oder Komplikationen ganz zu schweigen. In den meisten Fällen spielt man sich mit der Krankheit ein und findet seine ganz persönliche Routine.

„Mit dem Diabetes ein Team werden“ – Nathalies Ziel in der Diabetestherapie. (Quelle: Pixabay)

Ständig diese Ungewissheit …

Wie reagiert mein Körper auf die Therapie? Werde ich es schaffen, den Krebs vollständig zu besiegen? Wird er nach erfolgreicher Therapie zurückkommen? Diese Fragen beschäftigten meine damalige Zimmernachbarin. Fragen, mit denen ich mich nicht beschäftigen muss. Für mich ist es unvorstellbar, wie es sein muss, wenn man nach monatelanger Therapie die Nachricht bekommt, dass nichts anschlägt oder nach mehreren Jahren der Krebs zurück ist.

Ich stand vor ganz anderen Herausforderungen nach der Diagnose: Wie berechne ich KEs? Werde ich es jemals schaffen, mir eigenständig Insulin zu injizieren? Was mache ich, wenn ich während einer „Hypo“ hilflos bin und Fremdhilfe benötige? Fragen über Fragen, die mich teilweise noch heute beschäftigen. Für mich persönlich dennoch nichts im Vergleich zur möglichen Angst um mein Leben.

Ich hoffe, dass ich meinen Standpunkt zu diesem Thema einigermaßen nachvollziehbar erklären konnte. Ich bin froh darum, dass ich damals „nur“ die Diabetes-Diagnose erhalten habe, nachdem in meinem Kopf bereits ganz andere Szenarien abliefen. Das bedeutet nicht, dass ich froh um den Diabetes im Allgemeinen bin oder dass ich die Diagnose kleinreden möchte. Auf keinen Fall. Es ist einschneidend und verlangt täglich viel ab. Und es ist auch richtig und wichtig, dass auch wir uns über unsere Krankheit aufregen (dürfen) – das ist für mich selbstverständlich und Teil des Prozesses, den Diabetes zu akzeptieren.

Diabetes und Selbst-Mitgefühl – Über das Recht für Selbst-Mitgefühl hat Sara geschrieben.

3 Kommentare zu “Lieber an Diabetes erkranken als …

  1. Hallo Nathalie, ;0)

    “Es gibt keine Zufälle im Universum.”

    Neale Donald Walsch, “Gespräche mit Gott” Bd. 1. S. 98

    Ich finde deinen Beitrag keineswegs kontrovers, sondern verständlich, aber für mich beruht er auf der Annahme, dass unsere Krankheiten willkürlich und quasi zufällig über uns hereinbrechen. Das glaube ich nicht. Ich denke, was ich jetzt schreibe, wird tatsächlich kontroverse Meinungen hervorrufen…

    Ich hatte vor elf Jahren Systemisch-Vedische Astrologie per Fernstudium studiert und im Rahmen dieses Studiums, welches insgesamt ein Jahr dauerte, sollten wir nach den Regeln dieser indischen Lehre auch unser eigenes Horoskop untersuchen. Ich hatte das dann retrospektiv für den Zeitraum meiner Diagnose im Sommer 1980 unternommen und mein Horoskop für diesen Zeitpunkt nach Hinweisen für den Ausbruch von Diabetes unter die Lupe genommen. Die Signifikatoren für Diabetes sind demnach Venus, Jupiter und das 5. Haus. Es gibt drei Arten von Voraussagen (aller guten Dinge sind drei…), die allgemein aus jedem Horoskop folgen:

    1. Dinge, auf die nur ein einzelner Hinweis besteht, sind möglich
    2. Dinge, auf die zwei Hinweise bestehen, sind wahrscheinlich
    3. Dinge, auf die drei oder mehr Hinweise bestehen, sind sicher.

    Wahrscheinlich kannst du es dir schon denken: Zu besagtem Zeitpunkt waren es drei Hinweise in meinem Horoskop, die auf den Ausbruch von Diabetes hindeuteten. Das wurde mir später so auch vom Studienleiter bestätigt. Warum schreibe ich das? Nun, ich denke, dass wir uns auf einer höheren Ebene alle Erkrankungen “aussuchen”, ohne uns dessen allerdings in diesem Leben bewusst zu sein.

    Das hat mir letztlich zu einem anderen, tiefgründigeren Verständnis solcher und anderer karmischer Herausforderungen verholfen.

    Einen lieben Gruß aus Ostwestfalen nach BaWü!

    Thomas

    1. Hallo Thomas,

      vielen Dank für dein Kommentar! Tatsächlich wollte ich mit meinem Beitrag nicht die Annahme vermitteln, dass unsere Krankheiten willkürlich über uns hereinbrechen. Ich sehe es nämlich ganz genau so wie du!

      Als ich 2016 bei einer koreanischen Wahrsagerin saß, las sie aus meinem Horoskop, dass ich gesundheitlich bald Probleme in der “oberen Bauchregion” haben werde. Da zu diesem Zeitpunkt eher Migräneanfalle das Problem waren, schenkte ich dieser Aussage kaum Bedeutung.
      Wenige Monate später setzte der Gewichtsverlust und zunehmende Durst ein, bis dann Oktober 2018 die Diagnose folgte.

      Rückblickend total unheimlich, dass sie damals diese Aussage getätigt hat und auf genau auf die Körperstelle deutete, an welcher sich die Bauchspeicheldrüse befindet.

      Dein Kommentar zeigt mir erneut, dass das keineswegs ein reiner Zufall sein kann. Wie gesagt, ich sehe das ähnlich wie du und denke auch, dass alles aus einem guten Grund passiert.

      Für mich persönlich habe ich mir vorgenommen, mich in Zukunft noch mehr mit diesem Thema auseinander zu setzen. Wir können uns sehr gerne dazu austauschen 🙂

      Liebe Grüße
      Nathalie

  2. Hallo Nathalie,

    ich finde es sehr gut, dass du dich auch für spirituelle Themen interessierst! Damit sind wir sicher nicht allein. Tatsächlich vermisse ich hier in diesem Forum einen “Off-Topic”-Bereich, in dem man sich auch mal in lockerer Form über nicht-diabetische Themen austauschen kann. Das würde die BS-Lounge sicher beleben!
    Hier noch ein kleines Zitat aus dem Buch von Walsch:

    “Euer Potential ist unbegrenzt in allem, was zu tun ihr gewählt habt. Geh nicht davon aus, dass eine Seele, die sich in einem behinderten Körper, wie du es nennst, inkarniert hat, nicht ihr volles Potential erlangt hat, denn du weißt nicht, was diese Seele zu tun versucht hat. Du verstehst ihr Vorhaben nicht. Du bist dir über ihre Absicht im Unklaren. Segne deshalb jede Person und jeden Umstand und bedanke dich.”

    Neale Donald Walsch, “Gespräche mit Gott” Bd. 1, Seite 81

    Den ersten Band der “Gespräche mit Gott” von Walsch kann man sich bei Interesse auf Youtube als Hörbuch anhören. Das habe ich damals auch so gemacht, obwohl ich anfangs skeptisch war aufgrund meiner wissenschaftlichen Prägung. Aber jede/r sollte sich natürlich ihren/seinen eigenen Eindruck verschaffen. ;0)

    Liebe Grüße
    Thomas

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